Großeinsatz in Mönchengladbach. Der erste Funkspruch, der am 21. Januar gegen 23 Uhr in der Leitzentrale der Polizei eingeht, trifft die Beamten völlig unerwartet: eine Massenschlägerei zwischen zwei verfeindeten Rockergruppen mitten in der Altstadt. Bewaffnet mit Eisenstangen, Messern und Baseballschlägern prügeln Mitglieder der Hells Angels und der Bandidos aufeinander ein. Ein Rocker wird durch Messerstiche lebensgefährlich verletzt, die Polizei hat jetzt eine Mordkommission gebildet. Mönchengladbach galt bisher nicht als Brennpunkt der Bandenkriminalität, und so klingt Polizeisprecher Jürgen Lützen auch Stunden nach dem Einsatz noch immer fassungslos:
"Bedingt durch die Menge der an der Auseinandersetzung beteiligten Personen mussten wir ganz groß auffahren. Das heißt, wir haben Kräfte aus den umliegenden Behörden angefordert, haben dann auch über einen längeren Zeitraum bis in den frühen Morgen hin die Altstadt abgesperrt. Wir konnten nicht ausschließen, dass sich diese kleinen Splittergruppen wieder zu einer größeren Gruppe vereinigen und es dann wieder zu einer Auseinandersetzung kommt."
Fast 100 Rocker sind an dem Kampf beteiligt. Im Laufe der Nacht rollen Clubmitglieder mit ihren Motorrädern auch aus Leverkusen, Duisburg und Essen heran. Die Szene ist bestens vernetzt. Der Straßenkampf von Mönchengladbach ist nur der Auftakt. Wenige Stunden später, gegen 4.50 Uhr am frühen Sonntagmorgen, explodiert im hundert Kilometer entfernten Herten im Ruhrgebiet ein Sprengsatz vor dem Vereinsheim der Bandidos – möglicherweise ein Racheakt für die Messerattacke in Mönchengladbach. Die Anwohner des Vereinsheims sind schockiert:
"Ach Gott, ich hab’ mich erschrocken, das hat richtig gebebt. Ich lag noch im Bett … Also man fühlt sich wirklich unsicher, und man denkt, man wär’ hier auf einmal in der Großstadt New York oder so, also das ist kein schönes Wohnen hier … "
So schildern es besorgte Bürger gegenüber dem WDR. Die neue Spirale der Gewalt versetzt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen in erhöhte Alarmbereitschaft. Seit Jahren stehen Banden wie die Hells Angels oder die Bandidos im Visier der Behörden. Bundesweit werden einzelne Mitglieder immer wieder zu hohen Haftstrafen verurteilt. Einige Urteile fallen wegen Totschlags. Es gibt Verbindungen in die Kampfsport- und in die Hooligan-Szene, vor allem aber werden die Vereine in Zusammenhang gebracht mit Organisierter Kriminalität: mit Prostitution, Drogenhandel und Geldwäsche.
Neben Hannover, Frankfurt, Bremen und Schleswig-Holstein – wo vor wenigen Tagen ein Hells Angels Club in Kiel verboten wurde – gilt Nordrhein-Westfalen als ein Brennpunkt. Die Zahl der Clubgründungen steigt hier stetig, genauso wie der Umfang der Ermittlungsverfahren. Doch bisher wurde in NRW erst ein Hells Angels-Verein – ein sogenanntes Chapter – verboten, das war im Jahr 2000 in Düsseldorf. Aktuell beziffert das LKA die Zahl der Bandidos-Clubs allein in NRW auf 26, die Zahl der Mitglieder hat sich innerhalb von fünf Jahren auf 400 verdoppelt. Thomas Jungbluth ist beim Landeskriminalamt zuständig für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität:
"Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Ermittlungsverfahren bearbeitet, wo Angehörige dieser Gruppierungen in Verdacht standen, mit Betäubungsmitteln zu handeln, wo sie in Verdacht standen, gravierende Körperverletzungen begangen zu haben. Wir haben bei Durchsuchungsmaßnahmen Waffen sichergestellt, Baseball-Schläger und ähnliche Dinge. Und das alles ist für uns Anlass genug, diese Szene sehr sorgfältig im Auge zu behalten."
Die Düsseldorfer wollen keine Zustände wie in Skandinavien, wo Ende der 90er-Jahre ein Rockerkrieg ausbrach. Deshalb ist auch die Politik jetzt alarmiert: Gerade hat sich der Landtag mit der Massenschlägerei von Mönchengladbach beschäftigt. Das Ergebnis der Sitzung im zuständigen Innenausschuss ist jedoch mager: Konkrete Hinweise auf eine Eskalation unter den rivalisierenden Rockerbanden habe es nicht gegeben, so heißt es im Bericht der rot-grünen Landesregierung. Ähnlich die Lage in den Jahren 2007 und 2009: Damals kam in Münster ein Hells Angel durch einen Bandido ums Leben, zwei Jahre später tötete in Duisburg ein Hells Angel einen Bandido. Solche Gewaltausbrüche könne die Polizei nicht voraussehen, sagt LKA-Mann Jungbluth:
"Das kann man den Behörden nicht als Hilflosigkeit anlasten, weil diese Tat in Duisburg selber eine Mischung war zwischen Spontan-Tat, gepaart mit dieser tiefen Abneigung der Gruppen untereinander. Das lässt sich durch polizeiliche Mittel allein nicht verhindern."
