Bundesjustizminister Marco Buschmann möchte das Unterhaltsrecht reformieren. Die von ihm vorgelegten Eckpunkte geben dafür den Rahmen vor. Die konkreten Gesetzentwürfe sollen demnächst veröffentlicht werden. Das Reformprojekt des FDP-Ministers ist umfassend, es beinhaltet nicht nur das Unterhaltsrecht, sondern auch das Abstammungs- und Adoptionsrecht sowie eine Definition von Verantwortungsgemeinschaft. Es soll die größte Reform des Familienrechts seit Jahrzehnten werden.
Betreffen wird die Reform Millionen Menschen in Deutschland in Trennungsfamilien, in denen sich der zweite Elternteil - meist Väter - auch nach der Trennung in die Kinderbetreuung einbringt. Sie sollen durch die Reform finanziell entlastet werden.
Wie ist das Unterhaltsrecht bisher geregelt?
Bisher fußt das Unterhaltsrecht weitgehend auf das klassische Residenzmodell: „einer betreut, einer bezahlt“. Statistisch gesehen leben die Kinder meist nach der Trennung bei der Mutter. Der Vater ist dann unterhaltspflichtig. Nur im sogenannten Wechselmodell, bei dem sich die Eltern die Betreuung 50:50 teilen, gelten andere Regelungen.
Um die Höhe des Unterhalts zu berechnen, wird oft die sogenannte Düsseldorfer Tabelle herangezogen. Sie wurde vom Oberlandesgericht Düsseldorf entwickelt und fortgeschrieben. Das Unterhaltsrecht selbst ist im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt.
Die Düsseldorfer Tabelle stammt aus dem Jahr 1962 und damit aus einer Zeit, in der man davon ausgegangen ist, dass nach einer Trennung der Eltern die Mutter die Fürsorge übernimmt und der Vater das Geld verdient. Diese Lebenswirklichkeit hat sich inzwischen geändert.
Welche Änderungen sieht Marco Buschmanns Reform vor?
Die Pläne des Justizministers sehen nun vor, den Elternteil, bei dem die Kinder nicht leben, zu entlasten, wenn er sich in relevanter Form an der Kinderbetreuung beteiligt. Wenn sich also zum Beispiel eine Mutter mit einem Einkommen von 2.000 Euro zu 60 Prozent in die Erziehung einbringt, und ein Vater mit 4.000 Euro von der Betreuung 40 Prozent übernimmt, zahlt dieser Vater bisher einen Unterhalt von 500 Euro. Nach dem neuen Modell sind es nur noch etwas mehr als 400 Euro.
Buschmann spricht von einem „asymmetrischen Wechselmodell“. Die Kinder sind mal beim Vater, mal bei der Mutter, aber eben nicht völlig symmetrisch. Wie hoch der Anteil dieses Wechselmodells an allen Trennungsfamilien ist, ist noch unbekannt, da die Schwelle von 30 Prozent in der Wissenschaft bisher keine Rolle spielte.
Für alle anderen Trennungsfamilien soll die Berechnung des Kindesunterhalts gleich bleiben. Das betrifft insbesondere die häufige Konstellation, dass ein Vater die Kinder jedes zweite Wochenende übernimmt. Er bleibt damit unter 30 Prozent Betreuungsleistung – selbst wenn noch eine hälftige Betreuung in der Ferienzeit unterstellt wird. Solche Väter müssten nach Buschmanns Modell weiter vollen Unterhalt bezahlen.
Buschmann erklärt es als Anreiz für die Elternteile, in der Praxis meist die Väter, sich stärker in die Kinderbetreuung einzubringen. „Es macht nach dem jetzigen Unterhaltsrecht keinen Unterschied für die Unterhaltspflicht, ob der weniger betreuende Elternteil sich an einem oder an drei Tagen die Woche um das Kind kümmert. Und das ist natürlich unfair. Das ist schade. Das setzt auch keinen Anreiz dafür, sich gleichberechtigter um die Kinder zu kümmern.“
Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht begrüßt Pläne von Bundesjustizminister Buschmann zur Reform des Unterhaltsrechts. „Wir finden es wichtig, dass der Grundsatz gilt: beide betreuen, beide bezahlen“, sagte Verbandssprecher Josef Linsler.
Welche Kritik gibt es an der Reform?
SPD-Chefin Saskia Esken begrüßte die Reform zwar grundsätzlich, sagte aber, das Existenzminimum des Kindes müsse klar geschützt werden, "und die Reform darf auch nicht zulasten der zumeist in der Hauptsache erziehenden Mütter gehen". Denn deren finanzieller Aufwand für das Kind sinke durch die geteilte Sorge nur geringfügig.
Man müsse Menschen, „die ohnehin schon sehr viel leisten, den Rücken stärken und nicht ihr Armutsrisiko erhöhen“, sagte die Grünen-Politikerin Irene Mihalic der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. So seien bestimmte Kosten für Lebensmittel, Schulbedarf oder die Freizeitgestaltung besonders für alleinerziehende Mütter eine Herausforderung.
Die Vorsitzende des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, Daniela Jaspers, sagte im Deutschlandfunk, sie sehe die Reformpläne „sehr kritisch“. Man müsse die Lebenswirklichkeit von Alleinerziehenden sehen und verwies auf das schon jetzt hohe Armutsrisiko dieser Gruppe. Jaspers sagte, dass bisher staatliche Anreize für „Zuverdiener-Ehen“ geschaffen würden – etwa über Ehegattensplitting und Minijobs. Mit der Trennung werde das plötzlich wieder hinfällig. "Da tappen viele in eine Falle", so Jaspers im Dlf.
Der Kinderschutzbund warnte vor einer unfairen Kostenverteilung als Folge der von Buschmann vorgeschlagenen Reform. Sie teile die Einschätzung des Ministers, dass das Unterhaltsrecht angesichts neuer Lebensrealitäten von Familien kritisch überprüft werden sollte, sagte die Präsidentin Sabine Andresen dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Die einfache Rechnung, je häufiger das Kind betreut wird, desto geringer der Unterhaltsanspruch, sehen wir aber kritisch“, so Andresen.
Der Unterhalt diene der materiellen Absicherung des Kindes und sei keine Bezahlung der Mütter für den Betreuungsaufwand. „Um es anschaulich zu machen: Auch, wenn ein Kind 30 Prozent seiner Zeit beim anderen Elternteil, in der Regel ja der Vater, verbringt, ist davon die Schulausstattung, die Klassenfahrt oder die neue Winterjacke nicht bezahlt.“
Wann kommt die Unterhaltsrechtsreform?
Das ist derzeit schwer zu sagen. Auf Grundlage der Eckpunktepapiere von Buschmann wird das Bundesministerium der Justiz nun Gesetzentwürfe erarbeiten. Diese sollen laut Ministerium noch im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt werden. Dann muss der Bundestag das entsprechende Gesetz verabschieden - so etwas kann sich allerdings auch hinziehen.
Die Idee den Unterhalt anders zu regeln, ist nicht neu: Schon Familienministerin Franziska Giffey (SPD) wollte das Unterhaltsrecht reformieren und vor allem Väter von Trennungskindern rechtlich stärken. Mehr als eine Debatte und öffentliche Äußerungen Giffeys zu dem Thema im Jahr 2019 passierte in der Sache allerdings nicht.
mfied