Sina Fröhndrich: Es ist ein radikaler Umbau, der Milliarden kostet – kann er die Zukunft der Deutschen Bank sichern? Das besprechen wir mit Hans-Peter Burghof, Professor für Bankwirtschaft an der Universität Hohenheim, die Deutsche Bank macht sich wieder klein - von einer Notoperation spricht die Süddeutsche Zeitung - kann die Patientin so noch gerettet werden?
Hans-Peter Burghof: Ja, die Zukunft ist ungewiss. Aber gerettet werden kann sie natürlich. Es hängt davon ab, ob die Mitarbeiter mitziehen und ob die Kunden mitziehen. Bei den Mitarbeitern scheinen die Voraussetzungen gar nicht so schlecht zu sein. Die Gewerkschaften ziehen mit, wollen dem sich nicht in den Weg stellen und die hätten einiges verhindern können. Und die Kunden - da muss man jetzt mal abwarten.
"Es gibt auch andere Banken in Europa, die diesen Bedarf decken"
Fröhndrich: Das sagen Sie gerade, die Kunden. Man richtet sich künftig wieder stärker aus auf Unternehmen und auf die Privatkundschaft. Genießt denn die Deutsche Bank hier überhaupt das Vertrauen, um zu punkten?
Burghof: Sagen wir so: Man würde dann an alte Traditionen anknüpfen und würde die Reputation entsprechend wieder aufbauen. Das dauert natürlich. Andererseits kann man den Kunden jetzt auch versichern: Passt auf, wir konzentrieren uns wirklich auf euch, wir haben da kein großes Investmentbanking mehr, wir wollen keine kurzfristigen Gewinne mehr erzielen im Investmentbanking, sondern ihr seid tatsächlich das, was wir machen, das Geschäft mit euch ist das, worum es uns geht. Wie glaubwürdig das ist, das bleibt dann jedem überlassen. Im Prinzip ist uns aber, glaube ich, allen klar, dass es für Deutschland schon schön wäre, wenn wir eine große Bank hätten, die auch die deutsche Wirtschaft ins Ausland und an die internationalen Kapitalmärkte begleiten kann.
Fröhndrich: Und wenn wir uns da so eine Deutsche Bank als Unternehmensbank in Zukunft vorstellen, gibt es denn eigentlich überhaupt den Bedarf dafür? Sehen Sie den wirklich?
Burghof: Ja, den sehe ich ganz entschieden. Allerdings, wir sind in Europa. Das heißt, es gibt auch andere Banken in Europa, die diesen Bedarf heute auch schon decken. Es ist nicht so, dass jetzt alles darauf wartet und sagt, wenn die Deutsche Bank das nicht tut, tut es keiner. Das ist nicht der Fall, sondern sie müssen dann auch tatsächlich besser, attraktiver werden in diesem Geschäft als die Wettbewerber aus Europa.
Weitere Fusionspläne erst einmal unwahrscheinlich
Fröhndrich: Weniger Investmentbanking, weniger Beschäftigte – ist das jetzt vielleicht auch nur der Anfang? Wird da am Ende vielleicht sogar noch mehr kommen und wird das dann zwangsläufig auch eine Fusion mit einer anderen Bank sein? Was glauben Sie da?
Burghof: Ich weiß es nicht. Wir haben ja die Fusion diskutiert und man stellt im Moment fest, Fusionen solcher großen Banken sind eigentlich keine gute Idee, weil die Probleme liegen ja in der Komplexität, in der fehlenden Zielgenauigkeit der Strategie. All das wird ja durch die Fusion nicht besser, sondern eher schlechter. Die Fusion Deutsche Bank/Commerzbank hätte ja zunächst mal eine ausgesprochen chaotische Situation erzeugt, die auseinander zu dividieren möglicherweise Jahre gedauert hätte. Von daher: Nein, ich bin mir nicht sicher, ob am Ende eine Fusion steht. Allerdings wenn die Bank klarer ist, klarer erkennbar ist, wird sie natürlich als Fusionsziel wieder attraktiver.