Angesichts der Ausschreitungen in Mönchengladbach fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft in NRW nun erneut den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung. Positiv ist aus Sicht der Gewerkschaft, dass die Altstadt von Mönchengladbach per Video beobachtet wird, eine von nur zwei Kamerakontrollen landesweit. Das hilft bei der Aufklärung, aber nicht bei der Verhinderung von Straftaten. Bei den Rockern brauche es oft nur einen Funken, um die Eskalation der Gewalt in Gang zu setzen, meint Ermittler Jungbluth:
"Also, wir erklären uns diese Brutalität zum einen damit, dass es eindeutig darum geht, Geschäftsansprüche, Gebietsansprüche durchzusetzen, für einen bestimmten Raum einen Alleinvertretungsanspruch zu haben, der sich über die Symbolik der Kutten nach außen hin dokumentiert. Und jeder, der diesen Alleinvertretungsanspruch hinterfragt, greift diese Gruppierungen an, und deshalb diese heftige Gewalt."
"Das macht ja für viele auch die Faszination dieses Clubs aus. Dieses martialische Auftreten in Kutte, das schüchtert ein, das macht was her, die Leute gucken. Und sie wollen sich eben als etwas Besonderes darstellen, auch als etwas besonders Furchteinflößendes."
Sagt Christine Kröger, Chefreporterin beim Bremer "Weser-Kurier" und spezialisiert auf die Themen Rocker und Rechtsextremismus. Für ihre investigativen Recherchen wurde Kröger 2011 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Die Rocker-Banden, so analysiert sie, wollen vor allem eines: ungestört ihren Geschäften nachgehen. Die genaue Beobachtung durch Behörden und Medien, die jetzt nach der Massenschlägerei in Mönchengladbach wieder zunimmt, ist ihnen zuwider. Deshalb, so sagt die Journalistin, hätten die Männer eine regelrechte PR-Strategie entwickelt:
"Das heißt, sie verkaufen sich nach außen hin als die freiheitsliebenden Machos – geradlinig und ein Mann, ein Wort, all diese Sprüche. Wenn man ihnen da nicht auf den Leim geht, dann ist man eben spießig oder polizeihörig. Das ist die Strategie, und die geht ja leider vielerorts auch auf."
Zu den Insignien der Rocker zählen, neben Motorrad und Lederkutte, das jeweilige Vereinsemblem, Tätowierungen, ein muskulöser Körperbau und dunkel getönte Brillen. Entstanden sind die Gruppen in den USA, weshalb viele Umschreibungen bis heute englisch sind: Es gibt members und supporters, also Mitglieder und Unterstützer, und statt Verein sagen die Rocker lieber Chapter oder Charter. 1948 gründeten Kriegsveteranen den Hells Angels Club in Kalifornien. 1973 folgte der erste deutsche Ableger in Hamburg St. Pauli. Seitdem breiten sich die Clubs bundesweit aus. Immer wieder versuchen sie, neues Territorium zu erobern, zuletzt vergangenen Herbst in der Kölner Innenstadt. Die Polizei reagiert mit dem Einsatz ganzer Hundertschaften.
Bezirkspolizist Burkhard Jahn ist an diesem eiskalten Winterabend der Einsatzleiter auf den Kölner Ringen. Gemeinsam mit zwei jungen Kollegen bildet er eine sogenannte Fuß-Streife auf der von jungen Menschen und protzigen Limousinen bevölkerten Amüsiermeile.
"Also die Rockergruppen, speziell hier in Köln die Hells Angels, sind natürlich als Verein nach wie vor da, die haben aber ihre festen Vereinslokale, die sind ja auch bekannt."
Vor einer Eckkneipe mit dem Namen "Grünes Eck" bleibt Polizist Jahn stehen. Wochenlang galt die Lokalität als Treffpunkt der Hells Angels. Nur wenige hundert Meter weiter versammelten sich die Bandidos. Zusammengerechnet waren manchmal bis zu hundert Rocker auf den Ringen präsent. Doch es gelingt der Polizei, ein Zusammentreffen beider Banden zu verhindern. Der Einsatzleiter erinnert sich:
"Ich persönlich empfinde, wenn ich mit solchen Menschen zusammenkomme, empfinde ich sie als aggressiv und als gewalttätig. Also mir sind diese Menschen unangenehm."
Mittlerweile hat sich die Situation in der Kölner Innenstadt entspannt. Klaus-Stephan Becker, Leiter der Abteilung "Organisierte Kriminalität" im Kölner Polizeipräsidium wertet dies als Erfolg seiner Behörde, mit Razzien und einer massiven Ausweitung der Polizeipräsenz habe man das Problem entschärft:
"Wenn Sie auf dem Friesenplatz 50 Rocker haben, dann wird der Normalbürger nicht mehr hingehen. Und das kann natürlich nicht sein, dass öffentliche Räume durch diese Gruppierungen allein durch ihr Auftreten, muskelbepackte Menschen in großer Zahl, dass diese öffentlichen Räume dann der Allgemeinheit verschlossen bleiben."
