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Uniklinik Kiel
Kampf gegen den Keim

Nach dem Keimausbruch in ihren Intensivstationen muss die Uniklinik Kiel sich weiterhin Kritik gefallen lassen. Ein gegen alle Antibiotika resistenter Erreger hatte sich ausgebreitet und das Krankenhaus mit schlechten Hygienebedingungen in Verbindung gebracht. Das Klinikum weist das zurück.

Von Dietrich Mohaupt |
    Fassade des Universitätsklinikums in Kiel mit den Buchstaben UKSH, rechts im Bild ein Bauarbeiter auf einem Kran.
    Das Universitätsklinikum steht seit einem Keimausbruch in der Kritik. (imago/stock&people/nordpool)
    Die Anspannung ist dem Chef der Kieler Uniklinik, Jens Scholz, deutlich anzumerken - seit Tagen steht sein Krisenmanagement im Fokus der Öffentlichkeit, muss er sich gegen zunehmende Kritik an seinem Umgang mit dem Keimausbruch verteidigen.
    "Es ist ein schicksalhafter Verlauf" und damit meint er die Ereignisse seit dem 11. Dezember vergangenen Jahres, die zu der heute so prekären Situation am Kieler Uniklinikum geführt haben. Ausgangspunkt war offenbar ein 74-jähriger Patient, der aus einer Klinik in der Türkei nach Kiel verlegt worden war. Er sei mit einem breit angelegten Screening auf Erreger untersucht worden - auf das Ergebnis habe man aber ein paar Tage warten müssen. Da es sich um einen Notfall handelte, wurde der Mann trotzdem aufgenommen - auf einem Dreibettzimmer der Intensivstation.
    "Das war das einzige freie Intensivbett nach der medizinischen Behandlung, und deswegen haben wir den Patienten in der Abwägung natürlich dann in dieses Bett getan. Wir würden im Nachhinein wieder genauso vorgehen, weil natürlich das Leben des Patienten in dem Augenblick im Vordergrund steht."
    Der überaus hartnäckige Erreger Acinetobacter baumannii wurde erst am 23. Dezember bei dem Patienten nachgewiesen, in der Zwischenzeit hatte er sich in zwei Stationen des Klinikums ausgebreitet. Eine Entwicklung, die aus Sicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nicht ganz so "schicksalhaft" und überraschend gekommen sei, wie die Klinikleitung es darstelle. Es habe in den vergangenen Jahren immer wieder konkrete Hinweise auf Überlastung des Personals und damit verbundene Hygieneprobleme gegeben, betont Verdi-Sprecher Frank Schischefsky.
    "Es liegen aus den Jahren 2013 und 2014 insgesamt jeweils 1.800 Gefährdungsanzeigen von Beschäftigten des UKSHs vor - der Pesonalabbau der letzten Jahre und das, was jetzt noch alles ansteht - das ist doch klar, dass da irgendwas im Argen liegt. Nichtsdestotrotz macht uns das total traurig und es ist auch schwierig, in diesem Zusammenhang jetzt mit Forderungen nach mehr Personal zu kommen - aber daran krankt es halt im UKSH."
    "Soweit ich das beurteilen kann, ist alles richtig gemacht worden"
    Kritik kommt auch vom Berufsverband Deutscher Hygieniker: Ob Schlamperei oder Unwissenheit - auf jeden Fall sei ein derartiger Keimausbruch immer ein Zeichen für Hygienefehler, oft spiele dabei Personalmangel eine entscheidende Rolle, so der Verbandsvorsitzende Klaus-Dieter Zastrow. Das will Klinikchef Jens Scholz so nicht einfach hinnehmen: Beim Personalschlüssel liege das Klinikum über dem Bundesreferenzwert, Hinweise auf Hygienefehler oder Defizite in diesem Bereich lägen nicht vor. Trotzdem konnte der gegen so ziemlich alle Antibiotika resistente Keim sich in der Klinik ausbreiten, ihn jetzt wieder loszuwerden ist extrem schwierig. Hygieneexperten vom Uni-Klinikum Frankfurt sollen dabei helfen - sie haben sich gestern in Kiel ein Bild über die Zustände im UKSH gemacht. Offensichtliche Fehler bei den Hygiene- und Isolationsmaßnamen habe man dabei nicht entdeckt, betont Christian Brand, Leiter der Krankenhaushygiene am Frankfurter Klinikum:
    "Soweit ich das beurteilen kann, ist das alles richtig gemacht worden, so wie man das in Deutschland heutzutage eben macht und wie man das machen kann."
    Zwei Intensivstationen im Kieler Klinikum bleiben also vorerst weiterhin für Neuaufnahmen geschlossen, gleichzeitig wird auf Rat der Experten das sogenannte Abstrich-Regime verschärft. Man werde künftig Kontaktpersonen, also Patienten der betroffenen Intensivstationen, die mit keimbelasteten Personen zum Beispiel in einem Raum lagen, vor der Entlassung intensiver testen als bisher, erläutert Klinikchef Jens Scholz:
    "Da stellen wir es um jetzt, statt zwei drei Screening-Untersuchungen. Wir setzen auch um, dass die Patienten, die wir einmal positiv getestet haben, falls sie einen zukünftigen Krankenhausaufenthalt haben, wir sie auch als positiv behandeln - auch wenn wir den Keim selber nicht nachweisen können."
    Auch anderen Krankenhäusern werde man künftig solche Patienten als "positiv" melden - denn trotz aller Gegenmaßnahmen ließen sich erfahrungsgemäß vor allem aus dem Dickdarm des Menschen nicht alle Erreger herausbekommen, so Scholz weiter. Diese Menschen seien aber gesund und ohne Beschwerden. Wie lange es dauern wird, bis die betroffenen Intensivstationen nach gründlicher Reinigung und Desinfektion wieder in Betrieb gehen können, ist bisher nicht absehbar.