Am Donnerstag treffen sich die Ministerpräsidenten, um über die Neuordnung der Staatsfinanzen zu sprechen. Zuvor hatten sich SPD- und Grün-regierte Länder dafür ausgesprochen, den Soli ab 2020 in die reguläre Einkommensteuer einzugliedern. Unions-regierte Länder wie Sachsen und Bayern stellen sich quer.
Für Armin Laschet, CDU-Landeschef NRW, ist eines klar: Steuererhöhungen seien nicht nötig. Diese Kernaussage vor der Bundestagswahl dürfe nicht gebrochen werden. Sehr wohl notwendig seien aber Infrastrukturmaßnahmen - besonders in den westlichen Bundesländern. Deshalb solle der Solidaritätszuschlag fortgesetzt werden, allerdings mit einer klaren Zweckbindung.
"Nach 25 Jahren Soli haben wir im Westen eine großen Nachholbedarf", sagte Laschet. Um zu verhindern, dass die Abgabe im allgemeinen Haushalt versickere, solle sie für eine bestimmte Zeit gelten und an bestimmte Bereiche gebunden sein. Neben dringend anstehenden Infrastrukturmaßnahmen gehöre auch der Breitbandausbau dazu.
Das vollständige Interview:
Dirk Müller: 15 Milliarden Euro im Jahr bringt er, der Solidaritätszuschlag, eine unbefristete Steuer, die in die Kassen des Bundesfinanzministers fließt. Wofür der Soli ausgegeben wird, ist völlig beliebig, denn der Zuschlag ist eben nicht an einen bestimmten Zweck gebunden, auch wenn er vor 23 Jahren initiiert wurde, um die deutsche Einheit mit zu finanzieren. Die rot-grünen Landesregierungen gehen nun in die politische Offensive. Sie fordern, dass der Soli in ein paar Jahren auch für die alten Bundesländer eingesetzt werden soll, als ganz normaler Bestandteil beispielsweise der Einkommenssteuer. Widerstand gegen diese Pläne kommt aus Sachsen, aus Bayern und aus der Unions-Fraktion im Bundestag. Argument: Mit uns gibt es keine Steuererhöhungen. - Am Telefon ist nun der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet, zugleich Partei- und Fraktionschef in Nordrhein-Westfalen. Guten Morgen!
Armin Laschet: Guten Morgen.
Müller: Machen Sie Steuererhöhungen mit?
Laschet: Nein. Das ist anders verabredet, das ist das falsche Signal, das war eine der Kernaussagen vor der Bundestagswahl, wir wollen keine Steuererhöhungen, und angesichts der Einnahmen des Bundes derzeit sind Steuererhöhungen auch nicht nötig. Aber es sind Investitionen in Infrastruktur nötig, insbesondere im Westen, und dazu sollte der Solidaritätszuschlag fortgeführt werden, aber eigens und mit klaren Prioritäten und mit klarer Zweckbindung.
Müller: Es gibt ja ein bisschen, Herr Laschet, Dissens darüber, ob man das einfach als Steuererhöhung bezeichnen kann, während die Steuer ja schon seit über zwei Jahrzehnten läuft und immer weiter läuft. Worin besteht der Unterschied?
Laschet: Es war eine befristete Abgabe und ich finde, dabei sollte es auch bleiben. Es ist nur jetzt erforderlich, nachdem nach 25 Jahren deutsche Einheit die Infrastruktur in vielen ostdeutschen Ländern wesentlich verbessert worden ist, wir aber jetzt im Westen einen großen Nachholbedarf feststellen. Wenn Sie in Leverkusen nicht mehr über den Rhein fahren können, dann ist das einem Industrieland unangemessen. Da sind große Investitionen jetzt erforderlich und für diese Aufgabe, für Infrastruktur, auch für Breitbandkabel-Ausbau, um in die digitalisierte Wirtschaft einsteigen zu können, brauchen wir diesen Zuschlag, aber nicht einfach als Steuererhöhung.
Müller: Aber das soll aus dem Topf des Soli-Zuschlags dann kommen? Da habe ich Sie schon richtig verstanden?
Laschet: Ja, das soll daraus kommen. Aber das Problem ist: Wenn Sie das einfach mit der Steuer verbinden, wie das die rot-grünen Ländern vorgeschlagen haben, versickert das im allgemeinen Haushalt.
Müller: Tut es doch jetzt auch schon!
