Jasper Barenberg: Noch nie sind so viele Führungspersönlichkeiten aus der ganzen Welt zusammengekommen, um sich zum Kampf gegen den Klimawandel und seine vielfältigen Folgen zu bekennen. Das ist für Ban Ki-moon ein großer Erfolg. In den Augen des UNO-Generalsekretärs haben die mehr als 120 Staats- und Regierungschefs in New York geliefert. Das gilt insbesondere mit Blick wohl auf die USA und auf China. Konkrete Zusagen allerdings mochte kaum jemand auf dem Klimagipfel machen.
Mitgehört hat Annalena Baerbock, die Klimaexpertin der Grünen im Bundestag. Schönen guten Tag.
Mitgehört hat Annalena Baerbock, die Klimaexpertin der Grünen im Bundestag. Schönen guten Tag.
Annalena Baerbock: Schönen guten Tag.
Barenberg: Allgemein waren die Erwartungen ja tiefgesteckt, sage ich mal. Niemand hat damit gerechnet, dass wir Schritte hinbekommen in Richtung eines bindenden Abkommens. Sind Ihre geringen Erwartungen denn noch unterboten worden?
Baerbock: Ich glaube, dass das ein wichtiges Signal war, weil eigentlich hatten die Staats- und Regierungschefs oder die Minister schon letztes Jahr in Warschau angekündigt, dass man das Jahr 2014 auch zum Klimajahr schon machen wolle. Da ist jetzt lange nichts gefolgt. Die Europäische Union hat ihre Klimaziele immer wieder verschoben, sich da zu bekennen. Deswegen war es jetzt wirklich wichtig, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen jetzt noch mal eingeläutet hat, Leute, ihr müsst euch jetzt wirklich zusammensetzen und liefern.
"Druck der Zivilgesellschaft"
Barenberg: War denn die Ermahnung des UN-Generalsekretärs für Sie das herausragend Positive, oder war es doch die eine oder andere Einlassung beispielsweise aus Washington oder aus Peking?
Baerbock: Aus meiner Sicht war die Ermahnung wirklich wichtig vom Generalsekretär, und dass da knapp 120 Staats- und Regierungschefs gekommen sind, das ist ja auch ein deutliches Zeichen. Wichtig fand ich auch den Druck der Zivilgesellschaft. Dass weltweit fast 500.000 Menschen auf die Straßen gehen, das erhöht ja auch den Druck, und das war ja anlässlich dieses Gipfels. Deswegen war das ein wichtiges Signal, genauso das Zeichen auch aus der Privatwirtschaft, dass man dort bereit ist, was zu tun, denn es braucht einfach eine globale Allianz. Die Politiker allein werden das nicht regeln können.
"Da müssen konkrete politische Handlungen folgen"
Barenberg: Sie sprechen über den Druck aus der Zivilgesellschaft über das Engagement so manches Unternehmens. Aber die Erfahrung bisher heißt doch, dass all das nichts geändert hat und dass bisher noch jeder Versuch gescheitert ist, ein neues Abkommen hinzubekommen. Was wäre, was ist jetzt anders?
Baerbock: Anders zu Kopenhagen ist zumindest, dass die großen Staaten jetzt wieder bereit sind, überhaupt gemeinsam über Klimapolitik zu reden. Natürlich ist das nur ein kleiner Schritt, angesichts der Herausforderungen, denen wir gegenüberstehen, aber wir müssen diese Bekenntnisse jetzt nutzen und da müssen konkrete politische Handlungen folgen. Zum Beispiel wenn große Investitionsfirmen und Pensionsfonds sagen, sie investieren in grüne Technologien und nicht mehr in fossile Energien, dann müssen die Staats- und Regierungschefs jetzt in den nächsten Monaten folgen und auch die öffentliche Subventionierung von fossiler Energie auslaufen lassen. Solche Schritte müssen jetzt kommen. Sonst wird Paris natürlich irgendwann auch zur Farce werden, wenn es nur bei Bekenntnissen bleibt.
Signale von einzelnen Staaten
Barenberg: Was macht Sie denn da zuversichtlich? Denn eines muss man ja auch sagen: Große Worte in New York haben ja nicht beinhaltet auch konkrete Zusagen.
Baerbock: Na ja. Man muss schon mal doch dann einzelne Statements anschauen. Dass Obama zumindest jetzt zusagt, dass er auch bei seinem Kraftwerkspark was ändern muss, das ist schon mal ein Schritt in die richtige Richtung. Dass die Chinesen signalisieren, sie sind auch bereit, sich zu verpflichten, und vor allen Dingen den Ausbau der erneuerbaren Energien so massiv vorantreiben, das ist wirklich wichtig. Und dann gibt es natürlich auch so Länder, auch aus Europa, wie Dänemark, die gesagt haben, ab 2030 werden wir fossile Energien nicht mehr für unsere Energieversorgung nutzen, oder auch Finnland, das angekündigt hat, jetzt in New York, dass sie ab 2025 fossile Energien nicht mehr in Kohlekraftwerken verbrennen werden.
