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Unionspolitiker: Hausfrau darf nicht stigmatisiert werden

Der Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union, Josef Schlarmann, ist der Ansicht, dass die Familie selbst entscheiden können muss, wie Familie und Beruf in Einklang gebracht werden. Der Staat habe sich bei dieser Entscheidung herauszuhalten. Er dürfe daher auch nicht die Entscheidung einer Mutter zur Berufstätigkeit fördern.

Moderation: Gerd Breker | 16.02.2007
    Gerd Breker: Wir haben es gehört. Familienministerin von der Leyen steht nicht alleine da. Nicht nur Hoffnungsträger Ministerpräsident Wulff steht hinter ihr, nein, sie besitzt auch die Rückendeckung der Kanzlerin. Am Telefon begrüße ich nun den CDU-Politiker Josef Schlarmann, Vorsitzender der Mittelstandsvereinigung der Union. Ralf Dahrendorf sprach ja einst vom Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts, und nun feiert die Sozialdemokratie im Gewand der Union fröhliche Urständ.

    Josef Schlarmann: Ist das eine Frage an mich?

    Breker: Wollen Sie dem widersprechen?

    Schlarmann: In der scharfen Formulierung, muss ich dem widersprechen. Es gibt einen ganz gesellschaftlichen Wandel, ganz generell, der lässt sich nicht bestreiten, und in diesen Strom gerät leider auch die Union und verabschiedet sich von vielen Positionen, die sie früher, so meine ich, zurecht überzeugend vertreten hat.

    Breker: Man mag ja Friedrich Merz persönliche Enttäuschung unterstellen, aber in der sachlichen Begründung seines Rückzuges liegt er offenbar so falsch nicht, und er steht auch nicht alleine da. Viele geben ihm da auch Recht. Sie auch?

    Schlarmann: Ich gebe ihm auch Recht. Es sind zwei Ansatzpunkte: Es ist einmal die Frage, wie machen wir Wirtschaftspolitik in Deutschland, und das Zweite ist, wie machen wir Gesellschaftspolitik in Deutschland, und ich stehe voll auf Seiten von Herrn Merz, wenn er sagt, die Wirtschaft braucht mehr Freiheit, natürlich auch gleichzeitig mehr Verantwortung, und ich unterstütze ihn auch in seiner zweiten Ansicht, die Familie ist kein politisches Experimentierfeld, sondern die Familie hat möglichst politikfrei zu bleiben.

    Breker: Was nur überrascht, Herr Schlarmann, ist ja die Tatsache, dass nach den jüngsten Umfragen die Union mit fast neun Punkten vor der SPD liegt. Offenbar ist der Kurs der Kanzlerin ja sehr Erfolg versprechend.

    Schlarmann: Das sind Umfragen. Das sind erfreuliche Umfragen. Ob das an den beiden Punkten liegt, die ich gerade kritisiert habe, das glaube ich nicht. Es gibt andere Gründe für diese guten Umfragen, unter anderem auch die recht lebhafte Diskussion in der Union, wie soll es mit Deutschland weitergehen, und dort ist diese Diskussion sicher etwas, was die Union in die Öffentlichkeit bringt, und von der SPD hört man im Augenblick nicht so besonders viel.

    Breker: Werden wir konkret und gehen wir auf die Familienpolitik ein, Herr Schlarmann. Die Wahlfreiheit, die nun gefordert wird, sehen Sie da auch diese Unterschiede, dass für die einen die Wahl wichtiger ist und für die anderen die Freiheit das wichtigere Wort ist?

    Schlarmann: Die Familie muss selbst entscheiden können, wie sie Familie und Beruf in Einklang bringt. Es gibt Familien, in denen die Entscheidung so getroffen wird, dass die Mutter zu Hause bleibt und sich um die Kinder kümmert, und es gibt andere Familie, dort sagt die Mutter, ich möchte berufstätig sein. Beides muss der Familie überlassen sein. Der Staat hat sich bei dieser Entscheidung herauszuhalten. Er darf diese Entscheidung auch nicht insofern fördern, dass er eben die berufstätige Frau, ich sage mal, in die Lage versetzt, nun diese Kombination zu wählen, und dadurch dann die Mutter, die als Hausfrau zu Hause bleibt, stigmatisiert.

    Breker: Wenn es denn eine wirkliche Wahlfreiheit geben soll, um dabei dann eben auch die Freiheit einer Wahl zu haben, müssen die Krippenplätze ausgebaut werden, das ist einfach ein Faktum in diesem Land, und insofern hat von der Leyen Recht. Stimmen Sie dem zu?

    Schlarmann: Dem stimme ich zu. Es gibt ja noch einen anderen Grund: Viele Familien werden heute ihrer Erziehungsaufgabe nicht mehr gerecht, und dort müssen die Kommunen beziehungsweise der Staat muss eintreten, um hier die Erziehungsaufgabe zu übernehmen.

    Breker: Wenn man die Wahl und die Freiheit zur Wahl fördern will, dann kostet das ordentlich Geld. Wir haben eben die Zahl von drei Milliarden jährlich gehört. Wer soll das bezahlen, der Bund?

    Schlarmann: Zunächst mal muss man fragen, ob nicht die berufstätige Frau, die ja auch verdient, für die Unterbringung ihrer Kinder privat zahlen kann. Zur Zeit ist es so, dass wir ein Steuer- und Abgabenrecht haben, dass die berufstätige Frau das, was sie verdient, nahezu vollständig in die Betreuung der Kinder stecken muss, wenn sie dafür Personal beschäftigt, und es wäre Zeit nach meiner Ansicht, hier einen Wechsel auch in steuerlicher Hinsicht durchzuführen, dass die berufstätige Frau die Kosten für die Kinderbetreuung als Werbungskosten bei ihrer eigenen Steuer absetzen kann.

    Breker: Und dann die Entscheidung wieder bei ihr läge, also die Freiheit zu entscheiden?

    Schlarmann: So ist es.

    Breker: Geht es Ihnen auch so, dass, wenn Sie sich die Politik der Regierung von Angela Merkel anschauen, der Verdacht sich regt, dass der Staat immer mehr reglementieren muss, meint zu müssen?

    Schlarmann: Das ist richtig. Wir erleben zur Zeit eine Renaissance der staatlichen Intervention in allen Bereichen. Das können Sie anhand der Gesundheitsreform deutlich erkennen. Der staatliche Einfluss wird massiv ausgeweitet, und das ist eine Entwicklung, die wir nicht akzeptieren können.

    Breker: Und was wollen Sie dagegen tun?

    Schlarmann: Ja, wir versuchen mit unseren Argumenten die Öffentlichkeit zu überzeugen, in die Politik hineinzuwirken, und wir können im Augenblick nur, ich sage mal, Schlimmeres verhindern, um es mal ganz deutlich zu sagen. Aber wir werben für unsere Auffassung, dass der Staat die Probleme nicht löst. Er ist in vielen Bereichen das Problem.

    Breker: Und das sagen Sie auch Ihrer Kanzlerin?

    Schlarmann: Das würde ich auch der Kanzlerin sagen. Sie sagt es ja selber, und wenn Sie die Programmdiskussion innerhalb der Union verfolgen, dann bin ich dort vollkommen einverstanden, was dort gemacht wird. Nur: Die Politik der Großen Koalition sieht anders aus.