Es ist nicht ganz unwichtig zu wissen, dass Gregory Crewdson Sohn eines Psychoanalytikers ist. Das dunkle, stets im Dämmerlicht liegende Amerika, das er fotografisch inszeniert, scheint immer nur Kulisse einer lakonisch abgedämpften Seelenpein zu sein, eine Reise ins Land der Depression. Und der Paranoia: Etwas wird uns bedrohen, überfallen, wir wissen noch nicht genau, was - ist es ein äußerer Feind? Unsere eigene Unfähigkeit? Unsere Versäumnisse? Das ungelebte Leben?
Wer so fragt, der bewegt sich natürlich schon mitten im Kosmos von Hitchcock oder David Lynch, und in der Tat hat der jetzt 48-jährige Gregory Crewdson mehr von einem Filmregisseur als alle anderen Fotografen seiner Generation. Und doch hat er sich für das Standfoto entschieden, den einzigen, gefrorenen, wahren Augenblick, wo alles perfekt ist und zur Ruhe kommt. Alte Männer sitzen im Bademantel im Wohnzimmer, abgelebte Frauen mit schlaffer Haut stehen im Bad und bluten, eine Frau mit Baby wartet in kompletter Einsamkeit in einem Blockhaus, eine Schwangere steht in gischtigem Regen am Zebrastreifen...Es ist die Verlorenheit der amerikanischen Provinz, die uns hier sehr leise entgegenschreit, und Gregory Crewdson ist ihr Dirigent.
Auf seinen Vorzeichnungen und Produktionsaufnahmen sieht man, wie minutiös das alles vorbereitet und arrangiert ist. Crewdson sagt, er habe noch nie ein Bild im New Yorker Stadtteil Brooklyn gemacht, wo er lebt - er müsse zum Arbeiten weggehen, aufs Land, nach Massachusetts, und dort selber zum Fremden werden:
"Es ist ganz interessant, dass ich nie von dem Ort inspiriert werde, an dem ich lebe. Ich muss woanders hingehen, um meine Bilder zu machen. Man muss eine Art Außerirdischer sein, getrennt von der Welt. Das ist wichtig."
Aber es gibt nicht nur Crewdson in dieser großartigen Ausstellung, es gibt auch - und vor allem - die lebensechten Skulpturen des 1996 gestorbenen Duane Hanson: Monumente des Banalen, Platzhalter der Langeweile, Präzedenzfälle der amerikanischen Unter- und Mittelschicht. Das Museum Frieder Burda spannt die beiden Künstler unter dem Signum der "Unheimlichen" zusammen. Was die düsteren fotografischen Gemälde von Crewdson anbetrifft, ist das völlig richtig: Die im Niemandsland stehenden amerikanischen Häuser im Kolonialstil sind im Wortsinne un-heimlich; in schreckstarrer Einsamkeit stehen Menschen in einer Landschaft, die nicht ihr zu Hause ist. Das Gefühl, dass Verdrängtes oder Überwundenes einen hinterrücks überfällt, wie bei Edgar Allan Poe, dass die Welt ein unwirtlicher Ort ist: Das ist in diesen Bildern immer da.
Bei Hanson stellt sich dieses Erlebnis des Un-Heimlichen erst auf den zweiten Blick ein. Seine auf groteske Weise übergewichtigen Touristen, Hausfrauen oder Arbeiter sind zunächst nur banal, bedauernswerte Opfer einer Wohlstandskultur, die ihre Mitglieder um Individualität und Intellektualität betrügt. Allerdings sind sie eben auch böse Zerrbilder unserer selbst...Wenn man die Trompe-l'oeil-Phase, die Augentäuschung kurz überwindet, dann sieht man, wie diese Figuren gemacht sind, wie ihre verschrumpelte Haut angepinselt, wie genau die Kleidung gewählt und der Körperausdruck studiert wurde. Schon die Kinder sind bei Duane Hanson melancholisch - wenn sie, eine der fiesesten Arbeiten, nicht gleich als Neugeborene auf dem Müll landen. Und die erwachsenen Monster sitzen alle mit dieser schlaffen Körperhaltung da, die typisch ist für jene, die schon aufgegeben haben.
Götz Adriani, der ja eine Schwäche hat für das Wiederholen und Durcharbeiten, hat diese Hanson-Skulpturen vor 20 Jahren schon einmal ausgestellt, in der Kunsthalle Tübingen. Damals waren sie monumentale, hyperrealistische Schreckgespenster des falschen Lebens, des Konsumismus. Heute, nach dem 11.September 2001, sieht man auch die Angst in ihren Augen: eine bedrohte Weltmacht aus Underdogs.
Hanson und Crewdson zusammenzubringen, ist, trotz der gemeinsam veranstalteten Destruktion des amerikanischen Traums, formal schwierig. In Baden-Baden gelingt das, weil die Hanson-Figuren aus der Position des begaffbaren Zombies herausgerückt und ganz beiläufig inszeniert werden - da sitzt oder lehnt neben den traurigen Crewdson-Fotos ein Alltagsmensch, und man weiß nicht, ist das ein vom Leben gebeutelter Ausstellungsbesucher oder nicht doch eine (unheimliche) Kunstpuppe. Oder eben: wir selbst.
