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Untersuchung zur Mediennutzung
"Multitasking bei Studierenden ist offensichtlich eine Fiktion"

Smartphones lenken so sehr ab, dass die Leistungen im Schnitt um ein Drittel schlechter ausfallen. Das ist das Ergebnis eines Experiments, das an fünf verschiedenen Universitäten durchgeführt wurde. Studenten konnten einfache Fragen nicht beantworten, weil sie eine "WhatsApp"-Nachricht erhalten hatten, sagte der Untersuchungsleiter Joachim Riedel im DLF.

Joachim Riedel im Gespräch mit Sandra Pfister |
    Schüler schreiben SMS und telefonieren am 22.04.2013 auf einem Schulhof in Braunschweig (Niedersachsen).
    WhatsApp-Nachrichten lenken Studierende während des Unterrichts ab. Die Leistung sinkt um etwa 30 Prozent. ( picture alliance / dpa)
    Sandra Pfister: Früher hat man sich in der Vorlesung Zettelchen geschrieben. Heute schicken sich die Studierenden "WhatsApp"-Mitteilungen oder sind in sozialen Netzwerken unterwegs. Viele Professoren stört das, aber Studierende verweisen dann gern darauf, dass sie ja trotzdem alles mitkriegen. Ein Professor von der Hochschule Hof wollte das jetzt mal genauer wissen: Er hat an fünf verschiedenen Unis ein Experiment durchgeführt und dabei festgestellt, die Smartphones lenken so sehr ab, dass die Leistungen im Schnitt ein Drittel schlechter ausfallen. Professor Joachim Riedl, guten Tag!
    Joachim Riedl: Guten Tag!
    Pfister: Herr Riedl, überrascht hat Sie das nicht, stimmt's?
    Riedl: Nein, denn das glaubt man natürlich als Dozent, schon bemerkt zu haben, dass die Aufmerksamkeit geringer wird in den letzten Jahren.
    Pfister: Es hat Sie nicht überrascht, aber jetzt machen Sie nach dem, was Sie untersucht haben, eine recht präzise Angabe darüber, wie die Handynutzung die Aufmerksamkeit tatsächlich einschränkt. Wie konnten Sie das denn so genau herausfinden?
    Riedl: Wir haben ein sehr einfaches Experiment gemacht mit mehreren hundert Probanden, und zwar haben die ein kleines Filmchen vorgestellt bekommen, das auf "YouTube" verfügbar ist. Karl Popper beschreibt Grundzüge des Kritischen Rationalismus in einer sehr, sehr einfachen Sprache. Zu diesem Zeitpunkt haben einzelne Studierende dann eine "WhatsApp"-Nachricht geschickt bekommen auf ihr Smartphone, das sie vorhanden hatten. Wir haben dann anschließend ganz einfach gemessen, können diese Studenten trotz so einer Störung einfache Fragen beantworten oder können sie es nicht. Wir stellen fest, dass auf der Ebene von Studiengruppen die Leistung um 30 Prozent sinkt.
    Leistung sinkt bei Gebrauch von WhattsApp-Nachrichten
    Pfister: Ist das so eine Art Stichprobe oder müsste man das noch mal genauer untersuchen?
    Riedl: Daten sind bei so einer Größenordnung von Probanden relativ reliabel. Das kann man natürlich noch mal untersuchen, aber ich habe eigentlich keinen Zweifel daran, dass bei einer Wiederholung das Gleiche herauskäme, zumal es Kollegen auf der ganzen Welt gibt in der Zwischenzeit, die ähnliche Studien durchgeführt haben und die zum Teil zu gerade noch gravierenderen Ergebnissen kommen.
    Pfister: Das bedeutet im Ergebnis, Multitasking bei Studierenden ist eine Fiktion, oder?