Ein anderes schwieriges Thema ist die Rolle der Beamten im Umgang mit den Rockern. Im Oktober 2011 berichtete der "Spiegel" über eine allzu große Nähe zwischen Polizisten, örtlichen Politikern und führenden Rockern im Rotlichtmilieu. Eine Einschätzung, die auch die Journalistin Christine Kröger teilt. Jahrelang hätten die deutschen Behörden nicht genau genug hingesehen beim Thema Rockerkriminalität – aber das hat sich aus ihrer Sicht positiv verändert. Dennoch, sagt Kröger, bleibt eine Gefahr bestehen:
"Nehmen wir den gemeinen Streifenpolizisten in einem Rotlichtbezirk. Wenn der weniger Einsätze hat, wenn der nachts weniger raus muss, weil da neuerdings die Hells Angels an den Türen stehen, dann ist das ja erst mal angenehm für diesen Beamten. Was man da sehen muss, ist ganz einfach, da wird ein Stück des Gewaltmonopols des Staates aus der Hand gegeben. Unmerklich, ganz allmählich. Und das ist, glaube ich, ein unhaltbarer Zustand, der aber, weil es ein schleichender Prozess ist, sehr wenig spektakulär verläuft."
Ortswechsel. Der Kiez in Hannover nachts um halb drei: Feuchtfröhlich geht es im Steintorviertel zu. Zwischen Bordellen, Stripclubs und Spielotheken dröhnt Musik aus den zahlreichen Bars und Kneipen. Hier tummeln sich vor allem junge Leute aus dem hannoverschen Umland, tanzen und trinken. Noch vor fünfzehn Jahren waren die Straßen rund um die Scholvinstraße ein gefährliches Pflaster: türkische und albanische Zuhälter lieferten sich tödliche Kämpfe um die Vormachtstellung. Doch dann kamen Ende der 90er-Jahre die Rocker zum Zuge. Hannovers Hells-Angels-Chef und Bordellbesitzer Frank Hanebuth siedelte nach Hamburger Vorbild Szeneclubs im Kiez an und machte das dunkle Steintor zu einem bunten Amüsierviertel. Der bullige Mittvierziger sorgte auch dafür, dass vor nahezu jedem Club Türsteher seiner Sicherheitsfirma standen. Getreu dem Motto: "Wer die Tür hat, hat die Macht".
Hanebuths Einfluss ist gefürchtet: Mit seinen etwa 50 Mitgliedern gilt sein hannoversches Hells-Angels-Charter als mächtigstes in Deutschland, Hanebuth selbst als einer der bundesweiten Anführer. Der kahlköpfige Mann mit dem Mongolenbart ist wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft, und der Name Hells Angels wird auch in Hannover immer wieder in Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität genannt. Doch Hanebuth ist seit 2008 strafrechtlich nicht mehr auffällig geworden und präsentiert sich gern als braver Geschäftsmann.
"Wir haben ja hier mehr oder weniger ein totes Viertel neu auferstehen lassen, und deswegen kann man da stolz drauf sein. Das sollte eigentlich nicht nur uns so gehen, sondern eigentlich allen anderen Hannoveranern – nun: Stadt, Politik, etc. Das ist hier ja auch ein Aushängeschild für Deutschland, wenn man so will. Weil es hier auch funktioniert, klappt. Aus meiner Sicht haben wir das schönste und auch sicherste Rotlicht in ganz Deutschland. Wenn man sich mal umguckt in Deutschland, kann keine Stadt mitziehen."
Inzwischen vertreiben die Hells Angels in Hannover auch eine eigene Biermarke, unterhalten am Steintor Tätowierstudios und verkaufen eigene Merchandisingartikel. Gern verweisen die Höllenrocker darauf, dass sie es angeblich gewesen seien, die für Ruhe und Ordnung im hannoverschen Steintorviertel gesorgt hätten. Sie haben versucht, eine Art Staat im Staate aufzubauen, sagt Olaf Gösmann, Leiter der zuständigen Polizeiinspektion Hannover-Mitte:
"Die haben sich ganz einfach von ihrem ursprünglichen Auftrag – der ja lediglich auf dem Hausrecht basierte – sich gelöst und haben nach außen hin dokumentiert, dass sie diese Straßen, diesen öffentlichen Raum als ihren Raum, ihre Straßen begreifen. Es wurden Personenüberprüfungen durchgeführt. Polizeibeamte, die Kontrollen durchgeführt haben, wurden mit Platzverweisen belegt. Wenn man also so will, verkehrte Welt, und das ist natürlich in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar."
