Alle Zonen dieses Werks, angefangen von der Musik, stammen aus kriegerischen Zeiten, in denen es gleichwohl darauf ankam, die Aggression als gerecht oder gar göttlich motiviert erscheinen zu lassen und die Zunft der Militärs als einen ehrbaren Stand. In den Jahren, in denen die Textvorlage entstand – Torquato Tassos Gerusalemme liberata – tobte der Achtzigjährige Krieg. Das Drama Philippe Quinaults entstand am Vorabend des zu einem ersten Weltkrieg sich ausweitenden Pfälzischen Raubkriegs, bei dem unter anderem französische Truppen die Länder rechts und links des Rheins verwüsteten. Schon die "bewaffnete Pilgerfahrt" der abendländischen Adligen und Ritter nach Palästina an der Wende zum 12. Jahrhundert, heute bekannt unter dem Arbeitstitel "Erster Kreuzzug", verlief vor und nach der Eroberung Jerusalems nicht ganz unblutig. Bei Gelegenheit dieser Invasion christlicher Kämpfer, so die Fama, soll sich die wundersame Geschichte der Armida zugetragen haben.
Sie deklinierte das bereits aus dem apokryphen Buch Judith bekannte Motiv des Mordes beim Beischlaf nochmals durch. Die orientalische Prinzessin umgarnt auftragsgemäß den Ritter Renaud, der aus religiösem Fanatismus und Abenteuerlust nach Palästina kam. Mit ihren Zauberkünsten bekommt sie ihn in ihre Gewalt und will diesen besonders gefürchteten Feind umbringen. In dem Augenblick aber, in dem sie den Dolch zückt, stellt sich jäher Gesinnungswandel ein: Sie will nun lieber seine Liebe als seinen Tod. Das Pendel der Gefühle schlägt dann wieder nach der anderen Seite aus, als der unzuverlässige Liebhaber Renaud von seinen Raufbrüdern zur christlichen Vernunft gebracht und zum Verlassen der schönen Geliebten veranlasst wird.
Die Partitur zu "Armide" hielt Christoph Willibald Gluck für seine bedeutendste musikalische Leistung. Für ihre Vitalisierung engagiert sich Ivor Bolton mit dem bestens disponierten Nederlands Kamerorkest – sehr homogen und insgesamt untadelig agieren die Streicher, der Bläsersatz ist im Verhältnis dazu klug und umsichtig disponiert. Mit Karin Strobos und Ana Quintans verfügt Armide über zwei adrette Zaubergehilfinnen, die mit ihrem hellen Gelächter auf die Bühne stürmen, ihre Sopranstimmen bestens zur Geltung bringen und auch allerliebst durch eine Pfütze turnen, die ergiebiger Regen in der Wüste entstehen ließ. Die stämmige Kanadierin Karina Gauvin beglaubigt vom ersten Aufatmen bis zum letzten Ton eine Powerfrau und setzt in der Titelpartie ihre Kehle gelegentlich wie eine Keule ein. So verweist nicht nur ihr großer Schluss-Monolog bereits kompositionsgeschichtlich auf die Liebestode von Isolde und Brünnhilde, sondern auch die Interpretation von Gluck auf Wagner (das mag man sich zwar auch anders wünschen, aber Wucht ist Wucht).
Katrin Lea Tag hat eine schöne Wüste auf die große Amsterdamer Bühne gepackt - im Kies haben sich verdorrt ein paar niedrige Gewächse gehalten und ein orientalischer Baum. Der wird bei der Verzauberung ergänzt durch ein paar weitere, in phantastisches Licht gerückte Bäume; an einem von ihnen lässt Barrie Kosky - dies mag eine Angstvision der Protagonistin andeuten - ein Double der Titelheldin dekorativ aufknüpfen und baumeln. Ansonsten ist die Inszenierung der Historie völlig enthoben: Auf die moderne Kleidung, in der Chor und Statisten zappeln, treffen ein paar Kreuzritter in Blechrüstungen. Kosky erzählt auf nette und teils unterhaltsame Weise ein Märchen. Vom interkulturellen und gnadenlosen Religionskonflikt, der dem Werk zugrunde liegt, will er nichts wissen. Diese Vermeidungsstrategie ist entweder auf opportunistische Weise klug (beziehungsweise genauer gesagt: schlau) oder sie verweist auf das Fehlen von elementarem Wissen und mitteleuropäischen Kulturtechniken. Aber warum sollen heute nicht auch Angehörige bildungsferner Schichten Oper inszenieren dürfen?
