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"Uns fehlen die Mittel - auch deshalb müssen wir aufhören"

Seit Jahren arbeiten Tübinger Wissenschaftler in den Grabungsstääten von Troja. Auf Meldungen, die Türkei habe dem deutschen Team die Grabungsgenehmigung entzogen, reagiert Grabungsleiter Ernst Pernicka gelassen. Man sei ohnehin nur noch mit auswertenden Arbeiten beschäftigt, sagt er.

Ernst Pernicka im Gespräch mit Michael Köhler |
    Michael Köhler: Meldungen von gestern Abend schrecken uns auf, die sagen, die Türkei habe Tübinger Wissenschaftlern die Grabungsgenehmigungen in der Ruinestadt Troja entzogen. Ich habe Professor Ernst Pernicka gefragt, er ist seit mehreren Jahren Grabungsleiter des Tübinger Teams: Seit 2008 konnten die Grabungen in der Westtürkei ja ungehindert fortgesetzt werden. Nun also offenbar die Verweigerung der Lizenz. Klären Sie uns auf: Wer schränkt denn da wen auf welche Weise ein?

    Ernst Pernicka: Wir haben wie jedes Jahr Ende des letzten Jahres eine Grabungsgenehmigung zu Untersuchungen in Troja eingereicht. Das ist der übliche Vorgang, und in diesem Jahr haben wir die Genehmigung wie in den letzten Jahren auch relativ spät erhalten und anders als in den letzten Jahren ist eine Einschränkung damit verbunden gewesen, nämlich dass die Genehmigung nur für Konservierungs- und Restaurierungsarbeiten gilt sowie für auswertende Arbeiten.

    Ich möchte dazu sagen, dass für uns diese Einschränkung dieses Jahr nicht gravierend ist – aus zwei Gründen. Erstens einmal haben wir in den letzten Jahren ohnehin das Schwergewicht unserer Tätigkeit in Troja auf auswertende Arbeiten gelegt, weil wir ja planen, eine Gesamtpublikation der Ausgrabungen unter Manfred Korfmann vorzulegen. Der erste Band ist schon nahezu fertig und da werden jetzt halt noch abschließende Untersuchungen zum Beispiel an Keramik, an Knochen und sonst wie durchgeführt. Also so gesehen ist das nicht schlimm.

    Zweitens haben wir auch erstmals eine vergleichsweise kleine, aber doch immerhin eine Geldzuwendung vom Auswärtigen Amt für Restaurierungsarbeiten erhalten, weil die Genehmigung übrigens wie jedes Jahr auch mit Auflagen verbunden war, was Restaurierung anbelangt. Also das ist eine gesetzliche Verpflichtung, die alle Ausgräber haben, solche Arbeiten durchzuführen.

    Köhler: Herr Professor Pernicka, der Umfang der Erlaubnisse, um es mal sehr liberal und vorsichtig zu sagen, der ist doch eingeschränkt worden. Erklären Sie mir, woran das liegt? Ist das ein Kräftemessen zwischen Deutschland und der Türkei, eine Machtprobe, weil die auch eigene Pläne für ein Museum der Zivilisationen haben? Oder wollen sie dem Anspruch auf Herausgabe von Kunstgegenständen damit Nachdruck verleihen? Was für ein politisches Signal geht davon aus?

    Pernicka: Da kann ich eben auch nur interpretieren oder gar spekulieren. Für uns kommt diese eingeschränkte Genehmigung nicht ganz überraschend, denn Anfang Juni wurden alle deutschen Ausgrabungsleiter nach Ankara eingeladen, wo von den türkischen Kulturbehörden darauf hingewiesen wurde, dass zu wenig Restaurierungsarbeiten vorgenommen worden wären. Wir haben das alle doch als etwas einseitig dargestellt empfunden, weil es sind ja tatsächlich an vielen deutschen Ausgrabungen, aber auch an anderen erhebliche Anstrengungen unternommen worden für Restaurierung und Konservierung. – Okay.

    Aber bei dieser Gelegenheit hat der Staatssekretär schon von der Möglichkeit gesprochen, dass Genehmigungen eben nur eingeschränkt erteilt werden könnten. Also so gesehen kommt es nicht ganz überraschend. Es wurde dort nicht ein sachlicher Zusammenhang mit den Restitutionsforderungen oder irgendwelchen anderen politischen Problemen hergestellt, also ich kann das so nicht bestätigen, aber man kann das so interpretieren. Das geht jetzt aber über meine Kompetenz hinaus.

    Köhler: Professor Pernicka, ich erwische Sie mehr oder weniger auf gepackten Koffern.

    Pernicka: So ist es.

    Köhler: Fahren Sie in die Türkei?

    Pernicka: Ja.

    Köhler: Zum letzten Mal?

    Pernicka: Sicher nicht zum letzten Mal in die Türkei, aber ich werde das letzte Mal die Kampagne in Troja leiten und wir führen die Kampagne so wie geplant durch, vom 23. Juli bis 7. September. Also so gesehen ändert sich für uns eigentlich wenig, außer dass wir die ohnehin sehr kleine Grabungsaktivität, die wir vorgeschlagen haben, nicht durchführen können.

    Dies ergibt sich auch daraus, dass wir ohnehin oder ich zumindest ein Ende meiner Tätigkeit eingeplant habe, weil uns auch die finanziellen Mittel dafür ausgehen. Das heißt, wir müssen ja sozusagen eine Basisfinanzierung haben für diese, noch einmal, nach türkischem Gesetz vorgeschriebenen Restaurierungsarbeiten und dann kämen noch die Forschungsarbeiten dazu. Dafür fehlen uns jetzt die Mittel und deshalb müssen wir auch aufhören.

    Köhler: Also ich verstehe abschließend zusammengefasst recht: Trotz der Einschränkung der Grabungsgenehmigung fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit nicht beengt, weil Sie dieses Jahr ohnehin vorhatten, nur auswertende Tätigkeiten vorzunehmen? Ist das so richtig?

    Pernicka: Vorrangig auswertende Arbeiten. Wir hatten schon noch vor, in der Unterstadt, wo wir letztes Jahr begonnen haben, eine frühbronzzeitliche Bebauung zu erforschen, das in kleinem Umfang fortzusetzen. Aber wie gesagt, das wäre nur ein kleiner Umfang gewesen, und es ist nicht so, dass wir jetzt eine wesentliche Einschränkung erfahren. Für die Zukunft muss man sehen, wie das weitergeht.

    Köhler: …, sagt Ernst Pernicka, Grabungsleiter des deutschen Teams in Troja, zu den Einschränkungen der Grabungslizenz.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.