Zwischen der Nationalstraße 236-1 und der Kleinstadt Pedrógão Grande liegt ein hügeliges, zehn Kilometer langes Waldgebiet. In den vier Monaten seit der Katastrophe hat der Waldbrandspezialist Xavier Viegas mitbekommen, wie die Spuren des Feuers nach und nach verwischt worden sind: verkohlte Leitplanken und Verkehrsschilder wurden ausgetauscht, beschädigte Wegstrecken neu asphaltiert, mit dem Wiederaufbau von zerstörten Häusern begonnen.
"Wir haben festgestellt, dass sich die Menschen hier sehr für den Wiederaufbau engagieren. Die Behörden haben die Straßen erneuert – und das ist ein klares Zeichen, dass sie sich um ein Stück Normalität in der Region bemühen. Der Tourismus ist wichtig und die Besucher sollen zurückkommen. Die Botschaft ist eindeutig: Die Region will nicht ein Sinnbild für die Zerstörung sein, sondern für den Neubeginn."
Auf 53.000 Hektar stehen die verbrannten Bäume
Viegas sitzt auf der Rückbank seines Dienstwagens und schaut aus dem Fenster. Das Feuer hat nicht nur Häuser und Straßen zerstört, sondern vor allem den Wald. Auf einer Fläche von insgesamt 53.000 Hektar stehen die verbrannten Bäume: manche waren so verkohlt, dass sie längst in sich zusammengefallen sind, an anderen fegten die Flammen scheinbar nur oberflächlich vorbei.
In der Nähe der Ortschaft Vila Facaia steht mitten im Wald eine riesige Maschine: sechs mächtige Reifen, ein Fahrerhaus und ein zehn Meter langer, beweglicher Kranarm mit Greifvorrichtung und automatisch bedienbarer Kettensäge. Ein Kopf am Ende des Arms umschließt eine zwanzig Meter hohe Kiefer unten am schwarz verbrannten Stamm, sägt sie ab, hebt sie kurz senkrecht nach oben und lässt sie dann wuchtig auf den Waldboden fallen. Es knirscht und staubt.
Der Wald als Existenz für den Familienbetrieb
Ein kräftiger Mann klettert aus dem Fahrerhaus und läuft an den abgesägten Stümpfen vorbei bis zu einem nicht asphaltierten Waldweg. Tiago Antão ist Waldarbeiter und unterhält mit seinem Vater einen kleinen Betrieb in der Nähe. Seine Familie lebt seit Generationen vom Wald, erzählt er. Früher ging es nicht nur um das Holz, sondern auch um das Harz, das aus den Kiefernstämmen gewonnen wurde. Tiago spricht in kurzen Sätzen und mit regional gefärbter Aussprache. Der 35-jährige streift seine verschwitzten Hände an seinem mächtigen Bauch ab, der sich durch das verschmierte T-Shirt drückt.
"Mit der Maschine hier mache ich alleine die Arbeit von zehn Waldarbeitern. Wenn wir die Maschinen nicht hätten, dann wüssten wir nicht, wie wir die ganzen verbrannten Bäume abholzen sollen. Das alles würde stehen bleiben. Niemand interessiert sich für diese Arbeit. Ich suche seit Monaten jemanden, der das Holz bei uns im Betrieb weiterverarbeitet, bevor wir es in die Fabrik bringen. Gibt es nicht! Seit Juli brauche ich einen Lkw-Fahrer – den gibt es auch nicht! Heutzutage wollen doch alle nur Ärzte und Ingenieure und weiß der Teufel was sein, aber den Lkw muss jetzt mein Vater fahren und ich mach das mit den Maschinen. Jeden Tag von morgens um sechs bis abends um zehn."
Pilze befallen die toten Stämme
Tiago läuft auf einen Stapel Holz zu, der am Rande des Waldweges auf den Abtransport wartet. Er zeigt auf ein paar blaue Flecken auf dem hellen Kiefernholz – die ersten Anzeichen, dass ein Pilz den toten Stamm bereits befallen hat. Für die Herstellung von Pressspan sei das nicht so schlimm, sagt Tiago, aber die Fabrik würde dieses Holz nicht zur Produktion von Brettern verwenden und damit auch weniger Geld dafür bezahlen.
