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Unscheinbarer Helfer

Paläoklimatologie. - Einer der Ansatzpunkt von Klimakritikern ist das Klima vor 150, 160 Millionen Jahren. Damals liefen Saurier über die Erde, und der Kohlendioxidgehalt in der Luft war unglaublich hoch – aber die Temperaturen auf der Erde blieben vergleichsweise moderat, es war kaum wärmer als heute. Daraus schließen die Kritiker: Über geologische Zeiträume hinweg muss es neben dem CO2 noch andere Faktoren geben, die das Klima antreiben. Nun sieht es so aus, als ob das kleine Lebermoos, diese Kritik entkräften könnte.

Von Dagmar Röhrlich | 04.01.2008
    Entlang der Bäche – da, wo es feucht ist – halten sich die Lebermoose mit ihren kleinen, rundlichen Blättern immer dicht am Boden. Man übersieht sie leicht, und dennoch könnten sie einen heftigen Streit entscheiden, meint Klaus Wallmann vom IFM Geomar in Kiel:

    "Es gibt eine große Debatte in der Paläoklimaforschung darüber, ob auf diesen langen Zeitskalen das CO2 das Klima reguliert oder andere Prozesse wichtiger sind."

    Entzündet hatte sich diese Debatte an einer Periode vor rund 150 Millionen Jahren zur Hochzeit der Saurier, als der Jura zu Ende ging und die Kreide begann, erklärt Benjamin Fletcher von der University of Sheffield, der Hauptautor der Studie. Das Problem:

    "”Es ist sehr schwierig, über Jahrmillionen hinweg den Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre zu bestimmen. Mit den Luftblasen, die in das Eis der großen Gletscher von Grönland oder der Antarktis eingeschlossen worden sind und in denen wir das Kohlendioxid direkt messen, kommen wir nur ein paar hunderttausend Jahre zurück. Weiter zurück in die Erdgeschichte zu schauen ist schwierig. Wenn es um Jahrmillionen geht, versuchen wir seit 10, 20 Jahren unter anderem mit fossilen Böden weiterzukommen. Die aber scheinen anzuzeigen, dass der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre damals extrem hoch gewesen sein muss.""

    Bis zu zehn Mal so viel Kohlendioxid wie heute soll in der Atmosphäre gewesen sein. Modellrechnungen zufolge hätte sich die Erde unter solchen Bedingungen für 100 Millionen Jahre in ein stabiles, heißes "Supertreibhaus" verwandelt haben müssen. Die Steine verraten jedoch, dass das Klima sehr veränderlich war. Es gab Wüsten, Kohlesümpfe, Salzseen – aber auch Gletscher. Mal war es ein paar Millionen Jahre lang wärmer, mal recht kühl. Hat das Kohlendioxid also einen Gegenspieler, der es austricksen kann? Oder stimmt etwas nicht? Um dahinter zu kommen, suchten die Geologen intensiv nach anderen Informationsquellen über den Kohlendioxidgehalt in der Luft. Und vielleicht haben sie sie gefunden. Fletcher:

    "”Wir benutzen fossile Lebermoose, um zu berechnen, wie hoch der Kohlendioxidgehalt in der Luft vor Hunderten von Millionen Jahren war. Denn unsere Laborexperimente hatten gezeigt, dass die urtümlichen Lebermoose so einfach funktionierende Pflanzen sind, dass sie den CO2-Gehalt genau widerspiegeln, wenn sie durch die Photosynthese ihre Biomasse aufbauen. Im nächsten Schritt haben wir fossile Lebermoose untersucht. Und sie gaben uns tatsächlich eine Vorstellung davon, wie viel CO2 in der Atmosphäre war.""

    Und das Ergebnis für die strittige Zeit: Auch als die Saurier über die Erde liefen hat das Klima so funktioniert wie momentan auch – das Kohlendioxid war auch damals die treibende Kraft. Fletcher:

    "”Unseren Messungen zufolge lag der Kohlendioxidgehalt im späten Jura und in der frühen Kreidezeit zwischen 500 und 1200 ppm, also höchstens dreimal höher als heute – und nicht sechs, sieben oder zehn Mal so hoch.""

    Diese moderateren Werte passen wesentlich besser ins Bild, bestätigt Klaus Wallmann, der als Spezialist für geologische Schwankungen im Kohlendioxidgehalt die Arbeit seiner Kollegen einordnet:

    "Dieser Streit hat sich jetzt erledigt, denke ich, weil eben die CO2-Werte jetzt viel besser zu den Klima-Archiven passen. Wir haben jetzt moderate CO2-Werte und nicht mehr extrem hohe, und die passen jetzt viel besser zu den anderen, unabhängigen Beobachtungen zu dem Erdklima dieser Zeit."

    Ob das "Lebermoosarchiv" nun wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, das müsse sich erst noch erweisen. Dazu sind noch sehr viel mehr Messungen notwendig als derzeit vorliegen. Aber es sieht gut aus: Denn die Daten der Lebermoosfossilien stimmen mit den Temperaturdaten aus den Kalksteinarchiv aus dem Meer überein.