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UNO-Klimagipfel
"Große Reden, aber keine Zusagen"

Auch nach dem UNO-Klimagipfel in New York bleibe eine Finanzierungslücke für den grünen Klimafonds, bilanziert Matthias Groote. Es habe keine konkreten Zusagen gegeben, sagte der umweltpolitische Sprecher der Sozialdemokraten im Europaparlament im DLF. China habe Europa im Bereich der erneuerbaren Energien längst abgehängt.

Matthias Groote im Gespräch mit Jule Reimer |
    Der SPD-Europaparlamentarier Matthias Groote sitzt am 19. Februar 2013 im Tagungsraum des Umweltausschusses im EU-Parlament in Brüssel.
    Matthias Groote ist umweltpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. (picture alliance / dpa / Wolf von Dewitz)
    Jule Reimer: Sven Plöger war das mit dem Wetterbericht für Deutschland vom 7. August 2050 - übrigens eine Auftragsarbeit für UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, steht auf YouTube unter dem englischen Stichwort "Weather Forecast 2050" auch für andere Länder. - Weltweit haben 1,2 Milliarden Menschen immer noch keinen Zugang zu Strom - eine wichtige Voraussetzung, um Medikamente zu kühlen, Maschinen anzutreiben, Computer in Schulen anzuschließen. Gleichzeitig sind viele Entwicklungsländer beim Konsum endlich, muss man sagen, auf der Überholspur. In Paraguay zum Beispiel wird sich die Zahl der Kühlschränke bis zum Jahr 2030 verdoppeln, prognostiziert das UN-Umweltprogramm UNEP. Doch wenn die Energie für diese Kühlschränke nur aus Kohle, Erdöl oder Gas gewonnen wird, wird es heiß auf der Erde. - Matthias Groote ist umweltpolitischer Sprecher der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament. Kurz vor dieser Sendung fragte ich ihn, welche Fortschritte und Enttäuschungen der UN-Gipfel in New York für ihn gebracht hat.
    Matthias Groote: Es wurden wieder große Reden gehalten. Das kennen wir bei UN-Klimagipfeln, so auch bei diesem Sondergipfel. Einige Schritte gab es vorwärts, auch aus Sicht der deutschen Bundesregierung, dass man aus der Kohleförderung international aussteigen will mittelfristig. Da gab es die Ankündigung, dass man nicht mehr Kohleprojekte in Entwicklungsländern finanziert. Das halte ich für richtig, denn der Zugang zu Strom, den 1,2 Milliarden Menschen weltweit nicht haben, den kann man besser mit Fotovoltaik und mit anderen Sachen lösen, weil die Leitungsinfrastruktur in diesen Regionen ja gar nicht vorhanden ist, und darum wäre Kohle sowieso eine Sackgasse, klimatechnisch, aber auch energiepolitisch.
    Reimer: Was verbuchen Sie unter Enttäuschung?
    Groote: Es gab eigentlich keine konkreten Zusagen. Es ist immer noch eine Finanzierungslücke da für den grünen Klimafonds. Deutschland hat 750 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, das ist gut, aber es klafft eine Lücke von 7,7 Milliarden Euro noch, und bekanntlich, wenn es um Geld geht, dann hört die Freundschaft auf. Das ist ja so im wahren Leben und so auch beim Klimagipfel. Große Reden, aber verbindliche Zusagen in Sachen Finanzierung, Kampf gegen den Klimawandel, das sind viele schuldig geblieben.
    Reimer: Die Europäische Union macht in Sachen Klimaschutz eigentlich keine gute Figur mehr. Was muss passieren, damit sich das ändert?
    Groote: Wir brauchen klare Ansagen. Ich hoffe mal, dass im Oktober die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel klare Ziele formulieren, wo sie 2030 hinwollen.
    Reimer: In welchem Sinne?
