Glyphosat sei ein Pfanzenschutzmittel, das schon sehr lange auf dem Markt und relativ gut erforscht sei. Ein Totalverbot könnte dazu führen, dass Landwirte weniger erforschte Stoffe einsetzten, die nicht gefährlicher sein könnten, sagte der Abgeordnete der EVP-Fraktion im EU-Parlament im Deutschlandfunk.
Er betonte zugleich, dass Glyphosat sicherlich nicht vollkommen unbedenklich sei. Man müsse die Anwendung sehr stark kontrollieren. Bei jedem problematischen Stoff gehe es um die Menge.
Die derzeit gültige Zulassung für Glyphosat läuft Ende des Monats aus. Im Gespräch ist eine Verlängerung zwischen zwölf und 18 Monaten. In dieser Zeit soll die Europäische Chemikalienagentur mit einer neuen Studie Klarheit schaffen, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht.
Das Interview in voller Länge:
Sandra Schulz: Ein wichtiger Helfer ist es für die einen, ein gefährliches Gift für die anderen. Klar ist: Rund 5.000 Tonnen des Unkrautbekämpfers Glyphosat werden in Deutschland jährlich versprüht. Auf rund 40 Prozent deutscher Ackerflächen kommen glyphosathaltige Herbizide zum Einsatz. Kann das so bleiben? Darüber herrscht Streit in der Bundesregierung. Bis auf weiteres ist die Suche nach einem Kompromiss auch eingestellt. Und bei der Abstimmung auf EU-Ebene heute wird sich deswegen die Bundesregierung enthalten.
Am Telefon ist Peter Liese (CDU), im Europäischen Parlament Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit. Guten Morgen.
Peter Liese: Guten Morgen!
Schulz: Die Bundesregierung enthält sich heute ja bei der Abstimmung über Glyphosat. Ist das gut?
Liese: Nein, das ist überhaupt nicht gut. Das ist peinlich, weil der größte Mitgliedsstaat, der auch sehr viel Knowhow in dieser Frage hat, eigentlich die Lösung bringen müsste und nicht eine Lösung verzögern müsste. Ich finde es schade, dass die Europäische Kommission am Anfang eine sehr, sehr großzügige Regelung vorgeschlagen hat mit 15 Jahren Verlängerung und ohne wesentliche Einschränkung. Das war nicht angemessen und da hätte Deutschland eigentlich mit einem Vorschlag, der eine sehr viel strengere Handhabung und eine sehr viel kürzere Frist vorgesehen hätte, das Thema lösen können. Aber es gibt überhaupt keine Position, weil vielleicht das Landwirtschaftsministerium etwas großzügig ist, aber vor allen Dingen, weil die SPD sagt, wir können überhaupt nicht zustimmen, das heißt, im Prinzip ein Verbot zum 30. 6. dieses Jahres, und das halte ich auch für eine extreme Position, die der Sache nicht angemessen ist. Deutschland müsste eigentlich die Lösung bringen, verschärft aber durch die Enthaltung das Problem.
"Ein Totalverbot innerhalb von drei Wochen halte ich nicht für realistisch"
Schulz: Aber die Lösung wäre dann schon die Zustimmung und die Verlängerung. Richtig verstanden?
Liese: Ja, aber eine sehr begrenzte Verlängerung und vor allen Dingen starke Auflagen. Was ich nicht verstehen kann: In Deutschland haben wir schon seit einigen Jahren das Verbot, Glyphosat vor der Ernte anzuwenden. Das finde ich auch eine besonders perverse Sache, dass man die Kulturpflanze abtötet, damit die Erntemaschinen leichter arbeiten können. Und es ist doch klar: Wenn man das kurz vor der Ernte anwendet, ist die Gefahr, dass Rückstände in den Lebensmitteln sind, natürlich sehr viel größer, als wenn man das zu einem frühen Zeitpunkt macht. Das ist in Deutschland verboten, aber trotzdem hat Deutschland keinen Vorschlag gemacht, diese Praxis auch europaweit zu verbieten, und natürlich kommt das Getreide, das dann mit Glyphosat behandelt ist kurz vor der Ernte, auch in Deutschland in den Handel. Das kann nicht im Sinne des Verbrauchers sein.
Schulz: Aber wenn es jetzt insgesamt nach wie vor so große Zweifel an diesem Stoff gibt, wenn es diese Äußerungen und auch Studien gibt, die sagen, das ist ein gefährlicher Stoff, warum ist die CDU da mit ihrer Position überhaupt so risikofreudig? Haben wir in der Europäischen Union nicht das Vorsorgeprinzip, das sagt, solange nicht klar ist, ob der Stoff gefährlich ist oder ungefährlich, arbeiten wir damit nicht?
Liese: Glyphosat ist ein Pflanzenschutzmittel, das schon sehr lange auf dem Markt ist. Ein Kollege aus dem Agrarausschuss hat das mal verglichen mit dem Aspirin in der Medizin. Es ist ein Stoff, der relativ gut erforscht ist und den man besser kennt als andere Stoffe. Ein sofortiges Verbot von Glyphosat würde möglicherweise dazu führen, dass man andere Stoffe einsetzt, die weniger erforscht sind, aber nicht unbedingt weniger gefährlich. Die Alternative, wenn man es wirklich radikal durchdenkt, wäre Biolandwirtschaft für ganz Europa. Nun habe ich überhaupt nichts gegen Biolandwirtschaft, aber es kann ja niemand behaupten, dass wir innerhalb von drei Wochen - es geht ja um die Zeit bis zum 30. 6. - ganz Europa auf Bio umstellen können. Deswegen muss man meiner Ansicht nach damit umgehen wie mit einem problematischen Stoff, den man nur einsetzt, wenn es nicht anders geht. Deswegen brauchen wir sehr viel strengere Auflagen. Aber ein Totalverbot innerhalb von drei Wochen halte ich nicht für realistisch. Das würde der Sache wirklich nicht gerecht, würde die Landwirte vor unlösbare Aufgaben stellen. Man muss sich mehr Zeit nehmen, um dann alternative Stoffe zu entwickeln mit weniger Problemen.
