Es gibt auch in der Politik so etwas wie wunderbare Freundschaften, oder jedenfalls wundersame Beziehungen, die man so nicht für möglich gehalten hätte. Die von Angela Merkel und Volker Kauder ist so eine Beziehung. Gut 17 Jahre dauert sie nun. Hier fing sie an.
Kauder - vom Feind zum Vertrauten
Im Sommer 2001 macht Angela Merkel, gerade einmal ein Jahr lang CDU Vorsitzende, eine Deutschlandtour. Betriebsbesichtigungen, Besuche an der Parteibasis. Bei Rottweil im südlichen Baden-Württemberg hat sie das innerparteiliche Feindesland erreicht. Es ist der Wahlkreis von Volker Kauder, damals Generalsekretär der Baden-Württembergischen CDU.
"In Baden Württemberg hat die Frau Merkel Sympathie, aber da hat natürlich auch der Edmund Stoiber aus großer Tradition der Zusammenarbeit Südländer auch große Sympathie".
Sätze wie dieser sind damals eine leicht zu entschlüsselnde Botschaft: Mit Merkel lassen sich keine Wahlen gewinnen, nächster Kanzlerkandidat soll Edmund Stoiber werden, Merkel wird eine Übergangsfigur in der CDU bleiben, so denken damals viele. Auch Kauder dürfte so gedacht haben.
Zwölf Jahre später rockt Volker Kauder im Siegesrausch nach der Bundestagswahl 2013 die Parteizentraler der CDU. Kauder ist längst einer der Getreuesten auf dem Karriereweg Angela Merkels. Nachdem Edmund Stoiber die Bundestagswahl 2002 knapp verloren hatte und Angela Merkel den Fraktionsvorsitz der Union übernahm, war die wichtigste Personalentscheidung die Besetzung des Postens des Parlamentarischen Geschäftsführers. Er würde ihr den Rücken freihalten und die Fraktion organisieren müssen. Merkel entschied sich für Volker Kauder, den Stoiber-Sympathisanten aus dem südlichen Feindesland.
Anders, als mach andere Personalentscheidung Merkels erwies sich diese als Glücksgriff. Als sie Kanzlerin wurde, folgte Kauder ihr in den Fraktionsvorsitz nach - hielt ihr den Rücken frei, organisierte die Fraktion. Bei der Feier zu Angela Merkels 60. Geburtstag drückte Kauder das eigene Staunen über die Entwicklung seiner Partei aus.
"Wer hätte gedacht, dass die männerdominierte CDU so etwas hervorbringt, meine Damen und Herren."
Brinkhaus will "frischen Wind" in die Fraktion bringen
So lange wie Merkel Kanzlerin ist, führt Kauder nun die Fraktion. Manchmal mit burschikosem Stil. Es heißt, es habe auch menschliche Verwundungen gegeben. Das wird als eine der Erklärungen dafür angeführt, dass Kauder bei der turnusmäßigen Neuwahl des Fraktionsvorstandes heute einen Gegenkandidaten hat.
"Ja, das ist in der Tat ein ungewöhnlicher Vorgang, das hat es in der Geschichte der CDU/CSU-Fraktion noch nicht gegeben. Aber wir haben auch ungewöhnliche Zeiten."
Sagt Ralph Brinkhaus, bisher einer der Stellvertreter Kauders, Experte der Unionsfraktion für Haushalts- und Finanzpolitik. Ende August warf er mit einer kurzen Kampfansage in einer Fraktionssitzung seinen Hut gegen Kauder in den Ring.
"Ich möchte frischen Wind in die Fraktion, in die Fraktionsarbeit hineinbringen."
Der 50-jährige Steuerberater ist seit 2009 Abgeordneter für den Wahlkreis Gütersloh. Er gehört nicht zu den bekannten Kritikern des Merkel-Kurses in Partei und Fraktion, stimmte zum Beispiel in seinem Fachbereich für die auch fraktionsintern umstrittene Griechenland-Rettungspolitik.
Befreiung aus den Koalitionszwängen
Gerade aber weil Brinkhaus als moderater und fachlich kompetenter Politiker gilt, könnte er für diejenigen eine Alternative zu Kauder sein, die sich nach einer Befreiung der Fraktion aus den Loyalitätszwängen der Großen Koalition sehnen. Die letzten Tage dürften diesen Wunsch noch einmal verstärkt haben.
"Es ist nicht mehr vermittelbar. Wir kriegen die Rückmeldungen auch aus den Wahlkreisen, dass die Menschen es nicht mehr verstehen. Wir haben da ganz, ganz viel Vertrauen verspielt und deswegen muss da jetzt ganz schnell ein Schlussstrich gezogen werden."
Kommentiert Brinkhaus die koalitionsinternen Querelen um den Verfassungsschutz-Präsidenten Maaßen. Dass er sich am Ende gegen Kauder durchsetzen könnte, hält auch in der Fraktion kaum jemand für möglich. Bis zu 40 Prozent aber werden ihm zugetraut. In jedem Fall gilt die geheime Abstimmung auch als Vertrauenstest für die Kanzlerin.