Die neuen Zahlen, mit denen Oxfam-Aktivist Nick Bryer hantiert, mögen bei den einen Achselzucken und bei den anderen Wut auslösen: Nach seinen Worten kommt alle zwei Tage irgendwo auf der Welt ein neuer Dollar-Milliardär hinzu, inzwischen seien es mehr als 2.000. Eine Näherin in Bangladesch müsse ihr ganzes Leben arbeiten, um so viel zu verdienen wie der Chef eines führenden Modekonzerns in vier Tagen. Und allein 42 Menschen besäßen zusammen so viel wie die gesamte ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Die Schere zwischen Arm und Reich öffne sich, beklagt Bryer:
"Wenn wir uns nur die jüngsten Vermögenszuwächse angucken, dann gehen 82 Prozent davon - also vier von fünf Dollar - an das reichste ein Prozent. Während der Wohlstand der unteren Hälfte der Menschheit, dreieinhalb Milliarden Menschen, gar nicht gewachsen ist."
Kritik an Datengrundlage und Interpretation
Die britische Hilfsorganisation musste in der Vergangenheit Kritik einstecken - an der Grundlage der Daten und an deren Interpretation. Bryers Vergleiche beruhen zum einen auf der Milliardärs-Liste des US-Magazins "Forbes", die teils Schätzwerte angibt; zum anderen auf dem "Globalen Wohlstandsreport" der Schweizer Bank Credit Suisse, der für viele Länder nur eine schwache Datenbasis hat.
Und nach der Oxfam-Methodik gilt etwa ein angehender Harvard-Jurist, der sich fürs Studium verschuldet, als arm – obwohl er später die Chance hat, viel Geld zu machen. Bryer verteidigt jedoch die Botschaft des neuen Berichts:
"Es ist die zuverlässigste Schätzung, die sich ermitteln lässt. Aber natürlich: Ohne einen globalen Zensus haben wir keine wirklich wissenschaftlichen Daten. Das Muster ist aber klar: Wohlstand häuft sich bei denen an der Spitze an, während die meisten Menschen auf der Welt zurückgelassen werden."
Hoffnung auf das Erwachen von Regierungschefs und Konzernlenkern
Oxfam verteufelt indes nicht die Globalisierung - sondern erkennt an, dass sich auch dank ihr der Anteil jener Menschen, die in extremer Armut leben, in den vergangenen 20 Jahren halbiert hat. Und es gibt Bryer Hoffnung, dass Regierungschefs und Konzernlenker aufgewacht sind, aufgeschreckt durch die Erfolge der Populisten; dass sie die Ungleichheiten innerhalb eines Landes und auf der Welt immerhin als Problem registrieren.
Aber auch zuletzt seien etwa Löhne und Gehälter geringer gestiegen als die Produktivität. Den wohlfeilen Worten, die auch in Davos wieder zu hören sein werden, müssten jetzt Taten folgen, fordert Bryer:
"Regierungen sollten gesetzliche Mindestlöhne einführen und kontrollieren. Sie sollten die Arbeitnehmerrechte stärken, vor allem für Frauen. Sie sollten exzessive Managergehälter und Ausschüttungen an Aktionäre begrenzen. Und sie sollten die Steuervermeidung in großem Stil von Konzernen und Superreichen bekämpfen."
Noch Lücken auf der Liste mit Steueroasen
Die auch von der ARD veröffentlichten "Paradise Papers" haben gezeigt, mit welchen Tricks Firmen und vermögende Prominente ihre Einnahmen in Steuerparadiese verschieben. Die Steuersenkungen von Präsident Donald Trump für Unternehmen kritisiert Bryer - auch wenn er es einen "Schritt in die richtige Richtung" nennt, dass Apple nun seine Milliardenreserven aus dem Ausland in die USA transferiert und dort versteuert.
"Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn ein Unternehmen wie Apple ein bisschen mehr bezahlt. Aber sie haben noch viel zu tun, bevor wir sie als Steuer-Champions beklatschen."
Als vorbildlichen Steuerzahler aber solle man den Tech-Giganten deshalb nicht gleich feiern, meint der Oxfam-Vertreter. Dass die EU kürzlich eine Schwarze Liste mit Steueroasen veröffentlicht hat, findet Bryer gut - sie hätte aber aus seiner Sicht etwa auch Irland und Luxemburg sowie die City of London enthalten sollen.