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UNO-Sicherheitsrat zu Aleppo
Nur Vorwürfe, keine Lösungen

Der UNO-Sicherheitsrat hat in einer Dringlichkeitssitzung keine Einigung auf eine Resolution für eine Feuerpause in Aleppo erzielt. In der Stadt im Norden Syriens gehen die Kämpfe weiter, Zehntausende sind auf der Flucht. Russland kündigte eine Fortsetzung der Angriffe an.

    Syrische Familien auf der Flucht aus Ost-Aleppo - im Hintergrund sind zerstörte Gebäude zu sehen.
    Syrische Familien auf der Flucht aus Ost-Aleppo (dpa / picture-alliance / Aleppo Media Center / Handout)
    Vertreter mehrerer Länder forderten im Sicherheitsrat, eine zehntägige Feuerpause durchzusetzen, um humanitäre Helfer in die Stadt zu lassen. Zivilisten müssten umgehend eine Pause vom Bombenhagel bekommen, sagte etwa Großbritanniens UNO-Botschafter Matthew Rycroft. Russlands Botschafter Witali Tschurkin machte in New York klar, dass seine Regierung eine Initiative Frankreichs und Großbritanniens für eine Waffenruhe ablehnen werde. Er sagte, dass der Westen solche humanitären Fragen nur als Vorwand nutze, um seine politische Agenda für einen Regimewechsel in Syrien voranzutreiben. "Ohne unsere Sorgen zu berücksichtigen, wird keine Resolution verabschiedet werden", sagte Tschurkin.
    Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte später eine Fortsetzung der Angriffe und die "Rettung Aleppos vor den Terroristen" an. Vertreter mehrerer Länder machten Russland daraufhin allein für die Unfähigkeit des Rats verantwortlich, die Gewalt in Aleppo zu stoppen, berichtet Georg Schwarte im Deutschlandfunk. Es gebe nur Vorwürfe, keine Lösungen. Russland ist in dem Krieg Verbündeter des Regimes von Präsident Baschar al-Assad.
    "... sonst werdet ihr vernichtet"
    Ohne Gegenmaßnahmen könne sich Aleppo in "einen gigantischen Friedhof" verwandeln, sagte UNO-Nothilfekoordinator Stephen O'Brien bei der Sitzung am Mittwoch. Der Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, sprach angesichts verstärkter Luftangriffe auf den Ostteil der Metropole von einer "humanitären Tragödie", die sich verschlimmere.
    Lotte Leicht, Direktorin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtet von abgeworfenen Flugblättern über Aleppo, deren Urheber Assads Regime und Russland sein sollen. Auf ihnen ist demnach zu lesen: "Wenn ihr diese Gebiete nicht sofort verlasst, werdet ihr vernichtet. Ihr wisst, dass Euch alle aufgegeben haben. Sie haben euch eurem Schicksal überlassen."
    Dutzende getötet, Zehntausende auf der Flucht
    Wegen der Kämpfe in den Rebellenvierteln und den Luftangriffen wurden allein in den vergangenen Tagen fast 70.000 Menschen vertrieben, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London meldete. Mindestens 26 Zivilisten, darunter mehrere Kinder, starben ihren Angaben zufolge in Ost-Aleppo durch Artilleriebeschuss. Dutzende wurden verletzt. In den vergangenen Tagen hätten mehr als 30.000 Zivilisten in Gebieten unter Kontrolle kurdischer Einheiten Zuflucht gesucht, etwa 20.000 in Vierteln des Regimes. Mehr als 15.000 Zivilisten seien zudem in andere Rebellenviertel im Südosten Aleppos geflohen.
    Zahlreiche syrische Familien fliehen vor den Kämpfen und Luftangriffen aus dem Ostteil der syrischen Stadt Aleppo.
    Zahlreiche syrische Familien fliehen vor den Kämpfen und Luftangriffen aus dem Ostteil der syrischen Stadt Aleppo. (AFP / George Ourfalian)
    Rettungshelfer berichteten, bei dem Beschuss des Stadtteils Dschubb al-Kubba seien 45 Menschen getötet worden. Bei den Opfern handele es sich um Zivilisten, die in Stadtteile unter Kontrolle der Regierung fliehen wollten, sagte Abdel Rahman Hassan von der Organisation Weißhelme. Fotos der Helfer zeigten Leichen, die neben Gepäckstücken auf der Straße lagen.
    Selten bekommen die Opfer des Krieges ein Gesicht in der Öffentlichkeit. Anders ist das bei der siebenjährigen Bana. Die twittert mit einem von ihrer Mutter bedienten Account aus dem Osten Aleppos, wie Anna Osius berichtet. In ihren Tweets beschreibt sie ihre Sehnsucht nach Frieden und nach einfachen Wünschen wie dem Lesen eines Harry-Pooter-Buchs. Die Echtheit solcher Tweets ist schwer zu überprüfen - Twitter selbst verifizierte aber den Account.
    Erbitterter Kampf um Aleppo
    Vor der aktuellen Offensive lebten nach Schätzungen der Vereinten Nationen rund 250.000 Menschen in den Rebellengebieten im Osten der Stadt. Die neben Damaskus größte Stadt des Landes gehört zu den am stärksten umkämpften Gebieten im fast sechs Jahre dauernden Bürgerkrieg.
    Karte von Aleppo mit den von syrischen Regierungstruppen zurückeroberten Gebieten.
    (nch/jcs)