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Universität Marburg verleiht Dalai Lama Ehrendoktorwürde

Im traditionell orange-roten Gewand zieht das geistliche Oberhaupt Tibets in den Fürstensaal des Marburger Schlosses mit seinen Kreuzgewölben ein. Ganz still wird es, die 320 geladenen Ehrengäste erheben sich geradezu andächtig, doch in seiner gewohnt unbefangen heiteren Art zerstreut der Dalai Lama die Ehrfurcht.

    Am Rednerpult kratzt er sich das fast kahl geschorene Haupt, atmet hörbar durch. "O.K., wenn ich Englisch rede?", fragt er kurz nach und bringt dann das Wesen der buddhistischen Kultur auf den Punkt.

    "Buddhistische Kultur ist eine Kultur des Friedens, des Mitgefühls, der Gewaltlosigkeit. Viele, die Tibet besuchen, nehmen die Chinesen und die Tibeter wahr. Die Tibeter sind Opfer, aber im Gesicht tragen sie ein Lächeln, dieser Unterschied liegt im kulturellen Erbe begründet."

    Ein Erbe, das mithilfe moderner Erziehung und modernen Schulen bewahrt werden müsse, so betont der Dalai Lama, den die Laudatoren mit "Eure Heiligkeit" ansprechen. Er selbst bezeichnet sich als "einfacher buddhistischer Mönch". Doch zum Ehrendoktor der Universität Marburg beförderte ihn der Fachbereich Fremdsprachliche Philologien, weil er weit mehr ist als Mönch, Geistlicher, Menschenrechtler und Verfechter religiöser Toleranz. Es gehe darum, so der Marburger Professor Jürgen Hanneder,

    "... ihn für die Förderung der Wissenschaft zu ehren, also für seine Förderung der indologischen und tibetologischen Forschung. Und es gibt eine längere Beziehung zu einer im indischen Sarnath ansässigen Universität mit dem Fachgebiet Indologie und Tibetologie und Marburg, und das war eigentlich der Anlass für diese Ehrung.

    Der Dalai Lama hat dieses Institut mit begründet und maßgeblich mit gefördert und ist eben ganz offen, was die Erschließung angeht, ist an den quellen interessiert, ist an den Lehren anderer Schulen interessiert. Der Dalai Lama hat ja selbst eine theologische Ausbildung, vergleichbar einem Doktor der Theologie, diese persönliche Leistung und die organisatorische Leistung rechtfertigen es in meinen Augen voll, dass die Universität Marburg ihm die Ehrendoktorwürde verleiht."

    ... bekräftigt der emeritierte Tibetologie-Professor Michael Hahn, der die Auszeichnung schon vor drei Jahren initiierte. Aus Termingründen kommt sie erst jetzt zustande, sodass die Universität Münster für sich beanspruchen kann, dem Friedensnobelpreisträger als erste deutsche Hochschule die Ehrendoktorwürde verliehen zu haben. Eine Aufwertung für das Exotenfach, meint Katharina Hutz, Tibetologie-Studentin im zweiten Semester.

    "Natürlich – es ist in den Medien und der Presse, und auf jeden Fall rückt es mehr in das Blickfeld der Allgemeinheit."

    Nicht anwesend sein bei der Ehrung des Dalai Lama konnte der hessische Ministerpräsident Roland Koch. Doch er ist stolz, dass sich das kleine Marburger Kompetenzzentrum in der deutschen Hochschullandschaft behaupten kann ...

    "Und es führt ja auch zu interessanten Kombinationen, denn die Biologen sind mit ihrer Station auch tätig im Bereich des tibetischen Hochlandes. Das heißt, es gibt auch dort wieder Effekte in einer Universität, die zu einem besonderen Interesse daran führen."

    Und zu neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Rahmen genetischer Studien des charakteristischen Wacholder Bewuchses auf dem tibetischen Plateau entdeckten Marburger Biologen Tibet als Region der höchsten bislang bekannten Baumgrenze aller Eiszeiten. Auf 4000 Meter über dem Meeresspiegel korrigierten sie die eiszeitliche Baumgrenze gemäß dieser neuen Erkenntnisse nach oben.