Archiv

Unionsstreit um Ausrichtung
Merkel und Seehofer kommen zu Krisengespräch zusammen

Seit Monaten gegenseitige Kritik und sinkende Umfragewerte: Um die Beziehungen zwischen CDU und CSU war es schon besser bestellt. Nun wollen sich die Parteivorsitzenden treffen. Dabei dürfte es einmal mehr um die Frage des Profils der Union gehen - oder noch mehr?

    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer (CSU)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer (CSU) (picture alliance / dpa / Rainer Jensen)
    Der Streit zwischen CDU und CSU ist nicht neu. Seit Monaten kommt aus Bayern Kritik an der Berliner Flüchtlingspolitik, droht Horst Seehofer mit Klagen, adressiert seine Vorwürfe an Angela Merkel in öffentlichen Interviews oder persönlichen Noten - die dann wiederum bald öffentlich werden. Seit sich die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin (zwischenzeitlich) für offene deutsche Grenzen entschieden hat (die längst wieder mehr oder weniger dicht sind), nimmt der CSU-Chef die Rolle ihres Gegenspielers innerhalb der Regierung und des Parteienverbunds ein.
    Zuletzt hatte es sogar geheißen, die beiden könnten sich nicht einmal darauf einigen, wo sich die Parteispitzen zu einem "Friedensgipfel" treffen könnten. Nun ist ihnen das offenbar gelungen - zumindest für die Begegnung, die den "Friedensgipfel" vorbereiten soll: Seehofer und Merkel wollen sich treffen, berichtet die Deutsche Presse-Agentur: am späten Nachmittag, vor der Runde der Ministerpräsidenten zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in Berlin, die um 19 Uhr beginnen soll.
    Umfrage-Tief
    Pünktlich zu der Verabredung heißt es dann auch in der "Bild": Die Parteien der großen Koalition sind in Umfragen auf ein neues Rekordtief gesunken, zum ersten Mal laut des Meinungsforschungsinstituts Insa zusammengerechnet unter die Marke von 50 Prozent. Auch CDU/CSU verlieren demnach weiter, liegen nur noch bei 30 Prozent.
    Und Schuld an der Entwicklung hat für die CSU die CDU: Diese habe kein Profil, lautet der Vorwurf von CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Wenn sich CDU und SPD immer mehr anglichen, schade dies allen. Wie er das Profil der CSU sieht, daran hatte Scheuer zuvor keine Zweifel gelassen:
    Vor 30 Jahren hatte der damalige CSU-Vorsitzende gesagt, es dürfe rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben. Merkel hatte davor gewarnt, angesichts dieses Dogmas wichtige Grundsätze aufzugeben, um die an die AfD verlorenen Wähler zurückzugewinnen. Das hatte für heftigen Widerspruch in der CSU gesorgt.
    Edmund Stoiber warf Merkel in der "Süddeutschen Zeitung" vor, Wähler aus dem demokratischen rechten Spektrum aus dem Blick zu verlieren. Bayerns früherer Ministerpräsiden sprach von der "größten inhaltlichen Auseinandersetzung in der Geschichte der Unionsparteien" und forderte einen Strategiewechsel der CDU.
    Seehofer: Komplott im Kanzleramt
    Strauß' und Stoibers Nachfolger geht nun noch einen Schritt weiter: In der "Bild" vermutet Horst Seehofer einen Komplott. "Bis hinein ins Kanzleramt" gebe es Kräfte, die die CSU als "Fehlkonstruktion" betrachteten und beseitigen wollten.
    Mit einer Trennung von CDU und CSU hatte Seehofer in der Vergangenheit bereits kokettiert. Der Berliner Abgeordnete Christopher Lauer zeichnet nun ein weiteres mögliches Szenario: das eines "Bayxits".
    Auch diese Debatte ist nicht ganz neu. Innerhalb der CSU kommt immer wieder ein ähnlicher Ruf auf - bislang aber meist der nach Eigenständigkeit Bayerns von Deutschland.
    Der Politikwissenschaftler Oberreuter erwartet keine schnelle Einigung in dem Streit. Die CSU werde nicht so schnell klein bei geben, sagte Oberreuter im Deutschlandfunk. Die Partei wolle nicht laufend von der CDU in die rechte Ecke gedrängt werden.
    (bor/tgs)