    Riedl: Das ist offensichtlich eine Fiktion, wenn wir davon ausgehen, dass es sich um kognitives Multitasking handeln soll, also dass ich dazu in der Lage bin, einen bewussten Prozess gleichzeitig in mehrere Richtungen zu lenken. Ich kann natürlich spazieren gehen und mich gleichzeitig unterhalten – das ist auch eine Form von Multitasking – oder vielleicht noch ein Wurstbrot dabei essen, aber gleichzeitig zwei verschiedenen Personen zuzuhören, das geht nicht. Das wissen Psychologen und Gehirnwissenschaftler schon seit Langem.
    Pfister: Was Sie festgestellt haben, das gilt dann vermutlich auch für Tablets, weil das eine ähnliche Quelle ist. Was sagen Sie dazu, dass viele Dozierende Smartphones und Tablets ganz regulär bespielen mit Unterrichtsstoff? Trägt das dann auch dazu bei, dass sich Smartphones und Tablets im Hörsaal immer breiter machen und damit auch ihre ablenkenden Folgen?
    Riedl: Dagegen ist überhaupt nichts zu sagen, und es ist auch nicht der Kern unserer Studie gewesen. Das möchte ich ausdrücklich betonen. Wir haben weder etwas gegen die digitalen Medien noch gegen die Endgeräte. Der Nutzen steht für uns vollkommen außer Frage. Wir haben auch eigene Lehrveranstaltungen zu diesen Themen, und da ist es eigentlich völlig egal, ob ich vom Smartphone oder vom Tablet rede oder von einem Notebook, das ein Student dabei hat. Dieses zielgerichtet einzusetzen im Unterricht ist eine sinnvolle Angelegenheit. Bei uns ging es eher darum, wie wirkt sich das aus, wenn die Studierenden das tun, was sie sonst in ihrem Leben auch sehr häufig tun – das sind die Facebook-Nachrichten, das ist das liken von irgendwelchen Pizzen, die man gestern gegessen hat, und das stört ganz massiv. Das stört genauso wie wenn ich mich parallel mit meinem Nachbarn unterhalte. Das stört genauso wie wenn ich die Zeitung lesen würde währenddessen.
    Auf pädagogische Einsicht hoffen
    Pfister: Was raten Sie denn jetzt? Eigentlich sind Studierende alt genug, um entscheiden zu können, ob sie im Hörsaal zuhören wollen oder sich ablenken wollen, oder wollen Sie eine Art Smartphone-Verbot im Hörsaal?
    Riedl: Ich habe auf Basis dieser Studien aus ganz Deutschland überraschenderweise von vielen Kollegen Response bekommen, die alle mit dieser Thematik kämpfen. Eigentlich ist es überall die Frage, wie man damit umgeht. Ich habe gehört von Hochschulen, wo es in jedem Hörsaal ein Schild gibt, wo steht, Smartphones sind verboten, wie an Schulen beispielsweise auch. Es gibt andere, die sagen, nein, wir wollen die Medien und Onlinekompetenz unserer Studierenden fördern, und wir stellen das völlig frei, was jemand tut. Wenn Sie mich nach meiner eigenen Meinung fragen: Ich würde sagen, die ganze Technik ist eigentlich noch viel zu neu, als dass der Mensch schon gelernt hat, wie er richtig damit umzugehen hat. Der ganze Nutzen steht vollkommen außer Frage, aber man muss erst noch richtig lernen, dass es auch Zeiten gibt, wo man selber am meisten davon profitiert, wenn man die Geräte mal auslässt und sich auf etwas anderes konzentrieren kann.
    Pfister: Also nicht verbieten, sondern auf pädagogische Einsicht hoffen.
    Riedl: Würde ich doch sagen, ja.
    Pfister: Das war Joachim Riedl, Professor an der Hochschule Hof. Er hat untersucht, wie sehr Studierende im Hörsaal sich durch das permanente Starren aufs Handy ablenken lassen. Danke, Herr Riedl!
    Riedl: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.