    "Industrie braucht auch Verlässlichkeit"
    Groote: ..., dass wir wirklich 40 Prozent CO2-Reduktion in der Europäischen Union auf den Weg bringen, eine Steigerung der Energieeffizienz auf den Weg gebracht wird und auch beim Ausbau der erneuerbaren Energien, dass es dort feste Kernmarken gibt, weil Industrie braucht auch Verlässlichkeit. Wir haben gesehen, wenn es keine Verlässlichkeit gibt - das war ja die schwarz-gelbe Regierung unter Angela Merkel, die über Nacht die Atomkraftwerke abgestellt hat -, dann sorgt das für erhebliche Irritationen, und man braucht langfristige Pläne. Vorher gab es Pläne, wie man aus der Atomenergie aussteigt, und wenn so was hoppla hopp geht, sorgt das für Investitionszurückhaltung. Das ist für das Klima nicht gut, das ist für die Wirtschaft nicht gut und an der Wirtschaft hängen viele, viele Jobs im Energiebereich dran.
    Reimer: Nächste Woche wird das Europäische Parlament sich die designierten EU-Kommissare in den energie- und klimarelevanten Bereichen genau anschauen und sie befragen. Hat der kommende EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine vielversprechende Mannschaft aus Ihrer Sicht zusammengestellt?
    Groote: Nein, ganz im Gegenteil. Er zeigt eigentlich der europäischen Öffentlichkeit und somit auch der Weltöffentlichkeit, dass das Thema Nachhaltigkeit, nachhaltige Entwicklung - damit meine ich nicht nur den Umweltbereich - bei ihm nicht oberste Priorität hat. Er hat diese Bereiche aufgeteilt, segmentiert, Klima aus dem Umweltbereich herausgelöst, Richtung Energie gegeben - kann man ja drüber streiten, das ist vielleicht gut -, den Umweltschutzbereich mit Fischerei zusammengelegt. Das ist ein Stückwerk, was wir dort vorfinden, und das zeigt eigentlich, dass das nicht die oberste Priorität bei ihm hat. Aber wir brauchen eigentlich eine nachhaltige Entwicklung im Finanzbereich, im Umweltbereich, im Klimabereich und im Energiebereich.
    Reimer: Es gab ja auch Kritik an den Personen selbst. Zum Beispiel der künftig Zuständige für das Thema Klima wird der Spanier Canete sein. Können Sie als EU-Parlament da denn noch was dran ändern?
    "Kommissions-Kandidat Canete ist eine Provokation"
    Groote: In Brüssel ist es so, dass ein Kandidat der Kommission drei Stunden lang angehört wird und danach entschieden wird, ob der Kandidat geeignet ist, persönlich geeignet, aber auch fachlich geeignet ist. Ich will der Anhörung nicht vorgreifen, weil dann bräuchten wir keine Anhörung mehr. Das wird alles nächste Woche passieren. Aber ich sage mal, die Biografie, wenn man sich die anschaut, dann ist der Kandidat Canete schon eine Provokation, die Juncker dort dem Europäischen Parlament präsentiert.
    Reimer: Das UN-Umweltprogramm UNEP arbeitet jetzt beim CO2-Reduktionsprogramm für Entwicklungsländer ausdrücklich mit China zusammen. Sind die Europäer abgehängt?
    Groote: Ich weiß nicht, ob die Europäer abgehängt sind. Europa war mal ehrgeizig und Europa ist stetig nach vorne gegangen. Das ist einigermaßen ins Stocken geraten und die Punkte, die wir gerade eben besprochen haben, die neue Kommission ist auch kein Aufbruch und kein Zeichen für die Weltgemeinschaft, dass Europa dort weiter vorangehen will. China betrachtet die ganze Sache sehr wirtschaftlich. Sie sehen, mit fossilen Energieträgern wird man in der Sackgasse enden, da wird man massive Probleme haben, was Luftqualität angeht, aber auch was Proteste angeht, und deswegen geht China voran und hat uns im Bereich Fotovoltaik und in anderen Bereichen schon längst abgehängt.
    Reimer: Der Europaparlamentarier Matthias Groote mit seiner Bilanz des UN-Klimagipfels. Das Gespräch haben wir vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.