Anne Raith: Viele Schlecker-Mitarbeiter öffnen heute Morgen ihre Filiale zum letzten Mal. Danach ist für über 2000 Märkte Schluss. So sieht es der Plane des Insolvenzverwalters, 11.000 Beschäftigte sind davon betroffen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, in Bayern und im Schlecker-Stammland Baden-Würtemberg. Auffangen soll die Schlecker-Frauen nun eine Transfergesellschaft, über die in der letzten Woche zum ersten Mal verhandelt wurde.
Und vor wenigen Minuten habe ich mit Christel Hoffmann gesprochen, sie ist Gesamtbetriebsrat-Vorsitzende bei Schlecker und arbeitet seit insgesamt 17 Jahren für das Unternehmen. Viele Filialen sollen also heute zum letzten Mal öffnen, ich wollte von ihr wissen, mit welchen Gefühl wohl viele ihrer Kollegen heute bei der Arbeit erscheinen?
Christel Hoffmann: Ich denke mal, dass das in Worte fast nicht zu fassen ist. Das sind Kolleginnen, die zehn, 15, 20 Jahre dabei waren und ihnen ist durchaus bewusst, dass sie heute Morgen das letzte Mal aufschließen und heute Nachmittag, gegen Abend, das allerletzte Mal abschließen. Es ist ein Stück von ihrem Leben, das heute zu Ende geht.
Raith: Jetzt ist die Frist noch einmal verlängert worden: Bis Mittwoch nun soll eine Entscheidung fallen in Sachen Transfergesellschaft. Wie sehr zehrt diese Hängepartie jetzt auch noch an den Nerven?
Hoffmann: Das ist genau so schlimm wie die Phase, wo die Kolleginnen draußen nicht wussten, bin ich bei der Kündigung dabei oder nicht. Der Zustand der Ungewissheit ist für uns alle unerträglich.
Raith: Wie werden Sie denn eigentlich mit einbezogen, wie werden Sie auf dem Laufenden gehalten?
Hoffmann: Über unseren Insolvenzverwalter, Herr Geiwitz, über ver.di und natürlich über die Kolleginnen und Kollegen direkt vor Ort.
Raith: Und das reicht Ihnen aus, fühlen Sie sich ausreichend informiert?
Hoffmann: Ich fühle mich von unserem Insolvenzbüro gut informiert, auch von ver.di gut begleitet und betreut, und ja, die Kolleginnen, wie gesagt, und die Kollegen haben halt hier Kontakt zu unserem Büro. Und Sie können sich vorstellen, dass unser Tag nicht nur acht Stunden hat, aber das alles so gerne und von Herzen.
Raith: Sie haben die Gespräche, die im Moment laufen, mal als Wahl zwischen Pest und Cholera bezeichnet. Was meinen Sie damit?
Hoffmann: Gut, das ist jetzt, was ich gerade eben schon gesagt habe, die Phase der Kündigung, bis man gewusst hat, ist man dabei oder ist man nicht dabei, Perspektive – wie Sie eben selbst gesagt haben –, die Transfergesellschaften, die aber auch nicht stehen, weil ich nichts Greifbares habe, weil nicht das absolut Positive hier im Raum steht, deshalb sagen wir, wir haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Raith: Aber eine Transfergesellschaft, wäre das eine gute Lösung oder wäre das dann die Cholera?
Hoffmann: Nein, das wäre für die Kolleginnen und Kollegen draußen die gute Lösung. Sie hätten zumindest ein kleines Rückfallbecken, sie gehen in die Transfergesellschaft, sie sind zumindest mal finanziell einigermaßen abgesichert, sie haben die Chance, eine Qualifizierung zu durchlaufen und dann auf dem Arbeitsmarkt wirklich schnell vermittelt zu werden.
Raith: Müssen Sie denn aufgefangen und vermittelt werden? Wir hören jetzt doch kritische Stimmen, zum Beispiel vom FDP-Politiker Florian Toncar, der die Lage für Verkäuferinnen zum Beispiel in Süddeutschland als sehr günstig beschreibt, dass man sich einfach nur bewerben müsse, dass es ausreichend Jobs gebe.
Hoffmann: Ich denke mal, dass das wie in allen Branchen so ist, der Arbeitsmarkt ist einfach nicht mehr so offen, und ich meine, es ist ein Unterschied, ob man von der FDP-Seite sagt, Handel ist kein Problem, da geht es halt meistens um 400-Euro-Jobs. Und da muss ich auch die Politiker der FDP fragen: Wie soll ein Mensch von 400 Euro im Monat leben?