Sie deklinierte das bereits aus dem apokryphen Buch Judith bekannte Motiv des Mordes beim Beischlaf nochmals durch. Die orientalische Prinzessin umgarnt auftragsgemäß den Ritter Renaud, der aus religiösem Fanatismus und Abenteuerlust nach Palästina kam. Mit ihren Zauberkünsten bekommt sie ihn in ihre Gewalt und will diesen besonders gefürchteten Feind umbringen. In dem Augenblick aber, in dem sie den Dolch zückt, stellt sich jäher Gesinnungswandel ein: Sie will nun lieber seine Liebe als seinen Tod. Das Pendel der Gefühle schlägt dann wieder nach der anderen Seite aus, als der unzuverlässige Liebhaber Renaud von seinen Raufbrüdern zur christlichen Vernunft gebracht und zum Verlassen der schönen Geliebten veranlasst wird.
Die Partitur zu "Armide" hielt Christoph Willibald Gluck für seine bedeutendste musikalische Leistung. Für ihre Vitalisierung engagiert sich Ivor Bolton mit dem bestens disponierten Nederlands Kamerorkest – sehr homogen und insgesamt untadelig agieren die Streicher, der Bläsersatz ist im Verhältnis dazu klug und umsichtig disponiert. Mit Karin Strobos und Ana Quintans verfügt Armide über zwei adrette Zaubergehilfinnen, die mit ihrem hellen Gelächter auf die Bühne stürmen, ihre Sopranstimmen bestens zur Geltung bringen und auch allerliebst durch eine Pfütze turnen, die ergiebiger Regen in der Wüste entstehen ließ. Die stämmige Kanadierin Karina Gauvin beglaubigt vom ersten Aufatmen bis zum letzten Ton eine Powerfrau und setzt in der Titelpartie ihre Kehle gelegentlich wie eine Keule ein. So verweist nicht nur ihr großer Schluss-Monolog bereits kompositionsgeschichtlich auf die Liebestode von Isolde und Brünnhilde, sondern auch die Interpretation von Gluck auf Wagner (das mag man sich zwar auch anders wünschen, aber Wucht ist Wucht).
Katrin Lea Tag hat eine schöne Wüste auf die große Amsterdamer Bühne gepackt - im Kies haben sich verdorrt ein paar niedrige Gewächse gehalten und ein orientalischer Baum. Der wird bei der Verzauberung ergänzt durch ein paar weitere, in phantastisches Licht gerückte Bäume; an einem von ihnen lässt Barrie Kosky - dies mag eine Angstvision der Protagonistin andeuten - ein Double der Titelheldin dekorativ aufknüpfen und baumeln. Ansonsten ist die Inszenierung der Historie völlig enthoben: Auf die moderne Kleidung, in der Chor und Statisten zappeln, treffen ein paar Kreuzritter in Blechrüstungen. Kosky erzählt auf nette und teils unterhaltsame Weise ein Märchen. Vom interkulturellen und gnadenlosen Religionskonflikt, der dem Werk zugrunde liegt, will er nichts wissen. Diese Vermeidungsstrategie ist entweder auf opportunistische Weise klug (beziehungsweise genauer gesagt: schlau) oder sie verweist auf das Fehlen von elementarem Wissen und mitteleuropäischen Kulturtechniken. Aber warum sollen heute nicht auch Angehörige bildungsferner Schichten Oper inszenieren dürfen?