"Jetzt Prioritäten setzen"
Laschet: Ja, das ist auch keine optimale Lösung. Es war am Anfang so, dass es ganz eng mit dem Solidarpakt II, also dem Pakt, der für die neuen Länder gedacht war, verbunden war. Und wenn man das Ganze neu auflegt und die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu ordnet, dann, finde ich, hat man die Chance, jetzt Prioritäten zu setzen und das Geld nicht einfach versickern zu lassen.
Müller: Ich muss da jetzt noch mal nachfragen, Herr Laschet, zur Klärung. Sie sagen, Solidaritätszuschlag, das ist in Ordnung, künftig eben auch für den Westen einzusetzen, und die Unions-Kollegen aus Sachsen und Bayern sagen, wenn das inkorporiert wird beispielsweise in die Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer, das was Rot-Grün vorgeschlagen hat, dann ist das finanziell genau das Gleiche, dann ist das die gleiche Belastung, wir nennen das aber dann Steuererhöhung. Da blicke ich jetzt nicht ganz durch.
Laschet: Ja, so werden es auch die Bürger empfinden, weil damit steigt ja die Einkommens- und Körperschaftssteuer. Es ist gar nicht erkennbar, wofür wird das Geld eigentlich verwendet. Und ich finde, wenn man so etwas macht, dann muss man auch klar erkennbar und damit auch begrenzt signalisieren, wir brauchen für eine bestimmte Zeit, für einen bestimmten Zweck jetzt diese Ausgabe, und das ist eher mit einem weiteren Solidaritätszuschlag möglich.
Müller: Das sind 5,5 Prozent auf die Einkommenssteuer, Lohn- und Kapitalertragssteuer, Körperschaftssteuer. Ist das keine Steuer?
Laschet: Na gut, das ist jetzt ein finanztechnischer Streit, den wir da führen: War das eine Steuer oder war das keine Steuer?
Müller: Weil Sie sagen Zuschlag. Kann man auch sagen, ist schon eine Steuer, also gibt es auch keine Steuererhöhung.
Sorge um versandendes Geld
Laschet: Ja, aber meine Sorge ist einfach - das ist meine größere Sorge, egal wie Sie das jetzt nennen -, das Geld versandet wieder. Wir haben das in Nordrhein-Westfalen gerade erlebt. Der Bund hat beschlossen, die BAFÖG-Kosten zu übernehmen. Damit sollte das Geld in Schule und Hochschule gesteckt werden. Und in den Ländern versickert es dann im normalen Haushalt. Man kann gar keine konkreten Projekte daraus finanzieren, und das darf jetzt nicht passieren. Wir brauchen im Westen insbesondere große Infrastrukturausgaben, und ich würde mir wünschen, dass, wenn man das jetzt finanztechnisch neu ordnet, es exakt auch diesem Zweck zugutekommt.
Müller: Sie haben in einer vorherigen Antwort auch gesagt, Herr Laschet, dass das im Moment auch nicht optimal geregelt ist, weil sie eben nicht zweckgebunden ist, diese Einnahme, sie nicht zweckgebunden sind, dieser Zuschlag. Das heißt, der Bundesfinanzminister kann damit machen, was er will?
Laschet: Derzeit fließt das in den Bundeshaushalt, und wenn wir jetzt neu ordnen, finde ich, muss wie vor 25 Jahren oder vor 20 Jahren, als er eingeführt wurde, eine klare Zweckbestimmung die Aufgabe sein.
Müller: Es könnte also sein, dass das Geld aus dem Solidaritätszuschlag seit Jahren beispielsweise nach Afghanistan fließt aus Solidarität?
Laschet: Na gut, in viele Regionen fließt das. Das können Sie ja beim Bundeshaushalt nicht genau erkennen, wohin es fließt. Es ist letztlich auch ein Streit zwischen Bund und Ländern, wer bekommt welchen Anteil an diesem Topf. Da sind noch viele andere Fragen, Entflechtungsmittel, Nahverkehrsmittel, sehr viele komplizierte Fragen mit verbunden. Manche sagen auch, die kalte Progression muss jetzt zu diesem Zeitpunkt 2019/2020 abgeschafft werden. Alles das kann man ordnen und im Ergebnis kann man sagen, wir haben sehr strukturschwache Länder wie Bremen und das Saarland beispielsweise, die sicher Hilfe brauchen. Wir haben die neuen Länder, die auch weiterhin aus dieser Abgabe Unterstützung brauchen. Wir haben im Länderfinanzausgleich die reicheren Länder, die im Moment Geberländer sind wie Bayern und Baden-Württemberg und Hessen. Die sagen, wir wollen unsere Lasten reduzieren, und Länder wie Nordrhein-Westfalen sagen, wir haben große Infrastrukturaufgaben, und da muss man ein gutes Ergebnis finden.