Die Folge: In den vergangenen Jahren hat die Polizei die Kontrollen im Viertel verstärkt und die feierfreudigen Hannoveraner sogar öffentlich dazu aufgerufen, das von den Hells Angels kontrollierte Steintor zu boykottieren. Im November vergangenen Jahres dann ein politischer Eklat: Ausgerechnet der Präsident der Bereitschaftspolizei in Niedersachsen ging im Amüsierkiez ein Bier trinken und musste als Konsequenz daraus seinen Hut nehmen. Angeblich darüber verärgert, kündigte Hells-Angels-Chef Hanebuth an, seinen Sicherheitsdienst aus dem Steintorviertel abzuziehen und nur noch seine Bordelle dort zu behalten. Doch die Türsteher blieben meist dieselben Hells-Angels-Mitglieder wie zuvor, nur nicht mehr offiziell von Hanebuth angestellt. Vor wenigen Wochen ließ die Polizei daraufhin im Steintorviertel eine Wache errichten: In einem Metall-Container schieben 25 Beamte Wache und kontrollieren das Viertel. Polizeidirektor Gösmann:
"Dieser Container und die damit einhergehende 24-Stunden-Präsenz ist jetzt ein weiterer Punkt, mit dem wir klarmachen: In dieser Stadt setzt nur einer Recht und Ordnung durch, und das ist die Polizei."
Die intensive Beobachtung dient auch einem anderen Zweck: mögliche Straftaten der Hells-Angels-Mitglieder zu dokumentieren und Material zu sammeln, um in Niedersachsen ein erfolgreiches Verbotsverfahren gegen die Rocker durchzuführen. Beim Landeskriminalamt in Hannover gibt es seit 2005 eine Sondereinheit: Sie beobachtet die Rockerkriminalität in Niedersachsen intensiv. Das Problem dabei, sagt Sprecher Falco Schleier, Straftaten Einzelner mit den Clubs in Verbindung zu bringen.
"Bei aufgeklärten Straftaten werden einzelne Mitglieder von den Rockergruppierungen immer wieder versuchen, diese Straftaten auf die eigene Kappe zu nehmen, um dem eigentlichen Club, der dahinter stehen könnte, den Rücken frei zu halten und somit den Nachweis zu erschweren, dass möglicherweise Straftaten im Zusammenhang für oder mit dem Club begangen wurden."
Die niedersächsische Landesregierung schaut mit Skepsis in andere Bundesländer. Die kürzlich in Hessen durchgeführten Verbote der Hells Angels – so ist aus dem Umfeld des Innenministeriums zu hören – stünden auf wackligen Füßen: Im Verfahren seien Delikte angeführt worden, die keine Verbotsrelevanz hätten, heißt es, zum Beispiel Trunkenheit am Steuer. Die niedersächsische Landesregierung will hingegen ein juristisch handfestes Verbot erreichen, daher lässt sich Innenminister Uwe Schünemann, CDU, gern mit dem Satz zitieren: "Über Verbote redet man nicht, man macht sie".
Das sieht auch Dirk Toepffer so – Jurist, Landtagsabgeordneter und Chef der hannoverschen CDU. Er befürchtet, dass sich die nötigen Beweise für ein Verbot gar nicht mehr beschaffen ließen, weil die Rocker illegal erworbenes Geld längst in legale Geschäfte gesteckt haben könnten. Ein Problem, sagt Dirk Toepffer, sei auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Hells Angels in der Stadt. Frank Hanebuths Anwalt und Geschäftspartner ist der Freund und ehemalige Kompagnon von Altkanzler Gerhard Schröder und auch andere hannoversche Größen zeigen sich mit dem Hells-Angels-Chef.
"Ich meine damit, dass es durchaus gesellschaftlich toleriert wird, dass Hells-Angels-Mitglieder auf gesellschaftlichen Veranstaltungen auftauchen, dass man mit ihnen Kontakt pflegt, sich dieser Kontakte sogar teilweise rühmt. Hanebuth stellt sich als seriöser Geschäftsmann dar, ist aber dann auch derjenige, der auf zweifelhafte Art und Weise zu dem Geld gekommen ist, das er jetzt als Unternehmer überhaupt einsetzt."
Die fehlende Transparenz ist auch für Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger ein Argument, über Vereinsverbote nachzudenken. Generell gilt zwar auch in Düsseldorf die Devise, über Verbote nicht zu reden, sondern sie zu machen – aber der Sozialdemokrat lässt jetzt, nach der Massenschlägerei von Mönchengladbach, durchblicken, dass er ein Verbot nicht ausschließt:
"Die Rockerbanden haben natürlich im Bereich Menschenhandel und Prostitution wirklich "Marktanteile" – in Anführungsstrichen. Und da geht es darum, das offenzulegen und da, wo Strukturen erkennbar sind, was organisierte Kriminalität angeht, auch massiv dagegen vorzugehen."
Die Diskussion um ein Verbot der Rockerbanden verläuft ähnlich wie die Debatte um ein NPD-Verbot. Das ist nicht die einzige Parallele. Die Bremer Journalistin Christine Kröger beobachtet nicht nur die Rockerszene, sondern sie hat sich auch auf das Thema Rechtsextremismus spezialisiert. Die Rocker seien zwar per se apolitisch, dennoch sieht Kröger klare Überschneidungen zwischen beiden Milieus:
"Kameradschaft, Männerbünde, übertriebene Männlichkeitsrituale, Gewaltaffinität, Fasziniert-Sein von Waffen, ein überkommenes Frauenbild. All das sind ja Merkmale, die beide Szenen einen, und so ist das Rockermilieu für Rechtsextremisten ein sehr attraktives."
