"Abschalten, abschalten jetzt. Ferment Fessenheim!"
Seit Jahrzehnten kämpft die Anti-Atom-Bewegung hüben und drüben des Rheins für die sofortige Stilllegung des Kernkraftwerkes Fessenheim. Ebenso lange schon bleibt die EDF, die Electricité de France von diesen Protesten unbeeindruckt. Dann aber schaltet sich der scheidende sozialistische Präsident François Hollande in die Debatte ein und verspricht:
"Fessenheim ist das älteste französische Kernkraftwerk, es wird Ende 2016 geschlossen."
Das Versprechen wird immer wieder erneuert und vor zwei Jahren mit dem Energiewendegesetz untermauert. Das Gesetz soll erneuerbaren Energien den Weg ebnen und beschränkt die Erzeugung von Atomstrom auf höchstens 63,2 Gigawatt pro Jahr. Konkret bedeutet das, wenn in Frankreich neue Atomreaktoren ans Netz gehen, dann muss irgendwo anders ein Meiler abgeschaltet werden, sonst wird zu viel Atomstrom produziert. Und wenn Block Drei des europäischen Druckwasserreaktors in Flamanville am Ärmelkanal endlich fertig gestellt ist - der Bau hatte sich immer wieder verzögert - dann ist es soweit, erläutert der Vorstandvorsitzende der EDF, Jean -Bernard Lévy, in einem Interview mit Radio France:
"So wie das Gesetz 2015 vom Parlament verabschiedet worden ist, kann Fessenheim nicht weiter produzieren, wenn Flamanville ans Netz geht. EDF hält sich an die Gesetze, und wenn sich daran nichts ändert, dann wird Fessenheim 2018 geschlossen."
Wirtschaftsfaktor Atomkraftwerk
Die 850 Beschäftigten des Kernkraftwerkes wollen die Schließung nicht hinnehmen: "Non a la fermeture."
Sie hoffen ebenso wie der Bürgermeister der Gemeinde Fessenheim, Claude Brender, dass EDF morgen noch keine endgültige Entscheidung trifft, sondern die französischen Präsidentschaftswahlen Ende des Monats abwartet.
"Wir haben noch Hoffnung auf die Präsidentschaftswahlen, dann kann vielleicht das Gesetz wieder geändert werden, damit Fessenheim weiter laufen kann."
Bredner ist verzweifelt, denn das Atomkraftwerk sichert der Gemeinde das Überleben. Drei Viertel der Einnahmen der Gemeinde stammten vom AKW und wenn das Kernkraftwerk schließe, dann sähe es düster aus in seinem fein herausgeputzten Dorf:
"Wenn das AKW zumacht, dann verlieren wir ein Drittel unserer Einwohner, und dann können sie sich vorstellen, was das für Konsequenzen hat für die Geschäfte, für die Schulen, den Kindergarten. Das ist ein starkes Problem."
EDF-Mitarbeiter werden wohl an anderen Standorten des Energieversorgers weiter beschäftigt werden können, aber sie nehmen ihre Familien mit, und die Geschäfte verlieren einen großen Teil ihrer Kunden. Der Apotheker sperrt die Pharmazie zu, wenn es mit dem Kernkraftwerk nicht weiter geht, und auch die Bäckerei ist skeptisch, ob sie überleben wird:
"Wir haben viele Kunden von dort und es wird leer hier, wenn sie nicht mehr kommen."
Der Tag der Entscheidung
François Hollande, der scheidende Präsident, ist offenbar gewillt, sein politisches Versprechen umzusetzen und die Stilllegung des Kernkraftwerkes fest zu zurren, bevor er die politische Bühne verlässt. Auch deshalb hat die Regierung mit EDF großzügige Bedingungen ausgehandelt, die dem Energieversorger die Entscheidung erleichtern sollen. Dazu zählt, die Verlängerung der Baugenehmigung für den Druckwasserreaktor in Flamanville, die Wiederinbetriebnahme eines weiteren Reaktors, der bereits eingemottet war und eine Entschädigungsleistung in Höhe von 490 Millionen Euro. Dafür hat die EU-Kommission in der vergangenen Woche grünes Licht gegeben. Die Atomkraftgegner hoffen, dass es bei diesem Szenario bleibt und dass EDF morgen die Schließung des Kernkraftwerkes Fessenheim formal einleitet. Das sei längst überfällig, findet der Sprecher des Bündnisses von Stop Fessenheim, André Hatz.
"Fessenheim il faut la fermer, Fessenheim abschalten, jetzt, gleich!"
Anmerkung der Redaktion: Im Vorspann des Textes wurde die Entfernung des Atommeilers von der Landesgrenze korrigiert.