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Ungewöhnliche Ursachenforschung beim Waldsterben

Zwei Drittel aller Bäume in Deutschland sind krank, so weist es der Waldzustandsbericht bzw. Schadensbericht aus. In besonders schlechter Verfassung ist demnach der alpine Bergwald. Die Ursache des Waldsterbens gilt längst als sicher – Schadstoffe in der Luft verbinden sich mit dem Regenwasser und der dann säurehaltige Regen schädigt den Boden und die auf ihm wachsenden Bäume gleich mit.

von: Michael Schlag |
    Zwei Drittel aller Bäume in Deutschland sind krank, so weist es der Waldzustandsbericht bzw. Schadensbericht aus. In besonders schlechter Verfassung ist demnach der alpine Bergwald. Die Ursache des Waldsterbens gilt längst als sicher – Schadstoffe in der Luft verbinden sich mit dem Regenwasser und der dann säurehaltige Regen schädigt den Boden und die auf ihm wachsenden Bäume gleich mit.

    Münchner Forstwissenschaftler kommen in einer Untersuchung des Bergwaldes in den Bayerischen Alpen aber zu einem ganz anderen Ergebnis. Für kranke Bäume gibt es demnach viele Ursachen –Luftschadstoffe gehören nicht unbedingt dazu. Die Forscher gehen soweit, die Waldschadenserhebung generell in Frage zu stellen.

    Der Bergwald im Werdenfelser Land östlich der Zugspitze sieht krank aus. Jede zweite Fichte und Buche ist laut Waldschadenserhebung "deutlich geschädigt", ihren Kronen fehlt bis zu einem Viertel der Blatt- und Nadelmasse. Im Auftrag des Bayerischen Umweltministeriums erforschten Wissenschaftler der Technischen Universität München die Ursachen. Ergebnis: alle Unterschiede im Wachstum der Bäume ließen sich durch natürliche Umstände erklären: durch Boden, Trockenheit, pilzliche Schädlinge und Alter der Bäume, nicht aber durch Umweltschäden. Professor Karl-Eugen Rehfuess vom Lehrstuhl für Bodenkunde und Standortlehre der TU München:

    Es gibt keinen Hinweis darauf, daß Luftschadstoffe, sei es das Schwefeldioxid, sei es der Stickstoffeintrag, oder sei es das Ozon, daß diese genannten Luftschadstoffe diesen Kronenzustand erheblich beeinflussen und bestimmen. Wir halten das Muster von Kronenzuständen und Wachstumszuständen, die da vorkommen, weitgehend für natürlich bedingt.

    Den idealen, gesunden Baum gebe es in der Natur nicht, unterschiedliche Kronen seien deshalb keine Krankheit sondern natürliche Variation. Die Waldschadenserhebung, die sich am Kronenzustand orientiert, führe deshalb zu falschen Ergebnissen: Erstens seien sie regional nicht vergleichbar, zweitens könnten Fichten in einem Jahr ohne weiteres einen Teil der alten Nadeljahrgänge verlieren, ohne daß es ihnen schadet, im Jahr darauf könne derselbe Baum schon wieder anders aussehen.

    Und drittens sind diese sogenannten Nadel- oder Blattverluste völlig unspezifische Symptome, die durch eine Fülle ganz verschiedenartiger natürlicher und auch antropogener Faktoren ausgelöst werden können. Also selbst wenn man einen Kronenzustand dann anspricht und für unbefriedigend hält, hat man keine Möglichkeit zu erklären, worauf das zurückzuführen ist. Und der meistens zwangsläufig gezogene Schluss, das seien dann Auswirkungen von Luftschadstoffeinwirkungen, der ist in vielen Fällen nicht zutreffend.

    Die Waldschadensforschung habe schon immer daran gekrankt, daß sie sich frühzeitig auf Luftschadstoffe fixiert habe, dabei sei eine einheitliche Erklärung für alle Baumschäden gar nicht möglich. Das Schlagwort vom Waldsterben in Mitteleuropa, so die Ansicht von Professor Rehfuess, sei entstanden aus einer Fehleinschätzung Anfang der 80er Jahre, als zwei Dinge zusammentrafen: die Sensibilisierung der Bevölkerung für Umweltprobleme und eine plausible Theorie, daß der saure Regen den Wurzelraum der Bäume vergiftet.

    Als dann im Erzgebirge nun wirklich auf tausenden von Hektar zu Beginn der 80er Jahre Fichtenbestände abzusterben begannen, nahm man an, daß dieses Phänomen eben die Bestätigung der Theorie ist, und das was im Erzgebirge passiert nur der Beginn ist vom allgemeinen Waldsterben in Mitteleuropa. Und auf diese Weise ist eine, so kann man wirklich sagen, eine gewisse Psychose oder hysterische Stimmung entstanden, in der auch Wissenschaftler bereit waren ohne ausreichenden Nachweis eben Luftschadstoffe als die maßgeblichen Faktoren für diese zunehmende Verlichtung der Wälder anzunehmen.

    Rehfues plädiert dafür, die Waldschadenserhebung in ihrer heutigen Form abzuschaffen. Man solle schlichtweg anerkennen, daß Unterschiede im Wachstum von Bäumen – nicht anders als bei den Menschen – natürlich und normal sein könnten.

    So wie wenigen Stimmen meinen die Klimaerwärmung stände in keinem Zusammenhang mit der übermäßigen Produktion von Klimarelevanten Schadstoffen so gibt es auch Stimmen die keinen Zusammenhang sehen wollen zwischen dem Waldsterben und der Schadstoffbelastung der Luft, des Bodens, der belebten und unbelebten Umwelt. Michael Schlag stellte die umstrittene Theorie vor.