Raith: Können Sie sich denn vorstellen, dass nicht nur die FDP, sondern auch viele kleine Einzelhändler nun den Kopf schütteln und sagen: Die Großen werden abgefedert und wir müssen im Zweifeln entlassen.
Hoffmann: Die Möglichkeit besteht immer, aber es geht ja nicht nur um den Kampf von Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern wir kämpfen ja parallel für den gesamten Handel, dass die Nahversorgung wieder beständiger wird.
Raith: Der gesamte Handel hat davon aber im Zweifel nichts, sondern nur Schlecker, ein ja oft kritisiertes Unternehmen.
Hoffmann: Das sehe ich nicht so. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, in jedem Dorf, in jedem kleineren Stadtteil hat es einen sogenannten Tante-Emma-Laden gegeben. Die Nahversorgung auf dem Land ist so katastrophal schlecht, dass auch da die Politik gefragt ist. Wenn doch ein Einzelhändler den Mut hat, in die Nahversorgung zu gehen, warum soll er dann nicht unterstützt werden. Ich habe es schon mal gesagt, es soll auch kein Rettungsschirm für Schlecker sein, sondern der gesamte Handel muss weiterleben, auch auf den Dörfern.
Raith: Im Moment, Frau Hoffmann, hängt es ja hauptsächlich an Baden-Württemberg, das Land will prüfen, ob es die Transfergesellschaft erst einmal alleine auf den Weg bringen will. Was wünschen Sie sich von Finanzminister Nils Schmid?
Hoffmann: Ich weiß, dass Herr Doktor Nils Schmid alles dafür tut, dass diese Transfergesellschaft zum Tragen kommt, er hat es mir auch in einem Brief mitgeteilt. Ich kann versichert sein, dass das Land Baden-Württemberg nicht untätig sein wird, und ich glaube ihm, und ich verlasse mich auf ihn.
Raith: Und was, wenn nicht? Was, wenn kommende Woche nicht eine Transfergesellschaft beschlossen wird?
Hoffmann: Frau Raith, da möchte ich im Moment gar nicht dran denken.
Raith: Aber einen Alternativplan für Ihre Mitarbeiterinnen muss es doch irgendwo geben?
Hoffmann: Die Alternative ist, gleich zum Arbeitsamt zu gehen.
Raith: Christel Hoffmann, Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Schlecker, über die unsichere Zukunft der Schlecker-Mitarbeiterinnen und die Diskussion um eine Transfergesellschaft. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!
Hoffmann: Ich danke Ihnen, Frau Raith!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Und vor wenigen Minuten habe ich mit Christel Hoffmann gesprochen, sie ist Gesamtbetriebsrat-Vorsitzende bei Schlecker und arbeitet seit insgesamt 17 Jahren für das Unternehmen. Viele Filialen sollen also heute zum letzten Mal öffnen, ich wollte von ihr wissen, mit welchen Gefühl wohl viele ihrer Kollegen heute bei der Arbeit erscheinen?
Christel Hoffmann: Ich denke mal, dass das in Worte fast nicht zu fassen ist. Das sind Kolleginnen, die zehn, 15, 20 Jahre dabei waren und ihnen ist durchaus bewusst, dass sie heute Morgen das letzte Mal aufschließen und heute Nachmittag, gegen Abend, das allerletzte Mal abschließen. Es ist ein Stück von ihrem Leben, das heute zu Ende geht.
Raith: Jetzt ist die Frist noch einmal verlängert worden: Bis Mittwoch nun soll eine Entscheidung fallen in Sachen Transfergesellschaft. Wie sehr zehrt diese Hängepartie jetzt auch noch an den Nerven?
Hoffmann: Das ist genau so schlimm wie die Phase, wo die Kolleginnen draußen nicht wussten, bin ich bei der Kündigung dabei oder nicht. Der Zustand der Ungewissheit ist für uns alle unerträglich.
Raith: Wie werden Sie denn eigentlich mit einbezogen, wie werden Sie auf dem Laufenden gehalten?
Hoffmann: Über unseren Insolvenzverwalter, Herr Geiwitz, über ver.di und natürlich über die Kolleginnen und Kollegen direkt vor Ort.
Raith: Und das reicht Ihnen aus, fühlen Sie sich ausreichend informiert?
Hoffmann: Ich fühle mich von unserem Insolvenzbüro gut informiert, auch von ver.di gut begleitet und betreut, und ja, die Kolleginnen, wie gesagt, und die Kollegen haben halt hier Kontakt zu unserem Büro. Und Sie können sich vorstellen, dass unser Tag nicht nur acht Stunden hat, aber das alles so gerne und von Herzen.
