Wer das Büro von Raffaele Mezzenga an der ETH Zürich betritt, dem fallen als erstes die Cover der Zeitschrift 'Advanced Materials' auf. Darauf abgebildet sind Großaufnahmen von eigentlich winzigen Goldmolekülen, Leiterbahnen oder Oberflächen. Etwas kaum Sichtbares hat auch der Professor für Lebensmittel und Weiche Materialien entwickelt: Eine Filtermembran, um kontaminiertes Wasser in Trinkwasserqualität aufzubereiten.
"Jede Filtermethode hat ihre Vor- und Nachteile. Das Besondere an unserer Methode ist: Sie braucht nicht viel Energie. Dann ist sie bemerkenswert effizient – in einigen Fällen filtern wir Blei zu 99,96 Prozent heraus, Uran zu 99,95 Prozent, dasselbe gilt für Quecksilber. Zudem sind die Kosten sehr niedrig."
Um die Filtermembran zu zeigen, geht der Wissenschaftler ins Labor. Sie ist in Wirklichkeit kaum größer als ein Daumennagel und ähnelt einem schwarzen, runden Fleck aus Filz, der auf weißem Zellstoff klebt.
"Stellen Sie sich ein Blatt Papier vor, das schwarz ist. Darin stecken Molkeprotein-Fasern. Diese sind sozusagen die Cellulose. Der Rest des Papiers ist Aktivkohle, die es porös und schwarz macht."
Das Herzstück der Membran ist das Molkeprotein, auch wenn es nur zu einem Anteil von maximal zehn Prozent in der Membran steckt. Das Protein ist ursprünglich kugelförmig. Die Wissenschaftler extrahieren es aus Milch und erhitzen es dann. So entstehen mikrometergroße Fasern. Anschließend wird die Proteinfaser-Lösung mit Aktivkohle gemischt und auf einem Cellulose- oder Plastikträger befestigt.
Miterfinder Sreenath Bolisetty tritt an eine Abzugsbank, um den Filterprozess zu zeigen. Der Versuchsstand besteht aus einem Erlenmeyerkolben, vielleicht zehn Zentimeter hoch. Darauf sitzt eine sogenannte Glasfritte, eine poröse Trennwand aus Glas. Dort hinein legt der Forscher die Membran, schließt einen Schlauch an den Auslass des Kolbens an, füllt eine trübe gelblich-braune Probe ein und schaltet die Vakuumpumpe an. Sekunden später tröpfelt glasklares Wasser in den Kolben.
"Blicken wir auf die molekulare Ebene: Da haben wir spezielle Bindestellen auf Protein- und Faserebene, die Schwermetallionen sehr stark an sich binden. Zusätzlich fängt die Aktivkohle durch ihre poröse Struktur bestimmte Ionen ein. So funktioniert der Filterprozess prinzipiell."
Das klingt einfach und kann zudem noch überall eingesetzt werden: um Trinkwasser aufzubereiten, Abwasser zu reinigen, Cyanid-haltiges Prozesswasser zu filtern oder radioaktiv-belastetes Wasser zu behandeln. Ein weiterer Vorteil ist der Preis für den Milchprotein-Kohle-Filter.
"Wir haben das mal durchgerechnet. Ein Kilogramm Molkeprotein kostet circa 50 Euro. Damit können wir rund 90.000 Liter Wasser behandeln - mehr als ein Mensch in seinem Leben jemals trinken kann. Das ist ziemlich billig, wenn sie darüber nachdenken."
Noch mehr rechnet es sich, wenn Edelmetalle mit der Membran recycelt werden. Raffaele Mezzenga und Sreenath Bolisetty haben das mit Gold aus Prozesswasser getestet. Dabei lag der Wert der herausgefilterten Menge Edelmetall 200-mal höher als die Kosten der Filteraktion. Bis Ende des Jahres wollen die beiden Wissenschaftler ihre Molkeprotein-Membran zur Marktreife bringen. Dazu muss die Membran wesentlich größer werden und höheren Drücken standhalten, um etwa 1.000 Liter Wasser pro Stunde zu filtern. Langfristig ließe sich das Prinzip so weiter entwickeln, dass eventuell auch mit Öl verschmutztes Wasser gereinigt werden kann.