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Unternehmensbeteiligung
Schafaktien und andere Genussrechte

Lange Zeit waren das Sparbuch und die Lebensversicherung die liebsten Anlageformen der Deutschen. Doch die Zinsen sind seit Jahren im Keller. Bei vielen Geldanlagen sind sie sogar niedriger als die Inflationsrate. Eine alternative Geldanlage sind Genussrechte - doch das Risiko ist vergleichsweise hoch.

Von Tim Schauenberg | 19.09.2014
    Färöer-Inseln: Schafe stehen in der Nähe der Gemeinde Tjornuvik an einem Hang. Die autonome, zu Dänemark gehörende Inselgruppe Färöer liegt im Nordatlantik zwischen Island, Schottland und Norwegen
    100 Euro investieren, Fleisch im Wert von 130 Euro bekommen - so funktioniert die Schafaktie. (picture alliance / dpa)
    Zwischen Schornsteinen auf der einen Seite und einem Oberhausener Wohngebiet auf der anderen lässt Schäfer Florian Preis seine Schafherde weiden. Ein idyllischer Anblick mitten im Herzen des Ruhrgebiets. Dass sich hinter den 80 Tieren eine mögliche Alternative zu herkömmlichen Anlageformen verbirgt, vermutet man zunächst nicht. Vor einem Jahr begann der 32-jährige Schäfer nämlich damit, "Schafsaktien" zu verkaufen.
    "Die Schafaktie war die Idee, um noch weiter an Geld zu kommen. Da hab ich natürlich überlegt, was hab ich, womit verdiene ich mein Geld und wie ist es denn mit Lammfleisch? Ganz klar, das hab ich zur Verfügung. Und der Schafaktionär zahlt halt einmalig 100 Euro an mich und kriegt innerhalb von 18 Monaten Lammfleisch im Wert von 130 beim Kilopreis von zehn Euro pro Kilo zurück."
    100 Euro bezahlen und nach achtzehn Monaten Lammfleisch im Wert von 130 Euro bekommen. Das sind 30 Prozent Rendite in eineinhalb Jahren. Davon können viele Anleger nur träumen. Der einzige Unterschied: Der Gewinn wird dem Anleger in Naturalien ausgezahlt.
    Und genau genommen ist die Schafaktie auch keine wirkliche Aktie, sondern ein sogenannter Genussschein. Ein Geldgeber bekommt mit einem Genussschein ein verbrieftes Recht auf eine festgelegte Rendite nach einem bestimmten Zeitraum. Als Florian Preis im vergangenen Jahr begonnen hat, die Scheine auszugeben, wurden sie ihm förmlich aus der Hand gerissen. Nach drei Tagen waren alle Genussrechte verkauft:
    "Ich hätte wahrscheinlich 200 Stück verkaufen können. Ich hab' aber, damit die Ruhrschäferei das auch verpacken kann, 25 verkauft, die ich diesen Herbst anfange auszuzahlen."
    Gutscheine statt Geld
    Bei Willingen, 50 Kilometer entfernt vom Stall des Schäfers, befindet sich der Bio-Bauernhof der Familie Leiders. Auch sie haben im letzten Jahr das erste Mal Genussrechte verkauft, im Wert von bis zu 10.000 Euro. Kunden, die dem Stautenhof ihr Geld leihen, erhalten pro Jahr vier Prozent Zinsen - ausgezahlt in Form von Warengutscheinen. Bei 5000 Euro sind das immerhin 200 Euro Zinsen pro Jahr. Weit mehr als auf jedem Sparbuch. Eingelöst werden können die Warengutscheine allerdings nur im Hofladen. Möchten die Kunden eine Rendite ausgezahlt bekommen, gibt es nur zwei Prozent. Nach sechs Jahren erhält jeder Anleger sein Geld zurück. Christoph Leiders glaubt, dass viele seiner Kunden ohnehin auf der Suche nach einer anderen Anlagemöglichkeit waren.
    "Und da kam ihnen das, glaub ich, sehr willkommen, dass sie das in dem Betrieb anlegen können, wo sie ihren täglichen Einkauf tätigen. Also der Sinn war jetzt nicht, weil wir Probleme hatten an Geld zu kommen oder weil wir gedacht haben, da bekommen wir günstigere Zinsen, sondern der Gedanke war, dass wir unsere Kunden einfach in den Betrieb einbinden wollten. Bei den Kunden, die Genussrechte gezeichnet haben, hat man ein richtiges Wir-Gefühl. Man hat das Gefühl, wir machen das gemeinsam."
    Um das nicht aufs Spiel zu setzen, werden auf dem Stautenhof von dem Geld der Genussrechte nur Dinge finanziert, die für die Kunden sichtbar und nachvollziehbar sind. Vergangenes Jahr war es die Bäckerei, im nächsten Jahr soll die Metzgerei erneuert werden. Dann mit neuem Geld aus Genussscheinen. Die Liste der Interessenten ist lang.
    Doch als Geldanlage sind Genussscheine durchaus riskant. Tatsächlich sind die Risiken sogar deutlich höher als bei herkömmliche Anlagen. Denn bei einer möglichen Insolvenz des Unternehmens werden zuerst alle Gläubiger und danach erst die Anleger von Genussscheinen bedient. Theoretisch ist ein Totalverlust der Anlage möglich. Dann ist das Geld futsch. Ein Negativ-Beispiel dafür ist das insolvente Energieunternehmen Prokon. Das Risiko ist dabei von Branche zu Branche sehr unterschiedlich. Bricht bei einem Viehzüchter eine Tierseuche aus, ist er nicht selten so gut wie bankrott. Diese Risiken sollte der Anbieter eines Genussrechtes im Vertrag auch deutlich aussprechen, raten Verbraucherschützer. Sonst sei von einer Anlage in Genussscheine abzuraten.