Karin Fischer: In der Begründung der Jury für den Büchner-Preis wird heute das vielstimmige Werk von Felicitas Hoppe gerühmt, das eine Welt der Abenteuer und der Hochstapler, der Entdecker und der Taugenichtse erkunde, das ein ganzes erzählerisches Universum darstelle, und das in einer lakonischen und lyrischen, eigensinnigen und uneitlen Prosa. Mit "Pigafetta", ihrem ersten Roman 1999, den sie während einer Weltreise auf einem Containerschiff schrieb, ist sie bekannt geworden. "Die Welt" nannte den Roman damals "eine Arche aus Sprache". Bis heute sind fünf Romane, Essays und einige Erzählbände erschienen, und die Preisliste ist so lang, dass ich sie lieber nicht aufzähle. Stattdessen die Frage an den Literaturredakteur der "FAZ", Hubert Spiegel: Der Büchner-Preis ist der Preis für die deutschsprachige Literatur, und die Preisträgerliste voller Olympier – Frisch, Eich, Celan, Grass, Lenz, Jandl. Wie bewerten Sie die Entscheidung für Felicitas Hoppe?
Hubert Spiegel: Ich glaube, das ist eine ausgezeichnete, eine hervorragende Entscheidung, die nicht ganz überraschend kommt. Man hat nicht unbedingt damit rechnen dürfen, dass Felicitas Hoppe den Büchner-Preis in diesem Jahr, 2012, erhält. Dass sie ihn früher oder später erhalten würde, ist eigentlich spätestens mit dem letzten Buch, mit "Hoppe", glaube ich, sehr klar geworden. Ich selber habe vor einigen Jahren, als Oskar Pastior den Büchner-Preis erhalten hat, ganz bescheiden und demütig gewagt, anzumerken, dass die Akademie doch mal den Plan ins Auge fassen könnte, jemanden auszuzeichnen, der noch nicht das reife Alter von 70 Jahren erreicht hat, und habe vorgeschlagen, Martin Mosebach oder aber vielleicht sogar eine Frau unter 50 Jahren – Felicitas Hoppe. Mosebach hat den Preis bekommen, Felicitas Hoppe hat ihn jetzt auch erhalten mit einer kleinen Verspätung, und ich hoffe, dass mein Vorschlag damals den Autoren zumindest nicht geschadet hat.
Fischer: Sie haben offensichtlich ihnen Glück gebracht. Es ist vom Märchenhaften, Surrealen, Komischen die Rede in Bezug auf Hoppes poetischen Bezugsrahmen. Wie würden Sie, Herr Spiegel, ihre Sprache beschreiben?
Spiegel: Ja, das ist das Schwerste überhaupt – aber da kommen wir eigentlich, glaube ich, direkt zum Kern des Phänomens Hoppe: Der Ton von Felicitas Hoppe ist unverwechselbar. Ich glaube, dass es sehr viele ihrer Leser gibt, die, wenn sie einen Absatz gelesen haben, sofort sagen können, ja, das muss von Felicitas Hoppe sein. Woran liegt das, was ist das Besondere dieses Tons, dieser Prosa? Ich glaube, es hat etwas mit einem – ja, es ist ein paradoxes Phänomen. Auf der einen Seite wirken diese Sätze unglaublich präzise, sie sind wie in Stein gemeißelt – sie redet übrigens auch druckreif, wenn man sie mal auf einem Podium erlebt hat –, auf der anderen Seite haben diese Sätze etwas sehr Leichtes, etwas sehr Spielerisches, und obwohl alles wie gesagt also daherkommt wie in Stein gemeißelt, hat man insgesamt das Gefühl, dass diese Prosa sehr beweglich ist, dass sie auch etwas Tastendes hat, dass sie im Grunde auf Reisen ist, auf der Reise, auf einer ewigen Suche, und dass sie den Leser mitnimmt, das ist, glaube ich, das Faszinierende an dieser Prosa.
Fischer: Gibt es eigentlich einen Grund, warum Felicitas Hoppe so viel und gern reist, im direkten wie im übertragenen Sinne? Das Reisen als poetische Welterfahrung, könnte man ja fast formulieren.
Spiegel: Na ja, da könnte man jetzt viel spekulieren. Als sie 1996 – war das, glaube ich – den Bachmann-Preis in Klagenfurt bekommen hat, also eine der Auszeichnungen, die damals vergeben wurden, da hat sie mir gesagt, sie würde das Preisgeld verwenden, um eine Weltreise zu machen – eine Reise einmal um die Welt in einem Containerschiff. Ich wusste damals nicht, ob ich das für bare Münze halten soll. Sie hat es dann tatsächlich gemacht und hat damals für die "FAZ" von Bord dieses Schiffes aus Berichte geschrieben – sieben Stück an der Zahl, die sind in der Zeitung erschienen –, das wurde damals, '97, da konnte man noch nicht mailen, das wurde damals noch mit dem Fax übertragen.