"Im Juli haben wir noch 55 Euro pro Tonne bekommen, doch jetzt kriegt die Fabrik plötzlich von überallher Holz und zahlt nur noch 45 Euro. Und irgendwann kaufen sie dann gar kein Holz mehr auf, weil es zu leicht oder schon vom Pilz befallen ist."
In dem kleinen Kiefernwaldstück stehen auch hier und da ein paar Eukalyptusbäume: Die dünne Rinde leicht verbrannt, ein paar verkohlte Blätter hängen in der Baumkrone. Tiago zuckt kurz mit den Schultern
"Die Politiker interessieren sich nicht für den Wald. Sie können ja kaum eine Kiefer von einem Eukalyptusbaum unterscheiden. Immer ist der Eukalyptus an allem Schuld. Aber schau dich doch mal um: Hier stehen fast nur Kiefern und trotzdem ist alles verbrannt. Das Problem ist, dass niemand die Grundstücke in Schuss hält. Und selbst wenn das jemand auf seiner kleinen Parzelle macht, dann herrscht halt auf dem Nachbargrundstück Wildwuchs und es brennt dann trotzdem überall."
Ein roter Pick-up hoppelt langsam über den Waldweg und bleibt dann stehen. Ein freundlich aussehender, älterer Mann lehnt sich aus dem Seitenfenster. Es ist Tiagos Vater. Ein kurzes Schwätzchen, dann fährt er weiter. Sein Sohn schaut ihm kurz nach und lächelt.
"Als ich zehn oder zwölf Jahre alt war, kam mein Vater in der Mittagspause in die Schule und hat mich abgeholt, um an den ersten Maschinen zu lernen. Er hat mir gesagt: 'Nachmittags ist keine Schule.' Das war natürlich gelogen. Aber so habe ich ziemlich früh Gefallen an dem Job gefunden. Und irgendwann bin ich ganz aus der Schule raus."
Eukalyptus muss mindestens zehn Jahre wachsen
In den kommenden Monaten ist Tiago Antão vollkommen ausgebucht. Doch nach ein, zwei Jahren, wenn die verbrannten Bäume vermodert und wertlos seien, werde er immer weniger Aufträge bekommen: Denn Eukalyptus wächst mindestens zehn Jahre lang, bevor er zum ersten Mal gefällt wird, Kiefern brauchen sogar über zwanzig Jahre.
"Wir haben immer hier in der Gegend gearbeitet und sind höchstens mal eine halbe Stunde gefahren, um einen Job zu erledigen. Jetzt werden wir mindestens doppelt so lange fahren müssen, bevor wir überhaupt auf grüne Bäume treffen. Das Problem ist, dass hier sehr viele Leute vom Wald leben und alle jetzt woanders hinfahren, um an frisches Holz zu kommen. Die Konkurrenz wird knallhart sein. Vielleicht stelle ich die Maschinen einfach mal ein paar Jahre in den Schuppen und mache etwas anderes. Oder ich wandere aus, zum Beispiel nach Frankreich, da habe ich schon mal gearbeitet. Nur stillsitzen kann ich nicht, schließlich habe ich eine Familie, die jeden Tag Essen auf dem Tisch haben will."
Viele Arbeiter haben ihren Job verloren
Wer in der Region nicht in der Forst- und Landwirtschaft oder in einer öffentlichen Behörde arbeitet, der muss weite Weg in Kauf nehmen, um einen Arbeitsplatz zu finden. Der Brand in Pedrógão Grande hat auch mehrere Fabriken zerstört, rund 200 Arbeiter haben ihren Job verloren.
Bevor Tiago wieder in das Fahrerhaus seiner Forstmaschine steigt, erzählt er schmunzelnd noch ein bisschen von seinem kleinen Sohn. Der wolle immer mit dem Papa mit auf den Traktor oder in den Laster. Und vielleicht arbeitet er später ja auch mal im Wald, sagt Tiago. Das sei zumindest besser als Stehlen.