"Hoffnung nicht aufgeben"
Barenberg: Mancher Kritiker ist ja inzwischen so weit zu sagen, dass überhaupt der ganze Ansatz, das Thema über ein international bindendes Abkommen hinzubekommen, im Rahmen der internationalen Gemeinschaft, der Vereinten Nationen, dass dieser ganze Ansatz im Grunde gescheitert ist. Was sagen Sie solchen Kritikern?
Baerbock: Ich muss deutlich sagen, man darf die Hoffnung nicht aufgeben. Dafür ist die Klimakatastrophe einfach Gefahr genug für die Welt, als dass man jetzt den Kopf in den Sand steckt. Natürlich sind wir alle enttäuscht und ernüchtert, dass in den letzten Jahren nicht wirklich was passiert ist. Aus meiner Sicht ist es aber wahnsinnig wichtig, die Weltgemeinschaft an einen Tisch zu bringen und zumindest auf eine gemeinsame Zielrichtung zu verpflichten. Allerdings müssen nebenbei weitere Allianzen auch geschaffen werden, die sagen, wir gehen dann weiter, wenn es in Paris nicht zu dem großen Wurf kommt, dass es dann zum Beispiel auf europäischer Ebene oder auch im Zusammenschluss von klimapolitischen Akteuren, die voranschreiten wollen, Verpflichtungen gibt, dass man selber aus der fossilen Energie in einem gewissen Zeitfenster aussteigt. Deutschland könnte hier zum Beispiel einen Vorschlag machen, indem sie sagen, wir entwickeln einen Ausstiegsplan für die Kohle in Deutschland, weil das ist der massive Treiber für unsere eigenen CO2-Emissionen hier im Land.
"Affront für die Klimadiplomatie"
Barenberg: Wie beurteilen Sie die Rolle der Bundeskanzlerin und die Debatte darüber, wie wichtig oder entscheidend es jetzt war, dass sie hätte nach New York reisen sollen und eben nicht gefahren ist?
Baerbock: Aus meiner Sicht ist das fatal. Es war ein Affront für die Klimadiplomatie, aber auch gegenüber den Vereinten Nationen. Früher haben wir immer den amerikanischen Staaten vorgeworfen, dass sie die Vereinten Nationen links liegen lassen, und dass das jetzt ausgerechnet eine deutsche Bundeskanzlerin tut und da auch den Missmut des UN-Generalsekretärs auslöst, der ja aufgrund dieser Absage auch nicht zum Petersberger Klimadialog vor der Sommerpause gekommen ist, das ist aus meiner Sicht wirklich ein großer Schaden, der dort angerichtet wurde, insbesondere auch, weil Deutschland ja die Präsidentschaft der G7 jetzt innehat.
EU-Gipfel im Herbst
Barenberg: Ein Wort noch zur Position der Europäischen Union. Auch von der Seite keine konkreten Zusagen in New York, nur den Ausblick auf den EU-Gipfel im Oktober, wo man sich neue, wie Barroso sagt, ambitionierte Klimaziele stecken will. Wie zuversichtlich sind Sie, dass das passiert, denn im Osten Europas gibt es ja einige Staaten, die da Vorbehalte haben?
Baerbock: Dass Deutschland als starker Motor für mehr Klimaschutz gerade ausfällt, macht sich auch daran fest, dass die Europäische Union hier bisher noch zu keiner Entscheidung gekommen ist, dass man sich von deutscher Seite allein darauf beruft, dass man Anfang des Jahres ja einen Brief geschrieben hätte für ambitionierte Ziele, aber für die muss man jetzt natürlich auch kämpfen. Ich glaube, dass im Herbst was abgeschlossen wird. Ich befürchte nur, dass es hinter dem zurückbleibt, was eigentlich nötig wäre, nämlich ambitionierte CO2-Einsparungen und vor allen Dingen ambitionierte Ziele für Energie-Effizienz und den Ausbau der erneuerbaren Energien. Denn wenn wir sagen, wir wollen weg von fossilen Energien, dann müssen wir natürlich auch die Alternativen, nämlich die Erneuerbaren, massiv fördern und fordern, und dazu muss sich die Europäische Union im Herbst bekennen.
Barenberg: Die Klimaexpertin der Grünen im Bundestag heute hier live im Deutschlandfunk. Vielen Dank, Annalena Baerbock, für das Gespräch.
Baerbock: Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.