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Unterwegs im AfD-Land
Ein Denkzettel soll es sein

Das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hatte es in sich. 24 Prozent der Stimmen erhielt die Alternative für Deutschland. Gerade im Süden Sachsen-Anhalts konnte die Partei viele Direktmandate holen. So auch in Nebra, einem Ort, der bisher dafür berühmt war, dass hier die weltweit älteste Abbildung des Sternenhimmels gefunden wurde.

Von Christoph Richter |
    Das Ortsschild von Nebra in Sachsen-Anhalt.
    Nebra in Sachsen-Anhalt. Fasst die Hälfte der Stimmberechtigten wählte AfD. (imago/Steffen Schellhorn)
    "Die Regierung, die reden doch gar nicht mit uns, die gehen doch gar nicht auf die kleinen Leute ein. Das ist es doch…" Klaus - der eigentlich anders heißt – ist sauer und frustriert über die Politiker der sogenannten etablierten Parteien wie er sagt. Ein kleiner Mann, Mitte 60. Er hat aus Protest AfD gewählt. Klaus lebt im Süden Sachsen-Anhalts, in Nebra. Eine 3.000 Einwohner Gemeinde, zwischen Erfurt und Halle, an der Saale-Unstrut Weinstraße gelegen. Hier hat fast jeder Zweite die AfD gewählt. Ungewohnt offen erklären die Menschen die Gründe ihrer Wahl. Problem nur eins: die Flüchtlinge.
    "Sie kommen hierher, sie kriegen Wohnung, kriegen Möbel hingestellt, die müssen sich mal um unsere Leute kümmern. Die kriegen alle zu wenig Rente", das gehe doch nicht so weiter, schimpft der frühere Handwerker. Er bekäme gerade mal 800 Euro Rente, seinen Lebensabend hätte er sich anders vorgestellt. Weshalb man den Volksparteien mal eins auswischen wollte, sagt seine Frau, die neben ihm steht. "Das war wie ein kleiner Denkzettel."
    39,5 Prozent der Stimmen in Nebra gingen an die AfD, an die Direktkandidatin Lydia Funke. War das zweitbeste Ergebnis der AfD in ganz Sachsen-Anhalt. Funke ist ein Zögling von AfD-Landeschef André Poggenburg und Stadträtin in Nebra. Sie vertritt bisweilen radikale Ansichten. Zitat: "Wir werden nicht prüfen, ob straffällig gewordene Ausländer ausgewiesen werden, sondern wir schmeißen sie raus«. Das soll sie bei einer Demo gerufen haben, schreibt die Wochenzeitung "Die Zeit". In Magdeburg hat AfD-Frau Lydia Funke vor drei Wochen erklärt, was ihr wichtig ist. "Mein Thema: Mut zur Leistung, statt rot-grüner Bildungsexperimente. Die Bildung unterliegt seit Jahren ideologischen Bildungsexperimenten, wie Gender-Mainstreaming, Inklusion, aber auch der Frühsexualisierung."
    Kommunaltechnisch abgehängt und hohe Arbeitslosigkeit
    Während die CDU im Norden die Direktmandate abgeräumt hat, hat die AfD im Süden ihre Basis. Vor allem in den strukturschwachen Regionen, um Städte wie Zeitz, Eisleben oder Sangerhausen. Die "FAZ" beschrieb das Phänomen mit dem Satz: "Wo die Ostalgie verblasst, blüht der nationale Widerstand." Fünfzehn Direktmandate konnte die AfD erreichen, für eine Landtagswahl ein bundesweiter, bisher unerreichter Spitzenwert. Ein Erklärungsversuch. "Weil der Norden auch mehr unterstützt wird, kommunaltechnisch als der Süden. Auch die Arbeitslosigkeit spielt eine wahnsinnige Rolle", sagt Antje Scheschinski. Graue Lederjacke, Jeans, dünnes zwieseliges graues Haar. Sie ist Bürgermeisterin in Nebra, im Burgenlandkreis. Arbeitslosenquote 14,1 Prozent, im Vorjahr waren es noch 15,3 Prozent. "Was mich so zum Nachdenken bringt. Voriges Jahre – ich bin ja erst seit 1. 7. im Amt – wählt man einen Bürgermeister, der von den Linken unterstützt wird, ein halbes Jahr später wählt man mit so einer überragenden Mehrheit die AfD."
    Nicht überraschend für den Rechtsextremismus-Experten David Begrich, er konstatiert einen Rechtsruck gerade im Süden Sachsen-Anhalts. "Wenn wir noch mal schauen, wo sind denn in der Vergangenheit Kampagnen rechter Parteien gelaufen, wo sind die auch erfolgreich gelaufen. Wenn wir dann in den Süden Sachsen-Anhalts schauen, dann muss man feststellen, die haben dort vor allen Dingen im Burgenlandkreis geankert. Dort ist so etwas wie eine Normalisierung der Anwesenheit von rechten Politik-Konzepten entstanden, die für die AfD sicher so etwas wie ein Türöffner gewesen sind."
    "Das ist jetzt mal ein Denkzettel"
    Rechts – nein, das sei man nicht, sagen die Leute in Nebra. Und schütteln energisch den Kopf. Man fühle sich von den großen Parteien vergessen, weshalb man die AfD gewählt habe, sagen die Menschen. Fast ein bisschen trotzig. "Ja, was sollen die tun? Die sollen es besser machen. Jetzt nicht so rassistisch oder was. Sondern die sollen sich jetzt rühren. Und sagen, wir wollen jetzt das kleine Volk mal vertreten."
    Das davon in den Wahlprogrammen der AfD aber wenig steht, das wissen sie, sagen viele der AfD-Wähler, wenn man sich so umhört.
    "Die AfD bleibt auch nicht, das ist jetzt bloß mal ein Denkzettel gewesen, das ändert sich wieder."
    "Das die Regierungen da oben mal munter werden, die müssen mal sehen was los ist hier. Die müssen mal horchen, wie ist es draußen."
    So hat man zumindest Nebra – das nicht nur für seine Himmelsscheibe, sondern auch für sein Buntsandstein, aus dem der Berliner Reichstag und das Brandenburger Tor gebaut worden sein soll - den Eindruck, als sei der Wahlerfolg der AfD ein großer Hilfeschrei.