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Unterrichtsbesuch mit den "Lie Detectors"
Wie Schüler Falschnachrichten erkennen können

Woran erkennt man guten Journalismus? Und wie eine gefälschte Nachricht? Auch wenn viele Schüler schon Erfahrungen mit manipulativen Informationen gemacht haben, fällt die Unterscheidung zwischen richtig und falsch manchmal schwer. Die Organisation "Lie Detectors" möchte das ändern.

Von Annika Schneider |
    Die Hände eines Mädchens tippen auf einem Tablet, neben ihr liegt ein Mäppchen mit Stiften
    Beim Thema Falschnachrichten versucht die Organisation "Lie Detectors" auch, auf die Mediennutzung der Schüler einzugehen (picture alliance/dpa/Armin Weigel)
    Mittwoch, erste Stunde im Schiller-Gymnasium in Köln. Eigentlich hätte die 8b jetzt Bio. Stattdessen ist Michael Stang in die Klasse gekommen.
    "Ich bin kein Lehrer, ich bin Journalist. Das ist jetzt auch keine richtige Schulstunde, sondern ich möchte eigentlich jetzt nur in den nächsten anderthalb Stunden was über Nachrichten machen."
    Falschmeldungen entlarven
    Normalerweise produziert Stang Radiobeiträge für den Deutschlandfunk und den WDR. Heute macht er stattdessen Unterricht und hat den Jugendlichen eine Reihe von Meldungen mitgebracht: "Kanzlerin verursachte Flugpanne durch nicht ausgeschaltetes Handy", lautet die erste.
    Die Schüler sind sich schnell einig, dass das Quatsch ist. Die Schlagzeile stammt aus dem Satiremagazin "Postillon". Auch dass eine große Fastfood-Kette eine Zahnpasta mit Burgergeschmack anbietet, entlarven die Schüler als Falschmeldung.
    Schwieriger wird es bei einem Foto, das auf Twitter die Runde gemacht hat: Es zeigt eine überflutete Straße in den USA. Im Wasser ist ein Hai zu sehen. Kann das stimmen? Die 8b ist gespalten.
    Viele haben Erfahrungen mit falschen Informationen
    Das Material für die Unterrichtsstunde kommt von der Organisation "Lie Detectors". Sie schickt Journalisten in Schulen, um Jugendliche für Falschmeldungen zu sensibilisieren. In Deutschland und Belgien läuft das Projekt schon, bald startet es auch in Österreich. Finanziert wird es von einer amerikanischen Stiftung – Geld von Unternehmen oder Regierungen akzeptiert "Lie Detectors" nicht.
    Viele der Jugendlichen haben bereits Erfahrungen mit falschen Informationen auf WhatsApp, Instagram und Co., zum Beispiel die 13-jährige Emile: "Meine Freundin hat manchmal so Geschichten erzählt von irgendwelchen Sachen, die gar nicht stimmen, und das habe ich dann meinen Freunden erzählt und dann ist mir erst aufgefallen, dass das gar nicht stimmte."
    Umso besser findet es ihre Mitschülerin Carola, dass Falschnachrichten heute Unterrichtsthema sind: "Ich finde das wichtig, weil man dann weiß, wie man damit umgehen soll. Natürlich sagen alle, man soll nicht so falsche Nachrichten glauben oder nicht so leicht vertrauen, aber so richtig haben wir das noch nie gemacht."
    "Lernen, wie Journalismus funktioniert"
    Michael Stang bringt den Jugendlichen bei, wie sie falsche Meldungen entlarven – indem sie online recherchieren und zum Beispiel die Quelle prüfen.
    "Bei 'Lie Detectors' geht es darum, dass die Kinder lernen können, dass sie selber so genannte Lügendetektoren sind. Also dass sie mit sehr wenigen Mitteln schnell rauskriegen können, stimmt eine Nachricht oder nicht. Dass man eben weiß, dass es Falschnachrichten gibt, aber auf der anderen Seite auch, dass sie lernen können, wie Journalismus funktioniert und dass da auch nicht immer alles so rund ist, wie es laufen könnte.
    "Es passieren Fehler"
    Im zweiten Teil der Stunde geht es darum, wie Journalisten arbeiten. Michael Stang berichtet, dass auch ihm schon Fehler passiert sind.
    "Über eigene Fehler zu sprechen, fällt mir von Mal zu Mal leichter, weil man wirklich transparent damit umgehen muss. Fehler passieren, wir sind alle Menschen. Manchmal hat man einen Zahlendreher drin oder etwas doch vielleicht nicht ganz richtig recherchiert oder in der Redaktion ist etwas durchgegangen. Offen mit diesen Fehlern umzugehen ist glaube ich auch etwas, das die Glaubwürdigkeit im Medienbetrieb doch wieder erhöhen kann."
    Zum Schluss gibt es für alle ein Merkblatt, wie ethischer Journalismus funktioniert. Bei der 13-jährigen Mia kommt das Konzept gut an:
    "Ich fand das sehr lustig und ich fand, die Stunde war gut gestaltet und wir konnten auch viel unsere eigene Meinung sagen."
    Mediennutzung im Unterricht berücksichtigen
    Auch Lehrerin Lea Esser-Vogel ist begeistert: "Ich habe den Eindruck, das ist etwas, das die Schüler wirklich interessiert. Die sind motiviert bei der Sache, und was sie im Leben gebrauchen können. Dann ist es außerdem wichtig, dass sie die Gefahren kennen, weil sie damit im Alltag unwillkürlich damit konfrontiert werden und sich verantwortungsvoll verhalten können."
    Die Mediennutzung der Schüler will die Lehrerin in Zukunft im Unterricht mehr berücksichtigen.
    "Für mich als Lehrer ist hängen geblieben, dass ich das noch mal häufiger mit in den Blick nehme, deren Lebenshorizont quasi. Und ich glaube, dass für die Schüler hängen geblieben ist, dass sie vorsichtiger agieren und nicht so naiv damit umgehen, was ihnen alles als News und Fakten vorgegeben wird."
    Demnächst sind die Jugendlichen vielleicht skeptischer, wenn angeblich ein Hai eine Straße entlangschwimmt. Bei Carola hat das Beispiel Eindruck gemacht.
    "Das mit dem Hai war gut gephotoshopt. Das hat man nicht auf den ersten Blick erkannt, dass das gar nicht der Hai war, der da geschwommen ist."