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Unterwegs auf leisen Rädern

Nicht nur mit seinen Abgasen, auch akustisch ist der Autoverkehr ein gewaltiger Umweltverschmutzer. Elektroautos laufen leiser, doch ist das elektrogetriebene Heranschleichen vielleicht ein Sicherheitsrisiko? Auf der Jahrestagung der deutschen Gesellschaft für Akustik, diese Woche in Darmstadt, ist der Sound von Elektroautos eines der heißen Themen.

Von Ralf Krauter |
    Das Beeindruckendste bei der Fahrt mit einem Elektroauto ist, wie leise der Wagen beschleunigt. Doch die ungewohnte Ruhe des Elektromotors bringt auch Probleme mit sich, weiß Professor Klaus Genuit von der Firma Head Acoustics in Herzogenrath.

    "Der Nachteil ist: Er ist eben so leise, dass eben alle kleinen Störgeräusche, die bisher von einem Verbrennungsmotor einfach maskiert werden, jetzt hörbar werden. Das heißt, man hört ein Heulen, ein Jaulen, ein Pfeifen, ein Zwitschern, was alles sehr leise ist, aber nicht als besonders angenehm empfunden wird. Das heißt, es gibt ganz neue Geräuschphänomene, die auch zum Teil in einem ganz anderen Frequenzbereich liegen als bei einem Verbrennungsmotor, die bearbeitet werden müssen."

    In den Entwicklungsabteilungen großer Automobilhersteller sind Akustikforscher derzeit deshalb sehr gefragt. Sie sollen störende Geräuschquellen etwa im Getriebe und der Elektronik aufspüren und entweder zum Schweigen bringen oder ihren Klang so verändern, dass sie weniger nerven.

    Parallel dazu tüfteln die Sounddesigner an künstlich erzeugten Geräuschen, die über Lautsprecher nach außen abgestrahlt werden. Der Grund: Blindenverbände beklagen, dass Elektroautos im Stadtverkehr kaum zu hören sind. Eine Studie aus den USA, die zu dem Schluss kam, das erhöhe die Unfallgefahr, ist methodisch zwar umstritten. Ein Vergleichstest an der Universität Bochum deutet nun aber in dieselbe Richtung. Versuchspersonen, die mit geschlossenen Augen am Straßenrand standen, nahmen einen nahenden Fiat 500 mit Elektroantrieb erst später wahr, als einen baugleichen Kleinwagen mit Verbrennungsmotor, erklärt Sebastian Gergen vom Institut für Kommunikationsakustik.

    "Unsere Experimente haben ergeben, dass insbesondere bei langsamen Fahrgeschwindigkeiten und bei Maskierung durch ein danebenstehendes Fahrzeug im Leerlauf Elektrofahrzeuge später gehört wurden."

    Um Passanten im Stadtverkehr nicht zu gefährden, gibt es in Japan schon gesetzliche Mindestgeräuschpegel für E-Mobile. Auch in den USA und Europa denkt man darüber nach. Gergen:

    "Es ist ja durchaus schon in der Diskussion, das bei sehr geringen Geschwindigkeiten zu tun. Vielleicht so bis 20 km/h. Und das ist also auch ein Ergebnis, das durch unsere Messungen unterstützt wird."

    Aber ist es wirklich sinnvoll, Elektroautos auf Schleichfahrt durch obligatorische Warnsignale künstlich lauter zu machen? Etwa durch Geräusche aus dem Sounddesign-Labor.

    Klaus Genuit von der Firma Head Acoustics hat Zweifel, ob das der richtige Weg ist.

    "Es gibt ja schon Fahrzeuge, die diese Geräusche machen. Wenn man sich ein einzelnes anhört, dann mag das ja vielleicht noch akzeptabel sein. Wenn ich mir jetzt aber vorstelle, an einem Supermarkt parken gerade 20 Autos ein und aus und alle machen dieses Tüdelidüt oder sonstiges Geräusch, dann ist das sehr, sehr nervig. Und das Problem ist: Das Gehör wird quasi überlastet mit vielen Warngeräuschen. Ein Warngeräusch ist nur dann sinnvoll, wenn ich es nur ab und zu mal höre, wenn eine kritische Situation ist."

    Analysen zufolge könnten Elektroantriebe vor allem den Verkehrslärm an innerstädtischen Kreuzungen stark verringern. Welchen Vorteil an Lebensqualität das bringt, verdeutlichen akustische Simulationen, die Head Acoustics im Rahmen eines EU-Forschungsprojektes gemacht hat.

    So klingt eine typische Straßenszene mit fließendem Verkehr bei Tempo 30 heute.

    Und so viel leiser klänge sie im Zeitalter der Elektromobilität.

    Doch bis dieses rein elektrische Mobilitätsszenario Wirklichkeit wird, haben Akustikexperten und Sounddesigner noch viel zu tun.