"Er hat bewirkt die Legitimität kämpferischen jüdischen Einsatzes in Deutschland. Das hat vor ihm kein jüdischer Funktionär, niemand hatte das gewagt."
Dieter Graumann, Mitglied des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.
"Und hat für uns ein Tor aufgestoßen, das wir bis heute immer wieder durchgehen. Er hat verstanden: Wer immer nur lächelt, der kann nie zubeißen. Und wer nie zubeißen kann, der wird am Ende auch nicht respektiert."
Die Rede ist von Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland von 1992 bis zu seinem Tod im Jahre 1999. Ein Verbandspolitiker mit großer öffentlicher Wirkung, dessen Vita exemplarisch ist für die komplizierte deutsch-jüdische Nachkriegsgeschichte. Ignatz Bubis steht für den Versuch, nach dem Zivilisationsbruch von Auschwitz in Deutschland wieder jüdische Religion und jüdische Kultur zu leben.
Das Jüdische Museum Frankfurt widmet Ignatz Bubis, der in diesem Jahr 80 geworden wäre, nun eine Ausstellung: "Ein jüdisches Leben in Deutschland". Sie wird morgen mit einer Festveranstaltung an symbolträchtigem Ort offiziell eröffnet: in der Paulskirche - dort, wo Martin Walser 1998 mit seiner, sagen wir mal: zu Mißdeutungen einladenden Friedenspreisrede Bubis vehementen Widerspruch provoziert hatte.
Ein erster Blick auf die Ausstellung und das Begleitprogramm zeigt, wie eng die Biographie und das politische Wirken des Holocaustüberlebenden mit der Stadt verwoben sind. Hier begründete der im polnischen Deblin aufgewachsene Ignatz Bubis nach Jahren als Lager-Häftling und "Displaced Person" 1956 seine berufliche Existenz im Immobilienhandel. Und hier in Frankfurt fanden auch viele der Konflikte statt, die Bubis als "deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" - so seine aus der Zeit der Weimarer Republik übernommene Selbstdefinition - engagiert austrug: der "Häuserkampf" im Frankfurter Westend, der ihn zum Ziel der Proteste studentischer Hausbesetzer machte; der Skandal um Faßbinders Theaterstück "Der Müll, die Stadt und der Tod", in dem Bubis sich als "jüdischer Spekulant" diffamiert sah und als Bühnenbesetzer seinerseits ein Protest-coming-out erlebte; schließlich der Streit über die bereits erwähnte "Schlussstrich"-Rede von Martin Walser. Und dazwischen - ohne jedes Frankfurter Lokalkolorit, aber selbstverständlich von dort aus betrieben, Bubis Interventionen gegen die Verjährung von NS-Mordverbrechen, die Aufweichung des Asylrechts oder die Welle fremdenfeindlicher Anschläge zu Beginn der 90er Jahre, Stichwort Rostock-Lichtenhagen.
An diesen Konflikten orientiert sich die Ausstellung im Jüdischen Museum: neun Module mit Video- und Fotoprojektionen dokumentieren viele politische wie private Stationen von Bubis Lebensweg. Dazu einige Gegenstände, die den zeit- und kulturgeschichtlichen Rahmen kennzeichnen - liturgisches Gerät etwa oder ein durch die Hitze verformtes Telefon, das 1992 den rassistischen Brandanschlag auf eine türkische Familie in Mölln überstanden hat. Und der "Bambi", der Bubis 1994 verliehen wurde, sein Bundesverdienstkreuz oder die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt - Zeichen öffentlicher Wertschätzung und Prominenz. - Raphael Gross, Leiter des Jüdischen Museums:
"Der Preis für diese Prominenz liegt aber auf der anderen Seite in unzähligen antisemitischen Schmähschriften, die er kriegt. Wir haben zehn Ordner aufgestellt, die gefüllt sind mit solchen Schmähschriften. Wir wollten da keinen rauspicken, weil wir niemand von denen, die darin geschrieben haben, prominent machen wollten. Aber das sind wirklich sehr unangenehme Dokumente, wenn man sie anschaut."
Stärker als solche Briefe traf Bubis in seinem letzten Lebensjahr die Auseinandersetzung mit Martin Walser. Der hatte "Auschwitz" als "Moralkeule" bezeichnet, Bubis konterte: "geistige Brandstiftung". Verbittert zog Bubis am Ende das Resümee, seine Arbeit habe "nichts oder fast nichts" bewirkt. Der Kontrahent von damals bedauert heute, dass er sich mit Bubis nicht ausgesöhnt hat: Walsers Äußerung ist in einem in der Ausstellung gezeigten Interview dokumentiert. Als Privatperson, aber nicht offiziell zu Eröffnung, wird der Schriftsteller ins Jüdische Museum kommen.
