Sabotage in der Ostsee
Was steckt hinter der Zerstörung der Unterseekabel?

Am ersten Weihnachtstag wurde ein Unterseekabel zwischen Estland und Finnland unterbrochen. Die finnischen Behörden vermuten Sabotage durch Russlands sogenannte Schattenflotte. Außenministerin Baerbock sprach vom „Weckruf für uns alle“.

    Öltanker Eagle S im Golf von Finnland am 28. Dezember 2024 neben dem finnischen Schlepper Ukko.
    Der finnische Schlepper Ukko mit dem Öltanker "Eagle S" im Golf von Finnland. Der Tanker segelt unter der Flagge der Cook-Inseln und gilt als Teil der russischen Schattenflotte. (picture alliance / dpa / Lehtikuva / Jussi Nukari)
    Über Weihnachten ist erneut in der Ostsee ein wichtiges Datenkabel, das Unterseekabel "EstLink 2", dieses Mal wohl von einem russischen Tanker, beschädigt worden. Obwohl es immer mal wieder Unfälle mit Ankern gibt, glauben viele nicht mehr an Zufall. Zuletzt hatte mutmaßlich ein chinesischer Frachter im November Unterseekabel in der Ostsee zerstört.
    "Fast im Monatsrhythmus beschädigen Schiffe derzeit wichtige Unterseekabel in der Ostsee“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und sprach vom „Weckruf für uns alle.“ Unterseekabel seien "die Kommunikationsadern, die unsere Welt zusammenhalten".
    Mit den Attacken will Russland wohl provozieren, sie gehören mit zu Russlands hybrider Kriegsführung. Allerdings ist der Zugriff auf Schiffe der sogenannten Schattenflotte aufgrund des Seerechts stark eingeschränkt.

    Inhalt

    Was ist passiert?

    An dem Stromkabel "EstLink 2" zwischen Finnland und Estland war am ersten Weihnachtstag ein Schaden festgestellt worden. Die finnischen Behörden vermuten, dass der Anker eines vom russischen St. Petersburg aus gestarteten Öltankers das am Boden der Ostsee verlaufende Kabel beschädigt hat. Finnland stoppte den verdächtigen Tanker "Eagle S", der unter der Flagge der Cook-Inseln fuhr, und eskortierte ihn in finnische Gewässer.

    Was steckt dahinter?

    Die finnischen Ermittler vermuten, dass der Tanker "Eagle S" zur sogenannten russischen Schattenflotte gehört, mit der Russland das vor zwei Jahren im Zuge des Ukraine-Krieges verhängte Öl-Embargo umgeht. Für die Schattenflotte nutzt Russland unter fremder Flagge fahrende Tanker, um ungeachtet der internationalen Sanktionen Rohöl und Ölprodukte zu exportieren. Mit der Schattenflotte finanziere das Land den russischen Kriegshaushalt, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der EU-Kommission und der Außenbeauftragten Kaja Kallas. 
    Aus Sicht des Sicherheitsexperten Johannes Peters von der Universität Kiel sehe man jetzt zum dritten Mal „ein relativ identisches Muster, dass ein Schiff, das mit Russland zumindest in Verbindung steht, seinen Anker benutzt, um mit auffälligen Fahrmanövern über kritische Infrastruktur, über Datenkabel und Stromtrassen offenbar Schaden zu verursachen". Von Zufall könne man da kaum mehr sprechen.

    Wie funktioniert Russlands Schattenflotte?

    Das sind Schiffe, die unter der Flagge von Staaten registriert sind, die kein großes Interesse daran hätten, geltendes Recht tatsächlich durchzusetzen, erklärt Johannes Peters. Daher ließen diese sogenannten Flaggenstaaten solche Schiffe weitgehend unbehelligt.
    Wenn sich zudem der Reedereistandort in einem Land befindet, das ebenso wenig Interesse habe, internationales Recht einzufordern, sei es aufgrund des Seerechts relativ einfach, mit solchen Schiffen durch die Gegend zu fahren und – wie jetzt im Falle Russlands – Sanktionen zu umgehen. Außerdem hat ein Handelsschiff keinen Kombattanten-Status, d.h. Kriegsschiffe könnten es nicht einfach festsetzen.
    Russland sei als Staat zudem erst einmal nicht involviert. Der Tanker ist auf den Cook-Islands registriert, und nach Kenntnis von Johannes Peters befindet sich die zugehörige Reederei „irgendwo in den Arabischen Emiraten".

    Wie reagieren EU und NATO darauf?

    NATO-Generalsekretär Marc Rutte kündigte eine höhere Militärpräsenz in der Ostsee an. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sagte, man werde „weitere Maßnahmen, einschließlich Sanktionen vorschlagen, um gegen diese Flotte vorzugehen“.
    Die russische Schattenflotte sei "eine große Gefahr für unsere Umwelt und für unsere Sicherheit", erklärte Bundesaußenministerin Baerbock. Daher seien mehr als 50 Schiffe bis Mitte Dezember mit europäischen Sanktionen belegt worden. "Weitere EU-Sanktionen gegen die Schattenflotte müssen folgen", forderte Baerbock. Sie kündigte an, die Zusammenarbeit zwischen NATO und EU auszubauen. "So beraten wir derzeit gemeinsam mit unseren NATO-Partnern, wie wir die Ostsee besser vor hybriden Gefahren sichern können." 
    Sicherheitsexperte Peters sieht darin ein Signal, dass man nicht länger bereit sei, die Sabotage-Akte hinzunehmen und auf eine etwaige Eskalation vorbereitet sei.

    Welche Rolle spielt das Seerecht?

    „Das Seerecht kennt und garantiert die Freiheit der Meere“, erläutert Johannes Peters. Dementsprechend ließen sich Schiffe nicht einfach so an Durchfahrten oder an Transit hindern.
    In diesem Fall sei es das große Glück gewesen, dass die Behörden offenbar sehr gut informiert gewesen seien und Finnland "sehr, sehr schnell reagiert hat", so der Sicherheitsexperte. Das Schiff befand sich noch in finnischen Hoheitsgewässern – nur deswegen konnte Finnland den Tanker stoppen.
    Aus Sicht von Johannes Peters ist die „enorme Länge an Kabeln, an Infrastruktur unter Wasser nicht lückenlos zu schützen". Das Beste, was man machen könne, sei, sich ein möglichst gutes Lagebild zu verschaffen, um schnell agieren zu können, „so wie man es jetzt in dem vorliegenden Fall auch gemacht hat".
    Der Experte sieht weniger Gefahr mit Blick auf die hybride Kriegsführung, als aus Umweltschutzgründen. Die Tanker seien im fragwürdigen technischen Zustand. Die Havarie eines solchen Schiffes mit einer Ölpest wäre verheerend für die Ostsee. Ihr hochsensibles Ökosystem sei bereits sehr stark belastet. Schon aus diesem Grund sei die russische Schattenflotte eine Gefahr.

    tha