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UNO-Klimaschutzbericht
"Wir sind auf einem ganz schlechten Pfad"

Der Klimabericht 2016 des UNO-Umweltprogramms zeigt: Weltweit gibt es große Defizite, was die Reduktion von Treibhausgasen angeht. China sei inzwischen Spitzenreiter in der CO2-Emission und auch Deutschland werde sein gestecktes Ziel nicht erreichen, erklärte Mojib Latif vom Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung im DLF.

Mojib Latif im Gespräch mit Susanne Kuhlmann |
    Die Sonne taucht den Himmel hinter dem Kohlekraftwerk Mehrum in Hohenhameln im Landkreis Peine (Niedersachsen) in warmes Licht.
    Im Klimaschutzbereich gibt es noch viel zu tun. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Susanne Kuhlmann: Der Klimabericht des Umweltprogramms der Vereinten Nationen wird gerade in London vorgestellt. Er ist so eine Art Zeugnis für Staaten und bewertet, wie weit sie in Sachen Klimaschutz gekommen sind beziehungsweise in welchen Bereichen sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben. Beschrieben wird im Bericht nämlich die Lücke zwischen Ankündigung und Umsetzung.
    Am Telefon in Kiel begrüße ich Professor Mojib Latif vom Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung. Hallo, Herr Latif.
    Mojib Latif: Ja, hallo!
    Kuhlmann: Einen solchen Bericht veröffentlicht das UN-Umweltprogramm seit Jahren. Welche Defizite sind es denn, die den Verfassern auffallen?
    Latif: Es sind natürlich ganz große Defizite. Wenn wir einfach die letzten Jahre betrachten, sehen wir, dass wir doch auf einem ganz schlechten Pfad sind. Wir haben massive Zuwächse in den Treibhausgas-Emissionen gehabt. Seit Beginn der 1990er-Jahre ist der weltweite CO2-Ausstoß um ungefähr 60 Prozent gestiegen. Das ist eine Menge und wir hatten ja in Paris jetzt die 21. Weltklimakonferenz und dort hat man sich jetzt verpflichtet, so etwas wie einen gefährlichen Klimawandel zu vermeiden, das heißt deutlich unter zwei Grad Erderwärmung gegenüber der vorindustriellen Zeit zu bleiben.
    Kuhlmann: Und zumindest eine Reihe von Ländern hat ja auch das Gegenteil von Anstieg versprochen, nämlich Reduktion. Bei welchen Staaten ist die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit denn besonders groß?
    Latif: Das hängt jetzt immer von der Betrachtung ab. Wenn wir uns einfach mal die ganz großen Verursacher von CO2 angucken, das sind vier Länder beziehungsweise Ländergruppen, die ungefähr 60 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen auf sich vereinigen. Da ist zunächst einmal China, Spitzenreiter inzwischen mit über einem Viertel der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. China hat sich zusichern lassen in Paris, dass es seinen Höhepunkt erst 2030 erreichen muss. Das heißt, hier ist jetzt kurzfristig nicht unbedingt was zu erwarten.
    Dann die Amerikaner, die US-Amerikaner sind mit 15 Prozent dabei. Dort gehen die Treibhausgas-Emissionen ganz langsam zurück, aber sehr schön gerade im Hinblick auf die Chinesen, wenn in Amerika mehr passieren würde, denn sonst haben die Chinesen immer die Ausrede, dass sie auch nichts tun müssen, weil die Amerikaner so wenig tun. - Dann kommt die EU insgesamt, EU28 mit zehn Prozent, und Indien mit sieben Prozent. Bei uns in der EU fallen tatsächlich auch die CO2-Emissionen. Ich nehme mal das Beispiel Deutschland; wir sind ungefähr bei 27 Prozent Reduktion gegenüber 1990. Aber wir wollten eigentlich 40 Prozent schaffen bis zum Jahr 2020, und das ist kaum noch möglich.
    "Wer sich schwertut, sind die Südeuropäer"
    Kuhlmann: Gibt es denn, um im Zeugnisbild zu bleiben, doch das eine oder andere Land, was vielleicht als Musterschüler auffällt?
    Latif: Ja. Es haben tatsächlich viele Länder ihren Ausstoß reduziert, jetzt nicht nur Deutschland. Wenn ich die osteuropäischen Länder nehme, die jetzt beispielsweise Mitglied der EU geworden sind, die haben natürlich diese ganz, ganz alte Technologie ersetzt durch hoch moderne Technologie. Die haben sehr, sehr viel reduziert, wenn ich an Litauen denke, wenn ich an Lettland denke und so weiter.
    Wer sich schwer tut sind die Südeuropäer, Griechenland, Italien und so weiter, und insofern gibt es hier so einen bunten Mix. Auch die Engländer: Großbritannien hat sich sehr gut geschlagen, muss man sagen, und hat tatsächlich noch mehr reduziert als die Deutschen.
    Kuhlmann: Heute Vormittag wurde in London der Klimabericht des UN-Umweltprogramms vorgestellt. Was er bewirken kann, erläuterte Professor Mojib Latif von der Universität Kiel. Ihnen vielen Dank dafür.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.