Archiv


Unser Lebensstil macht uns krank

285 Millionen Menschen leiden weltweit an Diabetes Typ 2. Auch jüngere Menschen sind betroffen, Auslöser ist oft der Lebensstil. Dabei lässt sich der relativ leicht ändern.

Von Hartmut Schade |
    Manchmal sind es kleine Dinge, die Veränderungen auslösen. So verschenkten neuseeländische Mediziner einen Schrittzähler und verlangten von ihren Patienten, jeden Tag 10.000 Schritte zu gehen, erzählt Professor Peter Schwarz, der Präsident des Weltkongresses für Diabetesprävention.

    "Am Anfang glaubte jeder, das funktioniert nicht. Nach einem Jahr stellte man fest, dass die Menschen fast acht Kilogramm an Gewicht abgenommen haben."

    Ein Ansatz auch für Deutschland. Schließlich sind die Deutschen beim Übergewicht Weltspitze. Doch ausgerechnet in der Bundesrepublik gibt es kein nationales Präventionsprogramm, bedauert der Jenaer Diabetologe Dr. Hans Martin Reuter:

    "Leider ist es uns in Deutschland noch nicht gelungen, einen nationalen Diabetespräventionsplan aufzustellen. 14 Länder haben ihn schon, 13Länder fehlen noch. Es wäre notwendig, absolut, bei der steigenden Zahl von Diabetikern, dass wir da dringend etwas tun."

    Hans Martin Reuter ist deshalb in "diabetesDE" aktiv. Einem 2009 gegründeten Zusammenschluss von Ärzten und Patientenorganisationen mit dem Ziel, Aufklärung, Beratung und Therapien in Deutschland zu fördern.

    In den letzten zwei Jahrzehnten ist Diabetes zu einem weltweiten Phänomen geworden. Ob Lagos, Schanghai oder Mumbai – die Zahl der Diabetiker ist auch in den Entwicklungsländern explodiert. In den Städten wohlgemerkt. Den hart schuftenden afrikanischen Kleinbauern oder chinesischen Kuli trifft sie kaum. Was die alte Erkenntnis bestätigt: Typ-2-Diabetes ist hauptsächlich eine Lifestyle-Krankheit. Für Professor Stefan Bornstein von der Uniklinik Dresden greift deshalb die Fokussierung auf Gewichtsreduktion zu kurz:

    "Wir betrachten bisher zu wenig den Arbeitsplatz, wir betrachten bisher zu wenig die Komponente Stress. Der moderne Diabetes ist auch eine Form einer Stresserkrankung. Wir sehen ja nicht nur eine Epidemie des Diabetes. Wir sehen gleichzeitig eine Epidemie von Depressionen und mentalen Erkrankungen. Und das müssen wir gemeinsam betrachten. Dabei sehen wir, wie bestimmte Maßnahmen am Arbeitsplatz oder eben mit Yoga, mit körperlicher Ertüchtigung, auf den Körper in der Gesamtheit günstig einwirken."

    Entspannung, Bewegung, Abnehmen – das Arsenal der Präventionsmaßnahmen ist seit Jahren bekannt und trotzdem zeitigt der Kampf gegen Diabetes keinen Erfolg. Die in Dresden versammelten Mediziner waren trotzdem optimistisch, denn der erfolgreiche Antitabakkampf zeigt, dass auch Lebensstilfaktoren verändert werden können. Der Jenaer Diabetologe Dr. Hans Martin Reuter meint:
    "Man braucht eine emotionale Grundlage. Die emotionale Grundlage hat man im Arztgespräch oder im Schwesterngespräch. Ich denke auch, viele Patienten haben Angst davor. Das ist auch ganz natürlich. Das muss man am bestem im Gespräch bekämpfen."

    Und aufklären. Auch mit ungewöhnlichen Mitteln wie einem Diabetesrisikofragebogen auf der Milchpackung.
    "Die Leute nehmen jeden Tag eine Milchtüte in die Hand. Das erste Mal lesen sie es nicht, das zweite Mal lesen sie es nicht. Nach der fünften Milchtüte stellt man fest, da steht noch was anders drauf als der Inhalt. Und nach der zehnten sagt man vielleicht, na ich probier es mal aus, ich fülle das mal aus. Das ist ein Weg, neben vielen anderen, vielleicht hier ein Bewusstsein zu schaffen."

    Die eine Lösung gibt es dabei nicht, sondern viele Ansätze. Sei es Kindern die Mitgliedschaft im Sportverein zu finanzieren wie in Sachsen, sei es Kochen mit Schülern und Eltern in Berlin. Diabetesprävention fängt im Kopf und in der Kindheit an. Für den Präsidenten des Weltkongresses, Peter Schwarz, besteht Diabetesprävention aus einem Dreischritt.
    "Gesunde Bewegung, gesunde Ernährung. Aber ganz entscheidend: in Schulungsgruppen die Vermittlung von Motivation, den Lebensstil zu ändern. Die Motivation ist 90 Prozent des Erfolges. Wenn ich es schaffe, langfristig und in kleinen Schritten etwas zu ändern, dann habe ich Erfolg."