Wer so fragt, der bewegt sich natürlich schon mitten im Kosmos von Hitchcock oder David Lynch, und in der Tat hat der jetzt 48-jährige Gregory Crewdson mehr von einem Filmregisseur als alle anderen Fotografen seiner Generation. Und doch hat er sich für das Standfoto entschieden, den einzigen, gefrorenen, wahren Augenblick, wo alles perfekt ist und zur Ruhe kommt. Alte Männer sitzen im Bademantel im Wohnzimmer, abgelebte Frauen mit schlaffer Haut stehen im Bad und bluten, eine Frau mit Baby wartet in kompletter Einsamkeit in einem Blockhaus, eine Schwangere steht in gischtigem Regen am Zebrastreifen...Es ist die Verlorenheit der amerikanischen Provinz, die uns hier sehr leise entgegenschreit, und Gregory Crewdson ist ihr Dirigent.
Auf seinen Vorzeichnungen und Produktionsaufnahmen sieht man, wie minutiös das alles vorbereitet und arrangiert ist. Crewdson sagt, er habe noch nie ein Bild im New Yorker Stadtteil Brooklyn gemacht, wo er lebt - er müsse zum Arbeiten weggehen, aufs Land, nach Massachusetts, und dort selber zum Fremden werden:
"Es ist ganz interessant, dass ich nie von dem Ort inspiriert werde, an dem ich lebe. Ich muss woanders hingehen, um meine Bilder zu machen. Man muss eine Art Außerirdischer sein, getrennt von der Welt. Das ist wichtig."
Aber es gibt nicht nur Crewdson in dieser großartigen Ausstellung, es gibt auch - und vor allem - die lebensechten Skulpturen des 1996 gestorbenen Duane Hanson: Monumente des Banalen, Platzhalter der Langeweile, Präzedenzfälle der amerikanischen Unter- und Mittelschicht. Das Museum Frieder Burda spannt die beiden Künstler unter dem Signum der "Unheimlichen" zusammen. Was die düsteren fotografischen Gemälde von Crewdson anbetrifft, ist das völlig richtig: Die im Niemandsland stehenden amerikanischen Häuser im Kolonialstil sind im Wortsinne un-heimlich; in schreckstarrer Einsamkeit stehen Menschen in einer Landschaft, die nicht ihr zu Hause ist. Das Gefühl, dass Verdrängtes oder Überwundenes einen hinterrücks überfällt, wie bei Edgar Allan Poe, dass die Welt ein unwirtlicher Ort ist: Das ist in diesen Bildern immer da.
Bei Hanson stellt sich dieses Erlebnis des Un-Heimlichen erst auf den zweiten Blick ein. Seine auf groteske Weise übergewichtigen Touristen, Hausfrauen oder Arbeiter sind zunächst nur banal, bedauernswerte Opfer einer Wohlstandskultur, die ihre Mitglieder um Individualität und Intellektualität betrügt. Allerdings sind sie eben auch böse Zerrbilder unserer selbst...Wenn man die Trompe-l'oeil-Phase, die Augentäuschung kurz überwindet, dann sieht man, wie diese Figuren gemacht sind, wie ihre verschrumpelte Haut angepinselt, wie genau die Kleidung gewählt und der Körperausdruck studiert wurde. Schon die Kinder sind bei Duane Hanson melancholisch - wenn sie, eine der fiesesten Arbeiten, nicht gleich als Neugeborene auf dem Müll landen. Und die erwachsenen Monster sitzen alle mit dieser schlaffen Körperhaltung da, die typisch ist für jene, die schon aufgegeben haben.
Götz Adriani, der ja eine Schwäche hat für das Wiederholen und Durcharbeiten, hat diese Hanson-Skulpturen vor 20 Jahren schon einmal ausgestellt, in der Kunsthalle Tübingen. Damals waren sie monumentale, hyperrealistische Schreckgespenster des falschen Lebens, des Konsumismus. Heute, nach dem 11.September 2001, sieht man auch die Angst in ihren Augen: eine bedrohte Weltmacht aus Underdogs.
Hanson und Crewdson zusammenzubringen, ist, trotz der gemeinsam veranstalteten Destruktion des amerikanischen Traums, formal schwierig. In Baden-Baden gelingt das, weil die Hanson-Figuren aus der Position des begaffbaren Zombies herausgerückt und ganz beiläufig inszeniert werden - da sitzt oder lehnt neben den traurigen Crewdson-Fotos ein Alltagsmensch, und man weiß nicht, ist das ein vom Leben gebeutelter Ausstellungsbesucher oder nicht doch eine (unheimliche) Kunstpuppe. Oder eben: wir selbst.