"Die Menge macht das Gift"
Schulz: Aber dass die Zulassung Ende Juni plangemäß ausläuft, oder bis zum 30 6. zugelassen ist, das ist ja nun keine überraschende Entwicklung. Ich würde gerne noch mal genauer die Herangehensweise verstehen. Die EU-Kommission schlägt ja jetzt vor, wir lassen das jetzt befristet zu für maximal bis zu 18 Monate und parallel gucken wir aber sicherheitshalber doch noch mal nach über diese Europäische Chemikalienagentur, ob das nicht vielleicht doch gefährlich ist. Wie soll das dem Verbraucher vermittelt werden?
Liese: Wir haben unterschiedliche Aussagen von unterschiedlichen wissenschaftlichen Gremien. Die Basis für den ursprünglichen Vorschlag der Europäischen Kommission, eine Verlängerung um 15 Jahre, war die Aussage des Deutschen Instituts für Risikobewertung und der Europäischen Lebensmittelagentur, die gesagt haben, diese Bedenken können wir nicht teilen. Es gibt aber ein Gremium bei der Weltgesundheitsorganisation, wie es in dem Beitrag auch gesagt wurde, das durchaus ein Problem sieht. Und wenn man Streit in der Wissenschaft hat ist es sicher wichtig, noch mal unabhängig darauf zu gucken und zu sagen, wie sind denn die Argumente der einen beziehungsweise der anderen Seite zu bewerten. Aus meiner Sicht stellt sich der Fall so dar: Bei jedem problematischen Stoff geht es um die Menge. Das hat schon Paracelsus in der Antike gesagt, die Menge macht das Gift. Ich glaube nicht, dass Glyphosat völlig unproblematisch ist. Das haben einige in der Europäischen Kommission behauptet und das fand ich unseriös. Wenn das ein Mittel ist, das alle Pflanzen abtötet, kann es für den Menschen nicht gesund sein. Deswegen haben wir strenge Grenzwerte, beispielsweise was in einem Lebensmittel überhaupt enthalten sein darf, und das muss auch für Importe gelten. Wenn das in Europa in der Anwendung verboten ist, heißt das ja noch lange nicht, dass es in Lebensmitteln, die außerhalb von Europa hergestellt werden und bei uns trotzdem auf den Tisch kommen, nicht enthalten ist. Also müssen wir auch da sehr scharf hinschauen. Man muss die Anwendung sehr stark kontrollieren und man muss auch die Menge kontrollieren, die dann über andere Länder nach Europa reinkommt.
Schulz: Ist denn für diese Kontrolle gesorgt?
Liese: Bitte?
Schulz: Ist denn für diese Kontrolle gesorgt?
Liese: Ja. Unabhängig von der Entscheidung, die heute ansteht, gibt es ja Höchstwerte, welche Pflanzenschutzmittel-Restbestände in einem Lebensmittel enthalten sein dürfen, und das wird über die Lebensmittelüberwachung natürlich in Europa kontrolliert. Das ist das Wichtigste für den Verbraucher. Ich glaube, bei der jetzigen Diskussion geht es vor allen Dingen um die Menschen, die in der Landwirtschaft diesen Stoff anwenden, denn die sind sehr viel höher mit einer höheren Konzentration belastet, und auch an die müssen wir natürlich denken.
"Die Mengen, die im deutschen Bier festgestellt wurden, sind nicht gesundheitsbedenklich"
Schulz: Und die Verbraucher nicht auch ein bisschen?
Liese: Ich glaube, die Mengen, die zum Beispiel im deutschen Bier festgestellt wurden, sind nicht gesundheitsbedenklich, insbesondere wenn man daran denkt, das Bundesinstitut für Risikoforschung sagt, man muss schon wirklich tausend Liter Bier trinken, um da eine Problematik zu haben, und da ist der Alkohol sicherlich gefährlicher. Man muss das schon in einer realistischen Größenordnung sehen. Wie gesagt, das ist ein Stoff, mit dem wir vorsichtig umgehen müssen, aber Gesundheitsgefahren sehe ich vor allen Dingen für diejenigen, die in der Landwirtschaft diesen Stoff anwenden. Deswegen muss das unter sehr, sehr strengen Kriterien passieren. Und auch was Lebensmittel angeht so streng wie möglich. Nur wie gesagt: Ich habe überhaupt nichts gegen Bioanbau. Ich habe gerade vor dem Wochenende noch mal Lebensmittel eingekauft und achte auch auf Bio. Nur man kann nicht den Leuten vorschreiben, den Landwirten und auch den Verbrauchern, dass wir das jetzt kurzfristig umstellen, zumal Bioproduktion ja auch noch sehr viel teurer ist als die konventionelle Produktion.
Schulz: Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese, Mitglied im Umweltausschuss im Europäischen Parlament und heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank dafür.
Liese: Gerne!
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