"Bedingt durch die Menge der an der Auseinandersetzung beteiligten Personen mussten wir ganz groß auffahren. Das heißt, wir haben Kräfte aus den umliegenden Behörden angefordert, haben dann auch über einen längeren Zeitraum bis in den frühen Morgen hin die Altstadt abgesperrt. Wir konnten nicht ausschließen, dass sich diese kleinen Splittergruppen wieder zu einer größeren Gruppe vereinigen und es dann wieder zu einer Auseinandersetzung kommt."
Fast 100 Rocker sind an dem Kampf beteiligt. Im Laufe der Nacht rollen Clubmitglieder mit ihren Motorrädern auch aus Leverkusen, Duisburg und Essen heran. Die Szene ist bestens vernetzt. Der Straßenkampf von Mönchengladbach ist nur der Auftakt. Wenige Stunden später, gegen 4.50 Uhr am frühen Sonntagmorgen, explodiert im hundert Kilometer entfernten Herten im Ruhrgebiet ein Sprengsatz vor dem Vereinsheim der Bandidos – möglicherweise ein Racheakt für die Messerattacke in Mönchengladbach. Die Anwohner des Vereinsheims sind schockiert:
"Ach Gott, ich hab’ mich erschrocken, das hat richtig gebebt. Ich lag noch im Bett … Also man fühlt sich wirklich unsicher, und man denkt, man wär’ hier auf einmal in der Großstadt New York oder so, also das ist kein schönes Wohnen hier … "
So schildern es besorgte Bürger gegenüber dem WDR. Die neue Spirale der Gewalt versetzt das Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen in erhöhte Alarmbereitschaft. Seit Jahren stehen Banden wie die Hells Angels oder die Bandidos im Visier der Behörden. Bundesweit werden einzelne Mitglieder immer wieder zu hohen Haftstrafen verurteilt. Einige Urteile fallen wegen Totschlags. Es gibt Verbindungen in die Kampfsport- und in die Hooligan-Szene, vor allem aber werden die Vereine in Zusammenhang gebracht mit Organisierter Kriminalität: mit Prostitution, Drogenhandel und Geldwäsche.
Neben Hannover, Frankfurt, Bremen und Schleswig-Holstein – wo vor wenigen Tagen ein Hells Angels Club in Kiel verboten wurde – gilt Nordrhein-Westfalen als ein Brennpunkt. Die Zahl der Clubgründungen steigt hier stetig, genauso wie der Umfang der Ermittlungsverfahren. Doch bisher wurde in NRW erst ein Hells Angels-Verein – ein sogenanntes Chapter – verboten, das war im Jahr 2000 in Düsseldorf. Aktuell beziffert das LKA die Zahl der Bandidos-Clubs allein in NRW auf 26, die Zahl der Mitglieder hat sich innerhalb von fünf Jahren auf 400 verdoppelt. Thomas Jungbluth ist beim Landeskriminalamt zuständig für die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität:
"Wir haben in den letzten Jahren immer wieder Ermittlungsverfahren bearbeitet, wo Angehörige dieser Gruppierungen in Verdacht standen, mit Betäubungsmitteln zu handeln, wo sie in Verdacht standen, gravierende Körperverletzungen begangen zu haben. Wir haben bei Durchsuchungsmaßnahmen Waffen sichergestellt, Baseball-Schläger und ähnliche Dinge. Und das alles ist für uns Anlass genug, diese Szene sehr sorgfältig im Auge zu behalten."
Die Düsseldorfer wollen keine Zustände wie in Skandinavien, wo Ende der 90er-Jahre ein Rockerkrieg ausbrach. Deshalb ist auch die Politik jetzt alarmiert: Gerade hat sich der Landtag mit der Massenschlägerei von Mönchengladbach beschäftigt. Das Ergebnis der Sitzung im zuständigen Innenausschuss ist jedoch mager: Konkrete Hinweise auf eine Eskalation unter den rivalisierenden Rockerbanden habe es nicht gegeben, so heißt es im Bericht der rot-grünen Landesregierung. Ähnlich die Lage in den Jahren 2007 und 2009: Damals kam in Münster ein Hells Angel durch einen Bandido ums Leben, zwei Jahre später tötete in Duisburg ein Hells Angel einen Bandido. Solche Gewaltausbrüche könne die Polizei nicht voraussehen, sagt LKA-Mann Jungbluth:
"Das kann man den Behörden nicht als Hilflosigkeit anlasten, weil diese Tat in Duisburg selber eine Mischung war zwischen Spontan-Tat, gepaart mit dieser tiefen Abneigung der Gruppen untereinander. Das lässt sich durch polizeiliche Mittel allein nicht verhindern."
