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UNO-Kriegsverbrechertribunal
Mladic will Berufung einlegen

Der frühere bosnisch-serbische Militärchef Mladic legt Berufung gegen seine Verurteilung wegen Völkermords und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein. Das teilten seine Verteidiger mit. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal für das frühere Jugoslawien hatte den 75-Jährigen zu lebenslanger Haft verurteilt.

    Das vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien zur Verfügung gestellte Videostandbild zeigt den serbischen Ex-General Mladic bei der Urteilsverkündung.
    Das Videostandbild zeigt den serbischen Ex-General Mladic bei der Urteilsverkündung in Den Haag. (dpa / ICTY/AP)
    Die Richter verurteilten Mladic wegen des Völkermords in Srebrenica 1995 und Kriegsverbrechen in mehreren Fällen. Sie sprachen ihn in zehn der elf Anklagepunkte schuldig und folgten mit dem Strafmaß dem Antrag der Staatsanwaltschaft.
    Die Verteidiger hatten auf Freispruch in allen Punkten oder höchstens 15 Jahre Haft plädiert. Sie kündigten an, die Entscheidung anzufechten. Sie sei ungerecht und widerspreche den Tatsachen. Mladics Sohn erklärte: "Heute wurde Gerechtigkeit durch Kriegspropaganda ersetzt."
    Mladic protestiert im Gerichtssaal
    Mladic wurde während der Urteilsverkündung aus dem Gerichtssaal entfernt, nachdem er lautstark protestiert hatte. Die Verteidigung hatte zuvor erfolglos gefordert, die Urteilsverkündung abzukürzen, weil der Blutdruck des Angeklagten gefährlich hoch sei. Das Gericht setzte die Verlesung des Urteils ohne Mladic fort.
    Der Vorsitzende Richter Alphons M.M. Orie erklärte, Mladic habe sich an vier Gesamtverbrechen beteiligt: Erstens an der permanenten Vertreibung von Moslems aus Serbien, zweitens Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung in Sarajewo zu verbreiten, drittens an der Auslöschung von Moslems aus Srebrenica und viertens an der Geiselnahme von UNO-Personal, um Nato-Luftschläge zu verhindern. Dies gelte als Kriegsverbrechen. Mladic habe in allen vier Punkten die Befehlsgewalt innegehabt.
    Das Memorial Center von Potocari bei Srebrenica.
    Das Memorial Center von Potocari bei Srebrenica. (AFP/Dilkoff)
    In der damaligen UNO-Schutzzone Srebrenica hatten serbische Einheiten etwa 8.000 muslimische Männer und Jungen ermordet. Serbische Streitkräfte hätten Häuser verbrannt und Menschen vertrieben, führte Richter Orie aus.
    "Ständige Not"
    Die Stadt Sarajewo war 44 Monate lang belagert worden. Dabei waren nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen 10.000 Menschen getötet worden. Die Menschen von Sarajewo seien gewzungen worden, unter ständiger Not zu leben. Sie hätten sich stets fragen müssen, ob sie bei Verlassen des Hauses unter Beschuss geraten könnten, sagte Orie.
    Demonstranten halten vor dem Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag ein Plakat mit dem Bild von Ratko Mladic und der Aufschrift "Schuldig in allen Punkten" hoch.
    Demonstranten forderten vor dem Gebäude des Internationalen Strafgerichtshofs für das ehemalige Jugoslawien die Verurteilung von Ratko Mladic. (AFP / John Thys)
    500 Zeugen und 10.000 Beweisstücke
    Mladic war 1995 angeklagt und 2011 nach 16 Jahren Flucht festgenommen worden. Der Prozess begann 2012. In dem Verfahren über wurden über 500 Zeugen gehört und 10.000 Beweisstücke geprüft. Es ist das letzte Völkermord-Urteil des Gerichts, das nach 24 Jahren zum Jahresende seine Arbeit abschließt.
    Die Bundesregierung begrüßte das Urteil. Der Richterspruch sei ein "wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung der grausamen Verbrechen, die in den 1990er-Jahren im ehemaligen Jugoslawien verübt wurden", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. Die Bundesregierung werde sich weiterhin für die Stärkung des Völkerrechts und des Völkerstrafrechts einsetzen.
    Südosteuropa-Experte: Bisher keine Aufarbeitung
    Nach Einschätzung des Südosteuropa-Experten Florian Bieber wird das Urteil nicht zur Aufarbeitung der Geschichte beitragen. Er sagte im Deutschlandfunk, die Narrative über die Vergangenheit seien in beiden Teilen Bosniens sehr unterschiedlich. Im serbischen Bosnien werde immer wieder betont, dass Mladic ein Held gewesen sei. Die Entscheidung in Den Haag werde entweder für die Bestätigung der eigenen Opferrolle oder als Beispiel für die Ungerechtigkeit gegen das eigene Land genutzt.
    Der Leiter des Südosteuropa-Zentrums an der Universität Graz betonte, das Urteil trage lediglich dazu bei, die Fakten zu bestätigen und bei einer möglichen Aufarbeitung in der Zukunft zu helfen. Diese werde aber noch dauern, weil die jungen Menschen heute teilweise nationalistischer eingestellt seien als ihre Eltern.
    (fwa/hba/jasi)