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Universität Bonn
Flüchtlinge auf dem Weg zum Studium

Für Flüchtlinge ist der Weg bis zum regulären Studienplatz weit. Sie brauchen zum Beispiel einen Nachweis der Hochschulreife und eine deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang. An der Universität Bonn gibt es inzwischen für studierwillige Flüchtlinge Lerntandems und ein Frühstudium, wofür keine offizielle Zugangsberechtigung benötigt wird.

Von Henning Hübert |
    Eine Studentin der Schulpädagogik schreibt am 17.10.2012 während einer Vorlesung in einem vollen Hörsaal in der Universität in Tübingen (Baden-Württemberg) mit.
    Es gibt Projekte Flüchtlinge in den Unialltag zu integrieren. (picture alliance / dpa - Jan-Philipp Strobel)
    Lerntandems haben sich gebildet in der Nachhilfe-Gruppe des Zentrums für Mathematik. In einem karg eingerichteten Raum – leere Regale, die Computer sind ausgeschaltet – reichen Stift und Zettel aus. Abdal Kader Badra und sein deutscher Tandempartner üben Ableitungsregeln. Der 19-jährige Syrer hat in seiner Heimat das Abitur gemacht. Seit einem Jahr ist er jetzt in Deutschland. Auf einen bestimmten Studiengang hat er sich noch nicht festgelegt.
    "Ich mag auch andere - zum Beispiel Geschichte auch. Aber ich denke, das ist ein bisschen schwer wegen der Sprache. Deutsche Sprache ist ein bisschen schwer. Braucht drei oder vier Jahre, und dann kann ich Geschichte studieren. Einfacher geht Mathe."
    Unterschiedliches Lerntempo
    Der studentische Helfer Thomas Bodendorfer hat bemerkt, dass in dem Abendkurs das Lerntempo unter den 13 teilnehmenden Flüchtlingen sehr unterschiedlich ist:
    "Es ist durchaus interessant, mit den Menschen zu arbeiten, Mathe-Nachhilfe zu geben. Also, es ist effektiv Mathematik-Nachhilfe von, sagen wir mal, 7. bis 13. Klasse. Das ist sehr unterschiedlich. Manche haben noch kein Abitur, noch nicht die zehnte Klasse vollendet. Und andere wiederum haben ein abgeschlossenes Studium in Maschinenbau oder Mechanik. Für die ist es eher Vokabellernen. Für andere ist es dann eher, elementare Sachen zu verstehen."
    So werden einige Zahlen im Arabischen andersrum geschrieben und die Fünf sieht wie eine Null aus – aber das klärt sich schnell im Gespräch. Abdal Kader Badra nutzt die Nachhilfe intensiv. Die Ehefrau eines Matheprofessors, die sich selber ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert, hat die Studierenden auf die Idee für den Kurs gebracht. Im Augenblick läuft da noch viel über Mund-zu-Mund-Propaganda. Es hängt viel vom Zufall ab, um auf Angebote wie die von den freiwilligen Helfern aus den Reihen der Bonner Mathematiker zu stoßen:
    "Ich denke, es ist nicht nur Hilfe. Er ist wie ein Freund. Wir reden auch auf Deutsch. Ich finde das ist sehr gut. Ich lerne mehr Sprache dann."
    Frühstudium ohne offizielle Zugangsberechtigung
    Eigene Deutschkurse bietet die Uni Bonn nicht an - das macht sie auch nicht für reguläre Studierende aus dem Ausland. Sie verlangt aber für das zum Sommersemester geplante Integrationsprogramm ein Mindestmaß an Sprachfähigkeit. Niveau B1 oder mehr und eine Bleibeperspektive der studieninteressierten Flüchtlinge setzt die Uni voraus. Dann dürfen Scheine gemacht werden - in einem Frühstudium auch ohne offizielle Zugangsberechtigung. Die könne später nachgereicht werden, sagt Uni-Sprecher Andreas Archut. Obwohl das wohl nicht jeder Flüchtling machen wird:
    "Es gibt durchaus Flüchtlinge, die alle Unterlagen beisammen haben und sofort als reguläre Studenten anfangen könnten. Das Problem ist nur: Das kann im Moment auch nicht immer in ihrem Interesse sein. Und deswegen gibt es einen sinnvollen Platz für ein Frühstudium, das außerhalb des regulären Studierenden-Status steht."
    Hier geht es auch ums Geld - Studierenden-Bafög ist erst möglich nach frühestens 15 Monaten in Deutschland, sowie bestandenem Sprachkurs und Immatrikulation. Und bei Flüchtlingen, die Hartz IV beziehen, ist es mit einem offiziellen Studium schnell vorbei, wenn das Jobcenter stattdessen eine beliebige Arbeit gefunden hat. Das geplante Frühstudium für Flüchtlinge bietet da eine Nische. Eine Obergrenze soll es nicht geben:
    "Wir glauben nicht, dass wir überrannt werden. Denn die Anforderungen, die wir stellen, sind ja jetzt nicht ganz niedrig. Und von daher sehen wir dem Ansturm gelassen entgegen. Man kann mit dem neuen Programm fast alles studieren. Leider sind die harten NC-Fächer wie Medizin, Zahnmedizin und Pharmazie von dieser Regelung ausgenommen. Da lässt sich leider überhaupt nichts machen. Aber alle anderen Fächer stehen den Flüchtlingen offen."