Angesichts der Ausschreitungen in Mönchengladbach fordert die Deutsche Polizeigewerkschaft in NRW nun erneut den Einsatz der Vorratsdatenspeicherung. Positiv ist aus Sicht der Gewerkschaft, dass die Altstadt von Mönchengladbach per Video beobachtet wird, eine von nur zwei Kamerakontrollen landesweit. Das hilft bei der Aufklärung, aber nicht bei der Verhinderung von Straftaten. Bei den Rockern brauche es oft nur einen Funken, um die Eskalation der Gewalt in Gang zu setzen, meint Ermittler Jungbluth:
"Also, wir erklären uns diese Brutalität zum einen damit, dass es eindeutig darum geht, Geschäftsansprüche, Gebietsansprüche durchzusetzen, für einen bestimmten Raum einen Alleinvertretungsanspruch zu haben, der sich über die Symbolik der Kutten nach außen hin dokumentiert. Und jeder, der diesen Alleinvertretungsanspruch hinterfragt, greift diese Gruppierungen an, und deshalb diese heftige Gewalt."
"Das macht ja für viele auch die Faszination dieses Clubs aus. Dieses martialische Auftreten in Kutte, das schüchtert ein, das macht was her, die Leute gucken. Und sie wollen sich eben als etwas Besonderes darstellen, auch als etwas besonders Furchteinflößendes."
Sagt Christine Kröger, Chefreporterin beim Bremer "Weser-Kurier" und spezialisiert auf die Themen Rocker und Rechtsextremismus. Für ihre investigativen Recherchen wurde Kröger 2011 mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet. Die Rocker-Banden, so analysiert sie, wollen vor allem eines: ungestört ihren Geschäften nachgehen. Die genaue Beobachtung durch Behörden und Medien, die jetzt nach der Massenschlägerei in Mönchengladbach wieder zunimmt, ist ihnen zuwider. Deshalb, so sagt die Journalistin, hätten die Männer eine regelrechte PR-Strategie entwickelt:
"Das heißt, sie verkaufen sich nach außen hin als die freiheitsliebenden Machos – geradlinig und ein Mann, ein Wort, all diese Sprüche. Wenn man ihnen da nicht auf den Leim geht, dann ist man eben spießig oder polizeihörig. Das ist die Strategie, und die geht ja leider vielerorts auch auf."
Zu den Insignien der Rocker zählen, neben Motorrad und Lederkutte, das jeweilige Vereinsemblem, Tätowierungen, ein muskulöser Körperbau und dunkel getönte Brillen. Entstanden sind die Gruppen in den USA, weshalb viele Umschreibungen bis heute englisch sind: Es gibt members und supporters, also Mitglieder und Unterstützer, und statt Verein sagen die Rocker lieber Chapter oder Charter. 1948 gründeten Kriegsveteranen den Hells Angels Club in Kalifornien. 1973 folgte der erste deutsche Ableger in Hamburg St. Pauli. Seitdem breiten sich die Clubs bundesweit aus. Immer wieder versuchen sie, neues Territorium zu erobern, zuletzt vergangenen Herbst in der Kölner Innenstadt. Die Polizei reagiert mit dem Einsatz ganzer Hundertschaften.
Bezirkspolizist Burkhard Jahn ist an diesem eiskalten Winterabend der Einsatzleiter auf den Kölner Ringen. Gemeinsam mit zwei jungen Kollegen bildet er eine sogenannte Fuß-Streife auf der von jungen Menschen und protzigen Limousinen bevölkerten Amüsiermeile.
"Also die Rockergruppen, speziell hier in Köln die Hells Angels, sind natürlich als Verein nach wie vor da, die haben aber ihre festen Vereinslokale, die sind ja auch bekannt."
Vor einer Eckkneipe mit dem Namen "Grünes Eck" bleibt Polizist Jahn stehen. Wochenlang galt die Lokalität als Treffpunkt der Hells Angels. Nur wenige hundert Meter weiter versammelten sich die Bandidos. Zusammengerechnet waren manchmal bis zu hundert Rocker auf den Ringen präsent. Doch es gelingt der Polizei, ein Zusammentreffen beider Banden zu verhindern. Der Einsatzleiter erinnert sich:
"Ich persönlich empfinde, wenn ich mit solchen Menschen zusammenkomme, empfinde ich sie als aggressiv und als gewalttätig. Also mir sind diese Menschen unangenehm."
Mittlerweile hat sich die Situation in der Kölner Innenstadt entspannt. Klaus-Stephan Becker, Leiter der Abteilung "Organisierte Kriminalität" im Kölner Polizeipräsidium wertet dies als Erfolg seiner Behörde, mit Razzien und einer massiven Ausweitung der Polizeipräsenz habe man das Problem entschärft:
"Wenn Sie auf dem Friesenplatz 50 Rocker haben, dann wird der Normalbürger nicht mehr hingehen. Und das kann natürlich nicht sein, dass öffentliche Räume durch diese Gruppierungen allein durch ihr Auftreten, muskelbepackte Menschen in großer Zahl, dass diese öffentlichen Räume dann der Allgemeinheit verschlossen bleiben."