Dieter Graumann, Mitglied des Vorstands der Jüdischen Gemeinde Frankfurt.
"Und hat für uns ein Tor aufgestoßen, das wir bis heute immer wieder durchgehen. Er hat verstanden: Wer immer nur lächelt, der kann nie zubeißen. Und wer nie zubeißen kann, der wird am Ende auch nicht respektiert."
Die Rede ist von Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland von 1992 bis zu seinem Tod im Jahre 1999. Ein Verbandspolitiker mit großer öffentlicher Wirkung, dessen Vita exemplarisch ist für die komplizierte deutsch-jüdische Nachkriegsgeschichte. Ignatz Bubis steht für den Versuch, nach dem Zivilisationsbruch von Auschwitz in Deutschland wieder jüdische Religion und jüdische Kultur zu leben.
Das Jüdische Museum Frankfurt widmet Ignatz Bubis, der in diesem Jahr 80 geworden wäre, nun eine Ausstellung: "Ein jüdisches Leben in Deutschland". Sie wird morgen mit einer Festveranstaltung an symbolträchtigem Ort offiziell eröffnet: in der Paulskirche - dort, wo Martin Walser 1998 mit seiner, sagen wir mal: zu Mißdeutungen einladenden Friedenspreisrede Bubis vehementen Widerspruch provoziert hatte.
Ein erster Blick auf die Ausstellung und das Begleitprogramm zeigt, wie eng die Biographie und das politische Wirken des Holocaustüberlebenden mit der Stadt verwoben sind. Hier begründete der im polnischen Deblin aufgewachsene Ignatz Bubis nach Jahren als Lager-Häftling und "Displaced Person" 1956 seine berufliche Existenz im Immobilienhandel. Und hier in Frankfurt fanden auch viele der Konflikte statt, die Bubis als "deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens" - so seine aus der Zeit der Weimarer Republik übernommene Selbstdefinition - engagiert austrug: der "Häuserkampf" im Frankfurter Westend, der ihn zum Ziel der Proteste studentischer Hausbesetzer machte; der Skandal um Faßbinders Theaterstück "Der Müll, die Stadt und der Tod", in dem Bubis sich als "jüdischer Spekulant" diffamiert sah und als Bühnenbesetzer seinerseits ein Protest-coming-out erlebte; schließlich der Streit über die bereits erwähnte "Schlussstrich"-Rede von Martin Walser. Und dazwischen - ohne jedes Frankfurter Lokalkolorit, aber selbstverständlich von dort aus betrieben, Bubis Interventionen gegen die Verjährung von NS-Mordverbrechen, die Aufweichung des Asylrechts oder die Welle fremdenfeindlicher Anschläge zu Beginn der 90er Jahre, Stichwort Rostock-Lichtenhagen.
An diesen Konflikten orientiert sich die Ausstellung im Jüdischen Museum: neun Module mit Video- und Fotoprojektionen dokumentieren viele politische wie private Stationen von Bubis Lebensweg. Dazu einige Gegenstände, die den zeit- und kulturgeschichtlichen Rahmen kennzeichnen - liturgisches Gerät etwa oder ein durch die Hitze verformtes Telefon, das 1992 den rassistischen Brandanschlag auf eine türkische Familie in Mölln überstanden hat. Und der "Bambi", der Bubis 1994 verliehen wurde, sein Bundesverdienstkreuz oder die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt - Zeichen öffentlicher Wertschätzung und Prominenz. - Raphael Gross, Leiter des Jüdischen Museums:
"Der Preis für diese Prominenz liegt aber auf der anderen Seite in unzähligen antisemitischen Schmähschriften, die er kriegt. Wir haben zehn Ordner aufgestellt, die gefüllt sind mit solchen Schmähschriften. Wir wollten da keinen rauspicken, weil wir niemand von denen, die darin geschrieben haben, prominent machen wollten. Aber das sind wirklich sehr unangenehme Dokumente, wenn man sie anschaut."
Stärker als solche Briefe traf Bubis in seinem letzten Lebensjahr die Auseinandersetzung mit Martin Walser. Der hatte "Auschwitz" als "Moralkeule" bezeichnet, Bubis konterte: "geistige Brandstiftung". Verbittert zog Bubis am Ende das Resümee, seine Arbeit habe "nichts oder fast nichts" bewirkt. Der Kontrahent von damals bedauert heute, dass er sich mit Bubis nicht ausgesöhnt hat: Walsers Äußerung ist in einem in der Ausstellung gezeigten Interview dokumentiert. Als Privatperson, aber nicht offiziell zu Eröffnung, wird der Schriftsteller ins Jüdische Museum kommen.