Müller: Aber Sie finden das nach wie vor in Ordnung, dass diejenigen, die Leistung bringen, diejenigen bezahlen, die keine Leistung bringen?
Laschet: Ich finde einen Solidarausgleich zwischen den Ländern richtig. Ich verstehe aber Bayern und Baden-Württemberg, dass man das nicht unbegrenzt und nicht in dieser großen Höhe machen will, und insofern gehört auch das mit in die Verhandlungen.
Müller: Aber Sie wollen mehr Geld für Nordrhein-Westfalen?
Laschet: Das ist wahr.
Müller: Und wer bezahlt das dann?
Problem für ganz Deutschland
Laschet: Meine Einschätzung ist ja, wenn Sie sagen, wir brauchen eine klare Projektbestimmung, dann kann man sagen, wo sind die Straßen, die Brücken im Moment besonders marode. Die Ruhr-Industrie hat das in den letzten Tagen sehr markant formuliert, hat auch gesagt, es wird zum Problem für den Wirtschaftsstandort und damit für ganz Deutschland, wenn unsere Infrastruktur so marode ist.
Müller: Aber in Bayern wird das offenbar früher erkannt, wenn es Infrastrukturprobleme gibt?
Laschet: Nein, in Bayern wird das nicht früher erkannt, weil so viel Infrastruktur vor 50, 60 Jahren in Bayern gar nicht gebaut worden ist. Ich habe eben die Leverkusener Rheinbrücke erwähnt. In Duisburg ist eine zweite ähnlicher Bauart. Wenn die auch in diesen Zustand gerät, wird wirklich das Herz unseres Industrielandes getroffen, weil die Güter, die wir produzieren, nur noch unter riesen Umwegen dann in die Welt exportiert werden können, und das muss geändert werden und deshalb ist da der Bedarf besonders groß.
Müller: Die Zahlen gehen ein bisschen auseinander, Herr Laschet. Ich habe zu Beginn von 15 Milliarden Euro gesprochen; es gibt Angaben von 13, 14 Milliarden. Das mag ja auch immer ein bisschen variieren. Wenn Sie von diesen großen Projekten sprechen - wir haben ja speziell über NRW auch gesprochen -, dann ist das doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Laschet: Vieles ist ein Tropfen auf den heißen Stein, aber 13, 15 Milliarden pro Jahr ist schon eine Summe, die relevant ist für die Haushalte.
Müller: Bundesweit?
Laschet: Ja! Dennoch ist es eine große Summe Geld, und um die wird jetzt gerungen. Dass der gesamte Bundeshaushalt ebenfalls diese Prioritäten setzen muss, dass die Große Koalition beispielsweise beschlossen hat, allein fünf Milliarden für Infrastruktur-Projekte zusätzlich bis 2017 zu geben, das ist ja da noch gar nicht eingerechnet.
Müller: Jetzt müssen Sie mir noch eine Frage gestatten. Jetzt haben ich immer gedacht, wie viele andere wohl auch, nach 25 Jahren - wir reden jetzt von 23 Jahren Soli-Zuschlag -, nach 25 Jahren oder 27 Jahren ist endlich Schluss, und jetzt macht der Bund, jetzt wollen Sie auch damit weitermachen.
Laschet: Mein Gefühl ist, dass wir im Moment mit dem Ziel, die Steuern nicht zu erhöhen, uns eine hohe Messlatte schon gelegt haben. Ich glaube aber auch nicht, dass zurzeit eine Zeit ist, wo man Steuern senken kann. Wir reden darüber, ob die Bundeswehr modernisiert werden muss, wir reden darüber, dass viele Flüchtlinge derzeit kommen, und deshalb finde ich, eine Steuersenkung jetzt zu beschließen, passt nicht in die Zeit. Aber Infrastruktur als Schwerpunkt zu definieren, ist dringend erforderlich.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk der stellvertretende CDU-Vorsitzende Armin Laschet. Danke für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.