Ein anderes schwieriges Thema ist die Rolle der Beamten im Umgang mit den Rockern. Im Oktober 2011 berichtete der "Spiegel" über eine allzu große Nähe zwischen Polizisten, örtlichen Politikern und führenden Rockern im Rotlichtmilieu. Eine Einschätzung, die auch die Journalistin Christine Kröger teilt. Jahrelang hätten die deutschen Behörden nicht genau genug hingesehen beim Thema Rockerkriminalität – aber das hat sich aus ihrer Sicht positiv verändert. Dennoch, sagt Kröger, bleibt eine Gefahr bestehen:
"Nehmen wir den gemeinen Streifenpolizisten in einem Rotlichtbezirk. Wenn der weniger Einsätze hat, wenn der nachts weniger raus muss, weil da neuerdings die Hells Angels an den Türen stehen, dann ist das ja erst mal angenehm für diesen Beamten. Was man da sehen muss, ist ganz einfach, da wird ein Stück des Gewaltmonopols des Staates aus der Hand gegeben. Unmerklich, ganz allmählich. Und das ist, glaube ich, ein unhaltbarer Zustand, der aber, weil es ein schleichender Prozess ist, sehr wenig spektakulär verläuft."
Ortswechsel. Der Kiez in Hannover nachts um halb drei: Feuchtfröhlich geht es im Steintorviertel zu. Zwischen Bordellen, Stripclubs und Spielotheken dröhnt Musik aus den zahlreichen Bars und Kneipen. Hier tummeln sich vor allem junge Leute aus dem hannoverschen Umland, tanzen und trinken. Noch vor fünfzehn Jahren waren die Straßen rund um die Scholvinstraße ein gefährliches Pflaster: türkische und albanische Zuhälter lieferten sich tödliche Kämpfe um die Vormachtstellung. Doch dann kamen Ende der 90er-Jahre die Rocker zum Zuge. Hannovers Hells-Angels-Chef und Bordellbesitzer Frank Hanebuth siedelte nach Hamburger Vorbild Szeneclubs im Kiez an und machte das dunkle Steintor zu einem bunten Amüsierviertel. Der bullige Mittvierziger sorgte auch dafür, dass vor nahezu jedem Club Türsteher seiner Sicherheitsfirma standen. Getreu dem Motto: "Wer die Tür hat, hat die Macht".
Hanebuths Einfluss ist gefürchtet: Mit seinen etwa 50 Mitgliedern gilt sein hannoversches Hells-Angels-Charter als mächtigstes in Deutschland, Hanebuth selbst als einer der bundesweiten Anführer. Der kahlköpfige Mann mit dem Mongolenbart ist wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft, und der Name Hells Angels wird auch in Hannover immer wieder in Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität genannt. Doch Hanebuth ist seit 2008 strafrechtlich nicht mehr auffällig geworden und präsentiert sich gern als braver Geschäftsmann.
"Wir haben ja hier mehr oder weniger ein totes Viertel neu auferstehen lassen, und deswegen kann man da stolz drauf sein. Das sollte eigentlich nicht nur uns so gehen, sondern eigentlich allen anderen Hannoveranern – nun: Stadt, Politik, etc. Das ist hier ja auch ein Aushängeschild für Deutschland, wenn man so will. Weil es hier auch funktioniert, klappt. Aus meiner Sicht haben wir das schönste und auch sicherste Rotlicht in ganz Deutschland. Wenn man sich mal umguckt in Deutschland, kann keine Stadt mitziehen."
Inzwischen vertreiben die Hells Angels in Hannover auch eine eigene Biermarke, unterhalten am Steintor Tätowierstudios und verkaufen eigene Merchandisingartikel. Gern verweisen die Höllenrocker darauf, dass sie es angeblich gewesen seien, die für Ruhe und Ordnung im hannoverschen Steintorviertel gesorgt hätten. Sie haben versucht, eine Art Staat im Staate aufzubauen, sagt Olaf Gösmann, Leiter der zuständigen Polizeiinspektion Hannover-Mitte:
"Die haben sich ganz einfach von ihrem ursprünglichen Auftrag – der ja lediglich auf dem Hausrecht basierte – sich gelöst und haben nach außen hin dokumentiert, dass sie diese Straßen, diesen öffentlichen Raum als ihren Raum, ihre Straßen begreifen. Es wurden Personenüberprüfungen durchgeführt. Polizeibeamte, die Kontrollen durchgeführt haben, wurden mit Platzverweisen belegt. Wenn man also so will, verkehrte Welt, und das ist natürlich in einem Rechtsstaat nicht hinnehmbar."