Fröhndrich: Das heißt, ganz ausgeschlossen ist das dann nicht?
Burghof: Nein. Wir stehen ja am Anfang des Prozesses. Der Prozess scheint sehr generalstabsmäßig geplant zu sein. Das ist wirklich alles auch vom Timing her durchgeplant, was man auch daran sieht, dass jetzt bestimmte Personalentscheidungen in großer Geschwindigkeit durchgeführt werden, beschlossen und durchgeführt werden. Aber dennoch dauert dieser Prozess natürlich lange und dann muss man mal schauen, wie die Bank danach dasteht.
"Hohe Gehälter nicht immer hilfreich"
Fröhndrich: Sie haben jetzt schon gesagt, die Beschäftigten machen das mit. Auch die Aktionärinnen und Aktionäre müssen ein bisschen was mitmachen. Die bekommen jetzt erst mal keine Dividende. Wie ist es denn, wenn wir auf den Vorstand schauen? Der wird natürlich verändert. Aber sollte der nicht noch einen weiteren Beitrag zu diesem Umbau vielleicht leisten und etwa auch auf Boni verzichten?
Burghof: Ja, das wäre sehr schön. Aber anderen Leuten empfehlen, ihr Gehalt zu streichen, das ist immer ein bisschen schwierig. Richtig ist, dass die Deutsche Bank in ihren Spitzenpositionen deutlich mehr verdient hat als zum Beispiel die Mitarbeiter der Commerzbank und dass man da tatsächlich ran müsste, damit man überhaupt wieder attraktiv und dynamisch wird. Offenbar sind diese hohen Gehälter auch nicht immer hilfreich, sondern vielleicht auch manchmal demotivierend oder führen zu einer gewissen Trägheit, zu auch einer Selbstüberschätzung, die nicht empfehlenswert ist. Tatsächlich muss man an die Gehälter ran, aber das erzeugt schlechte Stimmung und schlechte Stimmung kann man in so einem Prozess nicht wirklich brauchen. Das ist dann eine Zwickmühle, in der ich Sewing schon sehe.
Achleitner hat Investmentbankern jahrelang die Stange gehalten
Fröhndrich: Und wie sehen Sie die Rolle des Aufsichtsrates?
Burghof: Der Chef des Aufsichtsrates, Herr Achleitner, hat diese strategische Entscheidung jetzt mitgetragen, unterstützt sie offenbar. Das ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, wo er herkommt. Er kommt nämlich aus diesem Investmentbanking und er hat jahrelang auch dem Investmentbanking die Stange gehalten. Offenbar hat er jetzt gesehen, dass das so nicht mehr weitergeht. Insofern ist anerkennenswert, dass er jetzt diesen Schritt mitträgt, nachdem das mit der Fusion mit der Commerzbank ja in diesem Frühjahr nichts geworden ist.
Fröhndrich: Das heißt, dieser Umbau mit Herrn Achleitner, da sehen Sie schon, dass der so gelingen kann?
Burghof: Da würde ich wieder zu viel in die Zukunft schauen, wenn ich das sagen würde. Er kommt nicht aus diesen Bereichen des Bankgeschäftes, die jetzt von der Deutschen Bank verstärkt werden. Aber er sitzt ja auch nicht alleine im Aufsichtsrat. Da sitzen ja auch noch andere. Von daher: Man schreit immer danach, dass Achleitner an allem Übel Schuld sei, weil er schon sehr lange in dieser Verantwortungsposition ist. Aber so richtige Alternativen werden bisher auch nicht genannt.
"Die Deutsche Bank segelt relativ hart am Wind"
Fröhndrich: Schauen wir noch mal in die Zukunft. Was ist denn, wenn dieser Umbau nicht gelingt am Ende?
