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Universität Leipzig
Heftige Reaktionen auf die weibliche Form

Vor einem Jahr wurde an der Universität Leipzig das generische Femininum in die Grundordnung eingeführt. Alle Amts- und Berufsbezeichnungen in dem Dokument sind seitdem weiblich. Damit ist die Hochschule deutschlandweit Vorreiter der geschlechtergerechten Linguistik, was nicht nur positive Resonanz erzeugte.

Von Franziska Hentsch |
    Ein grün leuchtendes Toiletten-Hinweisschild hängt auf dem Messegelände in Frankfurt am Main unter der Decke
    In der Grundordnung der Universität Leipzig werden Männer und Frauen gleichermaßen mit der femininen Form bezeichnet. (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    "Ich meine mal gehört zu haben, dass das eine Vereinbarung ist, dass dann die quasi vorschreibt, dass jeder Professor, egal ob männlich oder weiblich, mit Frau Professorin angesprochen werden soll."
    "Um ganz ehrlich zu sein, finde ich es ziemlich blödsinnig. Weil ich finde, dass das einfach zu weit geht, weil ich finde, dass Feminismus sich in ganz anderen Sparten äußert, die vielleicht viel auch viel wichtiger wären anzugehen und das so etwas aber einfach Augenwischerei ist."
    "Ich fand diese heftigen Reaktionen auf das generische Femininum doch interessant zu verfolgen. Das zeigt meiner Meinung nach, dass in dem Bereich Gleichberechtigung einfach noch sehr viel getan werden muss."
    Viele ältere Herren besorgt
    Es war eine kleine Sensation. Vor einem Jahr führte die Universität Leipzig als erste Hochschule das generische Femininum ein. Zumindest in einem Dokument. Denn in der Grundordnung ist seither nicht mehr von Professor, Mitarbeiter oder Rektor die Rede, sondern von Professorin, Mitarbeiterin und Rektorin. In der Öffentlichkeit wurde dieser Schritt kritisch diskutiert, erinnert sich die Rektorin der Hochschule, Beate Schücking:
    "Dass wir so viel Resonanz bekommen, insbesondere von älteren Herren, die Sorge hätten, sie könnten zukünftig als Doktorin oder Professorin tituliert werden, damit hatte ich tatsächlich nicht gerechnet."
    60 Prozent der Studierenden an der Universität sind weiblich. Allein deshalb sei die feminine Form angemessen, findet die Rektorin. Damit wolle man die Frauen direkt ansprechen und öffentlich sichtbar machen. Für die Männer bleibt immer noch eine Fußnote. Diese erklärt, dass sie auch weiterhin ihre Funktionsbezeichnungen in der männlichen Form führen können, im Dokument aber in der weiblichen Form mitgemeint sind. Trotz heftiger Kritik zieht die Rektorin aber ein positives Fazit:
    "Es haben durchaus etliche Professorinnen der Universität es auch positiv wahrgenommen, dass sie als Professorinnen gesehen werden und es gab von den vielen Hundert Zuschriften, die ich bekommen habe, vielleicht 10 bis 15 Prozent Ermutigung, auch solche innovativen Wege zu gehen."
    Ein Denkanstoß
    Im Sprachgebrauch der Universität hat das Femininum nicht viel geändert. Entgegen vieler Befürchtungen, werden Männer heute nicht in weiblicher Form angesprochen. Auch Georg Teichert, der Gleichstellungsbeauftragte der Hochschule, hat damals zahlreiche Schmähbriefe erhalten, aber auch viel Lob geerntet. Für ihn ist die Neuerung ein wichtiger Denkanstoß, dem auch politische Taten folgen müssen:
    "Also das muss man ganz klar sagen, man wird überall in Deutschland darauf angesprochen: Ihr ward das ja mit der Grundordnung in weiblicher Form. Aber tatsächlich für die einzelnen Frauen hat sich, wie zu erwarten war, natürlich nur durch diese Grundordnung nichts geändert. Aber sicherlich ist es auch etwas, was nach außen gesehen wurde, aha, ihr seid sensibel bei dem Thema und das ist ja so ein weicher Faktor, der vielleicht auch etwas Positives bewirkt hat."
    Debatte um geschlechtsneutrale Form
    Auch wenn die Universität einen mutigen Schritt gegangen ist, für einige reicht das nicht aus. Denn anstatt ein Geschlecht festzulegen, wird in der Forschung das sogenannte Gender Gap favorisiert. Bei diesem Gender Gap ist eine Lücke gemeint, für diejenigen, die sich keinem der zwei gängigen Geschlechter zuordnen können. Schriftlich wird dafür zwischen der weiblichen und männlichen Endung ein Unterstrich gesetzt. Wie bei Student_in. So wären wirklich alle gemeint. Die Germanistikprofessorin und Direktorin des Zentrums für Frauen- und Geschlechterforschung in Leipzig, Ilse Nagelschmidt, zieht deshalb eine andere Bilanz:
    "Heute ist aus meiner Sicht das generische Femininum nicht mehr an der Tagesordnung. Für mich wäre es viel besser gewesen, wenn wir das Gender Gap entsprechend auch in der Grundordnung ausgewiesen hätten. So haben wir den alten Differenzgedanken weiblich/männlich auch in unserer Grundordnung weitergetragen."
    Ziel sollte es sein, eine geschlechtergerechte Sprache zu finden, die niemanden ausschließt. Der Vorstoß in Leipzig war dafür ein symbolischer Schritt in eine mögliche Richtung.