Die Folge: In den vergangenen Jahren hat die Polizei die Kontrollen im Viertel verstärkt und die feierfreudigen Hannoveraner sogar öffentlich dazu aufgerufen, das von den Hells Angels kontrollierte Steintor zu boykottieren. Im November vergangenen Jahres dann ein politischer Eklat: Ausgerechnet der Präsident der Bereitschaftspolizei in Niedersachsen ging im Amüsierkiez ein Bier trinken und musste als Konsequenz daraus seinen Hut nehmen. Angeblich darüber verärgert, kündigte Hells-Angels-Chef Hanebuth an, seinen Sicherheitsdienst aus dem Steintorviertel abzuziehen und nur noch seine Bordelle dort zu behalten. Doch die Türsteher blieben meist dieselben Hells-Angels-Mitglieder wie zuvor, nur nicht mehr offiziell von Hanebuth angestellt. Vor wenigen Wochen ließ die Polizei daraufhin im Steintorviertel eine Wache errichten: In einem Metall-Container schieben 25 Beamte Wache und kontrollieren das Viertel. Polizeidirektor Gösmann:
"Dieser Container und die damit einhergehende 24-Stunden-Präsenz ist jetzt ein weiterer Punkt, mit dem wir klarmachen: In dieser Stadt setzt nur einer Recht und Ordnung durch, und das ist die Polizei."
Die intensive Beobachtung dient auch einem anderen Zweck: mögliche Straftaten der Hells-Angels-Mitglieder zu dokumentieren und Material zu sammeln, um in Niedersachsen ein erfolgreiches Verbotsverfahren gegen die Rocker durchzuführen. Beim Landeskriminalamt in Hannover gibt es seit 2005 eine Sondereinheit: Sie beobachtet die Rockerkriminalität in Niedersachsen intensiv. Das Problem dabei, sagt Sprecher Falco Schleier, Straftaten Einzelner mit den Clubs in Verbindung zu bringen.
"Bei aufgeklärten Straftaten werden einzelne Mitglieder von den Rockergruppierungen immer wieder versuchen, diese Straftaten auf die eigene Kappe zu nehmen, um dem eigentlichen Club, der dahinter stehen könnte, den Rücken frei zu halten und somit den Nachweis zu erschweren, dass möglicherweise Straftaten im Zusammenhang für oder mit dem Club begangen wurden."
Die niedersächsische Landesregierung schaut mit Skepsis in andere Bundesländer. Die kürzlich in Hessen durchgeführten Verbote der Hells Angels – so ist aus dem Umfeld des Innenministeriums zu hören – stünden auf wackligen Füßen: Im Verfahren seien Delikte angeführt worden, die keine Verbotsrelevanz hätten, heißt es, zum Beispiel Trunkenheit am Steuer. Die niedersächsische Landesregierung will hingegen ein juristisch handfestes Verbot erreichen, daher lässt sich Innenminister Uwe Schünemann, CDU, gern mit dem Satz zitieren: "Über Verbote redet man nicht, man macht sie".
Das sieht auch Dirk Toepffer so – Jurist, Landtagsabgeordneter und Chef der hannoverschen CDU. Er befürchtet, dass sich die nötigen Beweise für ein Verbot gar nicht mehr beschaffen ließen, weil die Rocker illegal erworbenes Geld längst in legale Geschäfte gesteckt haben könnten. Ein Problem, sagt Dirk Toepffer, sei auch die gesellschaftliche Akzeptanz der Hells Angels in der Stadt. Frank Hanebuths Anwalt und Geschäftspartner ist der Freund und ehemalige Kompagnon von Altkanzler Gerhard Schröder und auch andere hannoversche Größen zeigen sich mit dem Hells-Angels-Chef.
"Ich meine damit, dass es durchaus gesellschaftlich toleriert wird, dass Hells-Angels-Mitglieder auf gesellschaftlichen Veranstaltungen auftauchen, dass man mit ihnen Kontakt pflegt, sich dieser Kontakte sogar teilweise rühmt. Hanebuth stellt sich als seriöser Geschäftsmann dar, ist aber dann auch derjenige, der auf zweifelhafte Art und Weise zu dem Geld gekommen ist, das er jetzt als Unternehmer überhaupt einsetzt."
Die fehlende Transparenz ist auch für Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger ein Argument, über Vereinsverbote nachzudenken. Generell gilt zwar auch in Düsseldorf die Devise, über Verbote nicht zu reden, sondern sie zu machen – aber der Sozialdemokrat lässt jetzt, nach der Massenschlägerei von Mönchengladbach, durchblicken, dass er ein Verbot nicht ausschließt:
"Die Rockerbanden haben natürlich im Bereich Menschenhandel und Prostitution wirklich "Marktanteile" – in Anführungsstrichen. Und da geht es darum, das offenzulegen und da, wo Strukturen erkennbar sind, was organisierte Kriminalität angeht, auch massiv dagegen vorzugehen."
Die Diskussion um ein Verbot der Rockerbanden verläuft ähnlich wie die Debatte um ein NPD-Verbot. Das ist nicht die einzige Parallele. Die Bremer Journalistin Christine Kröger beobachtet nicht nur die Rockerszene, sondern sie hat sich auch auf das Thema Rechtsextremismus spezialisiert. Die Rocker seien zwar per se apolitisch, dennoch sieht Kröger klare Überschneidungen zwischen beiden Milieus:
"Kameradschaft, Männerbünde, übertriebene Männlichkeitsrituale, Gewaltaffinität, Fasziniert-Sein von Waffen, ein überkommenes Frauenbild. All das sind ja Merkmale, die beide Szenen einen, und so ist das Rockermilieu für Rechtsextremisten ein sehr attraktives."