Burghof: Na ja. Die Deutsche Bank hat das Risiko deutlich erhöht. Oder anders gesagt: Sie segelt relativ hart am Wind. Wenn sie dann plötzlich mit dem Geld nicht hinkommt und die Aktionäre um eine Kapitalerhöhung bitten muss, dann wäre das wahrscheinlich ein Schlachtfest für den Kurs. Das würde die Deutsche Bank ganz erheblich in Bedrängnis bringen. Das Risiko ist deutlich erhöht dadurch, aber das geht auch nicht anders, wenn man aufholen will. Dann muss man dichter am Wind segeln. Das macht die Deutsche Bank jetzt. Das heißt, wir können uns auf zwei Jahre einstellen, in denen wir relativ atemlos beobachten müssen, was da passiert.
Fröhndrich: Zwei atemlose Jahre - das ist ja für all jene interessant, die Steuern zahlen. Sehen Sie da vielleicht noch die Gefahr, dass die Bank irgendwann doch noch mal gerettet werden muss?
Burghof: Das will ich jetzt nicht herbeischreien. Soweit sind wir noch nicht und soweit wollen wir auch gar nicht kommen. Wir haben aber auch eigentlich eine Vereinbarung, dass Banken nicht mehr gerettet werden, dass natürlich die Folgen einer solchen Krise abgemildert werden im Rahmen der Europäischen Union. Aber wir haben eigentlich die Vereinbarung, dass Banken, die sich am Markt nicht behaupten können, auch nicht weiter existieren. Ich bin mal sehr gespannt, wenn dann der Test käme, was da passieren würde. Ich würde mir aber sehr wünschen, dass wir das nicht bei der Deutschen Bank ausprobieren müssen.
"Die große Deutsche Bank gibt es weiterhin"
Fröhndrich: Das wäre dann auch eine Frage für die Politik. Vielleicht bleiben wir noch mal kurz bei der. Da gab es zuletzt ja immer den Wunsch, so einen nationalen Bank-Champion zu schaffen. Gehört dieser Wunsch jetzt endgültig in die Schublade?
Burghof: Wenn nationaler Banken-Champion heißt, eine globale Investmentbank, die in Deutschland ihren Heimatsitz hat, dann gibt es diese Bank offenkundig nicht. So richtig hat es die auch nie gegeben, denn die Investmentbanker der Deutschen Bank saßen ja gar nicht in Frankfurt, jedenfalls die, die den Ton angaben, sondern die saßen in New York und London. Die große Deutsche Bank gibt es weiterhin und ich glaube, auch diesen nationalen Champion, den man da beschrien hat. Der wird ja nicht durch Fusionen erzeugt, sondern der wird dadurch erzeugt, dass eine Bank in bestimmten Geschäftssegmenten europaweit, vielleicht sogar weltweit erfolgreich ist. Das muss die Deutsche Bank versuchen, aber dafür muss sie sich erst mal so aufstellen, dass sie überhaupt eine Chance hat. Und das wird jetzt versucht, diese Positionierung zu finden.
Positiver Effekt für Geschäftskunden?
Fröhndrich: Vielleicht noch mal eine Frage aus Sicht all jener, die ein Konto aktuell bei der Deutschen Bank haben, um das nicht zu vergessen. Was bedeutet denn dieser Umbau jetzt für diejenigen?
Burghof: Ich glaube, für den normalen Privatkunden oder für das kleine Unternehmen - für den Privatkunden bedeutet es eigentlich gar nichts. Was soll sich da großartig ändern? Er ist weiterhin für die Deutsche Bank so interessant, wie er vorher auch war. Die Deutsche Bank bietet die gleichen Produkte für ihn an. Im sogenannten Retail-Geschäft würde ich da nicht große Veränderungen erwarten. Bei den Unternehmenskunden könnte man sich durchaus auch einen positiven Effekt erwarten, weil jetzt die Machtverhältnisse in der Bank sich verschieben und damit das Geschäft mit ihnen für die Bank wichtiger, zentraler wird und sie dann vielleicht auch besseren Service erwarten können. Aber das muss die Bank erst noch mal leisten, das muss sie umsetzen, aber es kann durchaus einen positiven Effekt auf der Seite geben.
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