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Ungewisse Zukunft für den Sender RTP

Die Regierung Portugals will sparen. Sie hat bekannt gegeben, dass der öffentlich-rechtliche Radio- und Fernsehsender RTP möglicherweise privatisiert werden soll. Aus Protest sind inzwischen die Verwaltungsdirektoren des Senders zurückgetreten.

Von Jochen Faget |
    Dass er in der portugiesischen Medienlandschaft einen wahren Sturm auslösen würde, hatte sich António Borges, der Regierungsberater für die Privatisierung von Staatsunternehmen, garantiert nicht gedacht. Seine Ankündigung klang, wie üblich, unaufgeregt und abgewogen:

    "Es liegen verschiedene Szenarien auf dem Tisch. Eines ist, das erste Fernsehprogramm der Sendeanstalt RTP an ein Privatunternehmen zu vergeben. Die Einstellung des zweiten Programms ist hingegen kaum zu verhindern. Es ist zu teuer und hat verschwindend wenig Zuschauer."

    Mehrere Hundert Millionen Euro werde das dem portugiesischen Staat sparen, glaubt Borges, Geld, das jetzt in der Krise zur Deckung des Haushaltsdefizits dringend nötig werde. Dass dies das Ende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Portugal bedeuten würde, schien den Finanzbürokraten, Topmanager und Universitätsprofessor kaum zu stören.

    Verfassungsrechtler stört das hingegen umso mehr. Jorge Miranda, einer der wichtigsten Verfasser des portugiesischen Grundgesetzes, machte das sofort deutlich:

    "Die Idee, einige Fernseh- und Hörfunkprogramme einzustellen und andere Privatunternehmen zu überlassen, verstößt klar gegen die von der Verfassung vorgeschriebene Idee eines gemeinnützigen Dienstes."

    Nur hat der Artikel 38, Absatz fünf auch seine Tücken: Er schreibt zwar einerseits die Existenz eines öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Portugal vor. Wie das System jedoch auszusehen und zu funktionieren hat – das legten die portugiesischen Gesetzgeber nie fest. Seit der Nelkenrevolution 1974 hatten wechselnde Regierungen den Staatssender RTP eher als ihr Sprachrohr verstanden - unabhängig, wenigstens ein bisschen, wurde RTP erst in den letzten zwei Jahrzehnten.

    Seitdem machen zwei Privatfernsehsender der Anstalt Konkurrenz, beide eher konservativ-regierungsnah und mit eine Unterhaltungsprogramm, das von Telenovelas geprägt wird. Seit Jahren greifen beide die RTP an. Ihr Argument, der öffentlich-rechtliche Sender leiste keinen gemeinnützigen Dienst und nehme ihnen die Werbekunden weg.

    Die RTP kassiert zwar nur eine symbolische Rundfunkgebühr, erhält dafür aber rund 250 Millionen Euro an Staatszuschüssen pro Jahr. Dass die RTP nach dem Willen der Politik auch noch die Auslandsprogramme RTP Internacional und RTP Afrika sowie diverse Kabelkanäle und acht Radiowellen betreibt, vergisst die Konkurrenz nur zu gerne.

    In diesen seit langem schwelenden Streit, platzte nun die Ankündigung des Privatisierungsberaters hinein. Es geht um Grundsätzliches: Während die Regierung erklärt, so wie bisher könne es mit RTP nicht weitergehen, stellt sich die Opposition geschlossen hinter den öffentlich-rechtlichen Sender. Der Chef der Sozialisten António José Seguro erklärte:

    "Der Regierungsvorschlag mag ja vielen Interessen dienen, dem Land und unseren nationalen Interessen jedoch dient er nicht."

    Immer mehr Gerüchte machen in Portugal die Runde: Eines davon ist, dass angolanische Investoren an einer RTP-Konzession interessiert seien. Sie hatten der Regierung schon bei einer umstrittenen Bankenprivatisierung geholfen und sich bereits in die portugiesische Presselandschaft eingekauft. Bei so viel Mauschelei fürchten Medienfachleute natürlich um die Unabhängigkeit der RTP. Emídio Rangel war früher Chef eines Privatsenders, doch auch er sieht die Pläne kritisch:

    "Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu privatisieren ist so absurd, wie das Präsidialamt schließen zu wollen, weil es zu teuer ist."

    Durch eine Konzessionsvergabe werde, so glaubt Rangel, der Bock zum Gärtner gemacht, öffentlich-rechtlicher Rundfunk könne nicht nach wirtschaftlichen Kriterien betrieben werden - schon gar nicht von ausländischen Investoren.