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Unisextarife in der Versicherungswirtschaft

Weil Frauen statistisch gesehen fünf Jahre länger leben als Männer, zahlen sie weniger für eine Lebensversicherung, private Altersvorsorge ist für sie dagegen teurer. Diskriminierend, findet der EU-Gerichtshof und urteilt gegen geschlechts- bezogene Unterschiede bei Versicherungstarifen.

Von Volker Finthammer |
    Es ist einmal mehr eine Grundsatzentscheidung, die die Richter am Europäischen Gerichtshof in Luxemburg getroffen haben. Ab dem 21. Dezember 2012 darf es in der EU keine geschlechtsspezifischen Unterschiede mehr bei Versicherungstarifen für Männer oder Frauen geben. Bislang sind diese Unterschiede gang und gäbe. Begründet werden sie mit den statistisch nachweisbaren Unterschieden beider Geschlechter etwa bei der Lebenserwartung oder möglichen Krankheitsrisiken. Entsprechend fielen und fallen Versicherungstarife oder Leistungszusagen etwa bei Kranken- oder Lebensversicherungen immer noch unterschiedlich aus. Damit soll in spätestens zwei Jahren Schluss sein.

    Die belgische Verbraucherorganisation Test Achat, vergleichbar mit der deutschen Stiftung Warentest und zwei belgische Privatleute hatten gegen eine Ausnahmeklausel in der Antidiskriminierungsrichtlinie der EU geklagt. Diese Klausel hat den Mitgliedsländern erlaubt, geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Versicherungsprämien und Leistungen zuzulassen, wenn der Risikofaktor tatsächlich nachweisbar und durch genaue versicherungsmathematische und statistische Daten nachgewiesen werden kann. Sie wollten vor dem belgischen Verfassungsgericht erreichen, dass das belgische Gesetz zur Umsetzung der EU-Richtlinie gegen Geschlechterdiskriminierung für ungültig erklärt wird. Das belgische Verfassungsgericht wollte vor seiner Entscheidung vom EuGH wissen, wie das EU-Recht auszulegen sei.

    Diese Ausnahmeregelung, so die Luxemburger Richter heute, steht aber im Widerspruch zu den allgemeinen Gleichheitsgrundsätzen der EU Verträgen und der Grundrechtecharta der EU, in der der Grundsatz der Nichtdiskriminierung ein hohes Gut ist. Die Richter verweisen aber vor allem darauf, dass die in der Kritik stehende Ausnahmeregelung nicht befristet wurde. Damit bestehe die Gefahr, dass die Ausnahme von der Gleichbehandlung von Männern und Frauen unbefristet angewendet werde. Eine solche Bestimmung laufe jedoch der Verwirklichung des Ziels der Gleichbehandlung von Frauen und Männern zuwider.

    Jerzy Montag, der Rechtsexperte der Grünen im Deutschen Bundestag begrüßte die Entscheidung. Sie sei ein Sieg der Vernunft und des in der Charta der Grundrechte verbürgten Gleichheitsgrundsatzes von Frauen und Männern.

    Darüber hinaus habe der EuGH festgestellt, dass die rein statistisch errechnete höhere Lebenserwartung von Frauen unterschiedliche Tarife bei privaten Versicherungen nicht rechtfertigen kann. Die Versicherer haben nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie bieten künftig gleiche Tarife und Leistungen für Frauen und Männer an – wie es in der Riester-Rente bereits vorgesehen ist – oder sie machen unterschiedliche Tarife an sonstigen verhaltensbedingten Risikofaktoren fest, die Auswirkungen auf Gesundheit und Lebenserwartung haben. Eine Stellungnahme des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft liegt zur Stunde noch nicht vor.