Raith: Sie haben die Gespräche, die im Moment laufen, mal als Wahl zwischen Pest und Cholera bezeichnet. Was meinen Sie damit?
Hoffmann: Gut, das ist jetzt, was ich gerade eben schon gesagt habe, die Phase der Kündigung, bis man gewusst hat, ist man dabei oder ist man nicht dabei, Perspektive – wie Sie eben selbst gesagt haben –, die Transfergesellschaften, die aber auch nicht stehen, weil ich nichts Greifbares habe, weil nicht das absolut Positive hier im Raum steht, deshalb sagen wir, wir haben nur die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Raith: Aber eine Transfergesellschaft, wäre das eine gute Lösung oder wäre das dann die Cholera?
Hoffmann: Nein, das wäre für die Kolleginnen und Kollegen draußen die gute Lösung. Sie hätten zumindest ein kleines Rückfallbecken, sie gehen in die Transfergesellschaft, sie sind zumindest mal finanziell einigermaßen abgesichert, sie haben die Chance, eine Qualifizierung zu durchlaufen und dann auf dem Arbeitsmarkt wirklich schnell vermittelt zu werden.
Raith: Müssen Sie denn aufgefangen und vermittelt werden? Wir hören jetzt doch kritische Stimmen, zum Beispiel vom FDP-Politiker Florian Toncar, der die Lage für Verkäuferinnen zum Beispiel in Süddeutschland als sehr günstig beschreibt, dass man sich einfach nur bewerben müsse, dass es ausreichend Jobs gebe.
Hoffmann: Ich denke mal, dass das wie in allen Branchen so ist, der Arbeitsmarkt ist einfach nicht mehr so offen, und ich meine, es ist ein Unterschied, ob man von der FDP-Seite sagt, Handel ist kein Problem, da geht es halt meistens um 400-Euro-Jobs. Und da muss ich auch die Politiker der FDP fragen: Wie soll ein Mensch von 400 Euro im Monat leben?
Raith: Können Sie sich denn vorstellen, dass nicht nur die FDP, sondern auch viele kleine Einzelhändler nun den Kopf schütteln und sagen: Die Großen werden abgefedert und wir müssen im Zweifeln entlassen.
Hoffmann: Die Möglichkeit besteht immer, aber es geht ja nicht nur um den Kampf von Erhaltung von Arbeitsplätzen, sondern wir kämpfen ja parallel für den gesamten Handel, dass die Nahversorgung wieder beständiger wird.
Raith: Der gesamte Handel hat davon aber im Zweifel nichts, sondern nur Schlecker, ein ja oft kritisiertes Unternehmen.
Hoffmann: Das sehe ich nicht so. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, in jedem Dorf, in jedem kleineren Stadtteil hat es einen sogenannten Tante-Emma-Laden gegeben. Die Nahversorgung auf dem Land ist so katastrophal schlecht, dass auch da die Politik gefragt ist. Wenn doch ein Einzelhändler den Mut hat, in die Nahversorgung zu gehen, warum soll er dann nicht unterstützt werden. Ich habe es schon mal gesagt, es soll auch kein Rettungsschirm für Schlecker sein, sondern der gesamte Handel muss weiterleben, auch auf den Dörfern.
Raith: Im Moment, Frau Hoffmann, hängt es ja hauptsächlich an Baden-Württemberg, das Land will prüfen, ob es die Transfergesellschaft erst einmal alleine auf den Weg bringen will. Was wünschen Sie sich von Finanzminister Nils Schmid?
Hoffmann: Ich weiß, dass Herr Doktor Nils Schmid alles dafür tut, dass diese Transfergesellschaft zum Tragen kommt, er hat es mir auch in einem Brief mitgeteilt. Ich kann versichert sein, dass das Land Baden-Württemberg nicht untätig sein wird, und ich glaube ihm, und ich verlasse mich auf ihn.
Raith: Und was, wenn nicht? Was, wenn kommende Woche nicht eine Transfergesellschaft beschlossen wird?
Hoffmann: Frau Raith, da möchte ich im Moment gar nicht dran denken.
Raith: Aber einen Alternativplan für Ihre Mitarbeiterinnen muss es doch irgendwo geben?
Hoffmann: Die Alternative ist, gleich zum Arbeitsamt zu gehen.
Raith: Christel Hoffmann, Gesamtbetriebsratsvorsitzende bei Schlecker, über die unsichere Zukunft der Schlecker-Mitarbeiterinnen und die Diskussion um eine Transfergesellschaft. Haben Sie herzlichen Dank für das Gespräch!
Hoffmann: Ich danke Ihnen, Frau Raith!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.