
Der CDU-Vorsitzende Merz erklärte zum Abschluss der Sondierungsgespräche in Berlin, man habe bei einer Reihe von Sachfragen Einigkeit erzielt und ein gemeinsames Papier erarbeitet. Es stelle die Grundlage für Koalitionsverhandlungen dar, die gegebenenfalls nächste Woche beginnen könnten. In dem Papier werden die wichtigsten Streitthemen zwischen Union und SPD geklärt.
Zurückweisung von Asylsuchenden an den Grenzen
Vorgesehen ist unter anderem, dass Asylsuchende an den Grenzen abgewiesen werden können - allerdings in Abstimmung mit den europäischen Nachbarländern. Zudem sollen die Grenzkontrollen massiv ausgeweitet werden. Der Familennachzug für Flüchtlinge mit subsidärem Schutz wird ausgesetzt. Davon betroffen sind Menschen, die kein Asyl erhalten haben, aber aus anderen Gründen vorerst in Deutschland bleiben dürfen. Das von der Ampel-Koalition reformierte Staatsangehörigkeitsrecht soll weiter Bestand haben.
Der voraussichtlich künftige Kanzler Merz kündigte zudem an, man werde mit einer Reihe von Maßnahmen den Industriestandort Deutschland stärken. So sei eine eine Reform der Unternehmenssteuern vereinbart worden. CSU-Chef Söder erklärte, das Bürgergeld solle grundlegend reformiert werden. Es soll demnach wie von der Union verlangt zu einer neuen Grundsicherung werden. Leistungsbeziehern, die jegliche Arbeitsaufnahme verweigern, sollen künftig alle Leistungen vollständig entzogen werden können.
SPD setzt höheren Mindestlohn durch
SPD-Co-Parteichef Klingbeil betonte, Union und SPD wollten für diejenigen in Deutschland kämpfen, die sich jeden Tag anstrengten. Der Mindestlohn werde auf 15 Euro erhöht. Um private Haushalte und Unternehmen zu entlasten, werde die Stromsteuer gesenkt, und zwar um mindestens fünf Cent pro Kilowattstunde.
Seine Kollegin, SPD-Co-Chefin Esken, erklärte, man habe sich mit der Union auch auf die Verlängerung der Mietpreisbremse verständigt habe. Zudem werde die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie dauerhaft auf sieben Prozent reduziert.
Vereinbart wurde auch eine Reform der Einkommensteuer. Die "breite Mittelschicht" solle entlastet werden, heißt es in dem Sondierungspapier. Außerdem solle die Pendlerpauschale erhöht werden.
Neues "Sondervermögen" für Infrastruktur
Für die offizielle Aufnahme von Koalitionsverhandlungen müssen die Parteigremien von CDU, CSU und SPD noch zustimmen.
Bereits vergangene Woche hatten sich Union und SPD auf ein umfassendes Finanzpaket verständigt. Es sieht Ausnahmen von der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben vor, ebenso wie ein neues Sondervermögen im Umfang von 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur. Beschließen wollen sie dies noch im alten Bundestag, weil dafür eine Grundgesetzänderung und damit eine Zweidrittelmehrheit nötig ist.
Grüne: "Von einer Zustimmung sind wir heute weiter entfernt als in den letzten Tagen"
Die Grünen kritisierten die Sondierungsergebnisse von Union und SPD und stellten ihre Zustimmung zu dem geplanten Milliarden-Schuldenpaket infrage. Parteichefin Brantner sagte in Berlin, anstatt dringend notwendige Reformen anzugehen, planten Union und SPD offenbar, teure Wahlversprechen mit neuen Schulden zu finanzieren. Auch spiele der Klimaschutz in dem Sondierungspapier so gut wie keine Rolle. Brantner fügte hinzu, ihre Partei könne der von Union und SPD geplanten Reform der Schuldenbremse unter diesen Umständen im Bundestag nicht zustimmen.
Kritik auch von AfD, Linken und FDP
Die AfD warf CDU-Chef Merz Wählertäuschung vor. Die Fraktionsvorsitzenden Weidel und Chrupalla erklärten, das Sondierungspapier enthalte in der Migrationspolitik lediglich vage Versprechungen. Zudem habe Merz vor dem Verschuldungswahn der SPD kapituliert.
Die Linke sieht in den Vereinbarungen von Union und SPD eine Politik gegen die Interessen der meisten Bürger, wie die Fraktionsvorsitzenden Reichinnek und Pellmann betonten. Zentrale Themen wie Wohnungsbau, Gesundheit, Stärkung von Familien, gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West oder bezahlbare Lebensmittel würden nebenbei verhandelt oder nicht einmal erwähnt. Es scheine, als hätten Union und SPD ihre Energie vor allem darauf verwendet, das Asylrecht bis zur Unkenntlichkeit zu schleifen, hieß es weiter. Ergänzt werde diese "überaus problematische Prioritätensetzung mit einem Blankoscheck für Aufrüstung und einem Sondervermögen, dessen Inhalt niemand kennt".
FDP-Fraktionschef Dürr sagte, Unternehmen und Bürger, die auf echte Entlastungen gehofft hätten, würden enttäuscht. Die Pläne von Union und SPD seien das Gegenteil von einer Wirtschaftswende.
Korrespondentenbericht: Union und SPD wollen Koalitionsverhandlungen aufnehmen (Audio)
Interview mit Uwe Jun, Politologe an der Uni Trier (Audio)
Diese Nachricht wurde am 08.03.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.