Unteruhldingen am Bodensee: Vor der Kulisse des Pfahlbaumuseums steigt ein Mann, Anfang 50, aus dem Wasser, streift sich Taucherbrille und Sauerstoff-Flasche ab. Professor Gunter Schöbel von der Uni Tübingen, der das Pfahlbaumuseum leitet, ist Taucharchäologe. Und gerade der Bodensee birgt für einen Fachmann wie ihn viele wertvolle Schätze.
"Man sieht dort unten, wenn man weiß, wo die Stelle ist, rund 20 000 Pfähle aus der ehemaligen Bronzezeit."
In einer Wassertiefe von rund fünf Metern ragen die Pfahlstümpfe aus Eiche immer noch senkrecht aus dem schlammigen Untergrund nach oben. Vor etwa fünf bis 6000 Jahren befanden sich auf diesen Stümpfen Holzhäuser. Was davon übrig blieb, hat die Unesco mittlerweile zum Weltkulturerbe erklärt. Doch Wissenschaftler wie Gunter Schöbel interessieren sich vor allem für das, was eher unscheinbar zwischen den Pfählen abgelagert ist und sich unter Abschluss von Luft und Umwelteinflüssen über die Jahrtausende erhalten hat.
"Das sind kleinste Elemente, wie Pollen, die uns Informationen geben über die damaligen Wälder, über die Ackerbauflächen. Das sind Reste von Nahrungen, fragile Dinge, wie Holzgefäße."
Behutsam bringen Taucharchäologen wie Gunter Schöbel Proben davon an die Oberfläche – Proben, die im Labor genau auf ihre Zusammensetzung untersucht werden. So erfahren die Wissenschaftler, wie sich unsere Vorfahren ernährt haben.
"Das Essen war für unsere Verhältnisse etwas eintönig. Im Wesentlichen bestand die Nahrung aus einem Getreidebrei, der vielleicht mal mit einer Handvoll Kirschen, mit Haselnüssen oder auch, wenn es etwas feudaler wurde, mit Fischzusätzen zu sich genommen wurden, eigentlich ein etwas einfacheres Essen."
Das allerdings ist überraschend, ernährten sich doch die Jäger und Sammler rund 2000 Jahren zuvor wesentlich vielseitiger; da gab es zum Beispiel viel mehr Fleisch. Die Erklärung für die Vereinfachung des Speiseplans, die sich durch die taucharchäologischen Funde belegen lassen: Als sich die Menschen in den Pfahlbauten ansiedelten, hatten sie bereits den Ackerbau für sich entdeckt. Fortan gab es das zu essen, was auf dem Feld wuchs, aber so gut wie kein Fleisch mehr. Das aber ging zu Lasten der Vielfalt des Speiseplans, so Schöbel,
"..während auf der anderen Seite es ihnen der Ackerbau ermöglicht, nahezu die zehnfache Menge in ihrer dörflichen Gemeinschaft zu ernähren. Also es hat durchaus auch Vorteile, wenn man ein einfaches Essen zu sich nimmt."
Das Ganze führen die Wissenschaftler als Beispiel dafür an, wie Funde der Taucharchäologen zu neuen Erkenntnissen der Siedlungsgeschichte führen. Und das trifft, wie auf der Tagung deutlich wird, nicht nur auf die Pfahlbausiedlungen am Bodensee und in den Voralpenseen zu. Sergey Olkovsskiy arbeitet als Taucharchäologe am Institut für Archäologie der Russischen Akademie der Wissenschaften:
"In der Ostsee hat man während der Arbeiten an der North-Stream-Erdgaspipeline 25 uralte hölzerne Schiffswracks gefunden, nur in einem einzigen Abschnitt. Die Wracks stammen aus dem 17. bis 19. Jahrhundert. Diese Schiffe waren mit Waren beladen, die sie nach Russland bringen sollten. Und herauszufinden, um welche Waren es sich dabei handelt, ist nun sehr spannend für uns. Denn zuvor hatten wir keine vergleichbaren Untersuchungsobjekte."
Möglicherweise werden die Taucharchäologen sowohl im fernen Russland als auch am Bodensee verstärkt Elektronik einsetzen, um archäologische Schätze am Grund schneller zu entdecken. So bedienen sie sich immer häufiger so genannter "Seitensicht-Sonarsysteme". Taucharchäologe Gunter Schöbel:
"Das sind, ganz einfach gesagt, Geräte, die Töne an den Seeboden senden, die dann wieder aufgefangen werden. Und durch dieses ‚Wiederauffangen‘ entstehen Strukturen, entstehen Pläne. Sie können ganze Unterwasserstädte damit aufnehmen."
Der Nachteil des Verfahrens: Fundstücke am Grund eines Sees oder eines Meeres können nur mit einer Genauigkeit von zehn Metern und darüber detektiert werden. Wesentlich präziser dagegen ist das Grünlaser-Verfahren, mit dem die Unterwasserarchäologen aber erst seit kurzem experimentieren. Laserstrahlen im grünen Wellenbereich können die Wasseroberfläche bis zum Grund durchdringen und in einem Raster von unter einem Quadratmeter vermessen.
Schöbel: "Es gibt Grünlaser, wo sie inzwischen auch mit Flugzeugen auch durch das Wasser solche Pfahlfelder erkennen. Insofern fühlen sich viele auch bestärkt, solche Fundstellen nicht mehr mit den Händen auszugraben, sondern alle Technologien einzusetzen, die man hat."