Und ich habe mich dann nicht wenig gewundert, als ich dann später den Roman "Pigafetta" las, in dem Teile dieser Texte, die sie uns damals geschickt hat in die Redaktion, dann wieder auftauchten. Also Sie hatte im Grunde den Plan für ihren Roman "Pigafetta" schon im Kopf, bevor sie das Schiff betreten hat, also Reisen und Schreiben hängt für sie zusammen. Und sie hat einmal den Erzähler, den Romanautor beschrieben als jemanden, der auf der einen Seite ein Eroberer-Typus ist, aber auf der anderen Seite auch etwas von einem Paket hat, ein Päckchen, das auf die Reise geht und weder Absender noch Empfänger und auch nicht den Inhalt und auch nicht seinen Zielort kennt.
Fischer: Herzlichen Dank an Hubert Spiegel für diese Einschätzung der neuen Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hubert Spiegel: Ich glaube, das ist eine ausgezeichnete, eine hervorragende Entscheidung, die nicht ganz überraschend kommt. Man hat nicht unbedingt damit rechnen dürfen, dass Felicitas Hoppe den Büchner-Preis in diesem Jahr, 2012, erhält. Dass sie ihn früher oder später erhalten würde, ist eigentlich spätestens mit dem letzten Buch, mit "Hoppe", glaube ich, sehr klar geworden. Ich selber habe vor einigen Jahren, als Oskar Pastior den Büchner-Preis erhalten hat, ganz bescheiden und demütig gewagt, anzumerken, dass die Akademie doch mal den Plan ins Auge fassen könnte, jemanden auszuzeichnen, der noch nicht das reife Alter von 70 Jahren erreicht hat, und habe vorgeschlagen, Martin Mosebach oder aber vielleicht sogar eine Frau unter 50 Jahren – Felicitas Hoppe. Mosebach hat den Preis bekommen, Felicitas Hoppe hat ihn jetzt auch erhalten mit einer kleinen Verspätung, und ich hoffe, dass mein Vorschlag damals den Autoren zumindest nicht geschadet hat.
Fischer: Sie haben offensichtlich ihnen Glück gebracht. Es ist vom Märchenhaften, Surrealen, Komischen die Rede in Bezug auf Hoppes poetischen Bezugsrahmen. Wie würden Sie, Herr Spiegel, ihre Sprache beschreiben?
Spiegel: Ja, das ist das Schwerste überhaupt – aber da kommen wir eigentlich, glaube ich, direkt zum Kern des Phänomens Hoppe: Der Ton von Felicitas Hoppe ist unverwechselbar. Ich glaube, dass es sehr viele ihrer Leser gibt, die, wenn sie einen Absatz gelesen haben, sofort sagen können, ja, das muss von Felicitas Hoppe sein. Woran liegt das, was ist das Besondere dieses Tons, dieser Prosa? Ich glaube, es hat etwas mit einem – ja, es ist ein paradoxes Phänomen. Auf der einen Seite wirken diese Sätze unglaublich präzise, sie sind wie in Stein gemeißelt – sie redet übrigens auch druckreif, wenn man sie mal auf einem Podium erlebt hat –, auf der anderen Seite haben diese Sätze etwas sehr Leichtes, etwas sehr Spielerisches, und obwohl alles wie gesagt also daherkommt wie in Stein gemeißelt, hat man insgesamt das Gefühl, dass diese Prosa sehr beweglich ist, dass sie auch etwas Tastendes hat, dass sie im Grunde auf Reisen ist, auf der Reise, auf einer ewigen Suche, und dass sie den Leser mitnimmt, das ist, glaube ich, das Faszinierende an dieser Prosa.
Fischer: Gibt es eigentlich einen Grund, warum Felicitas Hoppe so viel und gern reist, im direkten wie im übertragenen Sinne? Das Reisen als poetische Welterfahrung, könnte man ja fast formulieren.
Spiegel: Na ja, da könnte man jetzt viel spekulieren. Als sie 1996 – war das, glaube ich – den Bachmann-Preis in Klagenfurt bekommen hat, also eine der Auszeichnungen, die damals vergeben wurden, da hat sie mir gesagt, sie würde das Preisgeld verwenden, um eine Weltreise zu machen – eine Reise einmal um die Welt in einem Containerschiff. Ich wusste damals nicht, ob ich das für bare Münze halten soll. Sie hat es dann tatsächlich gemacht und hat damals für die "FAZ" von Bord dieses Schiffes aus Berichte geschrieben – sieben Stück an der Zahl, die sind in der Zeitung erschienen –, das wurde damals, '97, da konnte man noch nicht mailen, das wurde damals noch mit dem Fax übertragen.
Und ich habe mich dann nicht wenig gewundert, als ich dann später den Roman "Pigafetta" las, in dem Teile dieser Texte, die sie uns damals geschickt hat in die Redaktion, dann wieder auftauchten. Also Sie hatte im Grunde den Plan für ihren Roman "Pigafetta" schon im Kopf, bevor sie das Schiff betreten hat, also Reisen und Schreiben hängt für sie zusammen. Und sie hat einmal den Erzähler, den Romanautor beschrieben als jemanden, der auf der einen Seite ein Eroberer-Typus ist, aber auf der anderen Seite auch etwas von einem Paket hat, ein Päckchen, das auf die Reise geht und weder Absender noch Empfänger und auch nicht den Inhalt und auch nicht seinen Zielort kennt.
Fischer: Herzlichen Dank an Hubert Spiegel für diese Einschätzung der neuen Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.