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Unwetter Sardinien
Bausünden, Spekulanten und Schmiergelder

Seit dem Bauboom in den 80er-Jahren auf Sardinien werden vielerorts Häuser nicht in sicherer Entfernung von Flussläufen gebaut, hinzu kommen illegale Bauten und das Umgehen von Vorschriften: mögliche Gründe für die Überschwemmungen durch das Unwetter.

Von Karl Hoffmann |
    Die Rede ist von Bausünden gewaltigen Ausmaßes, denen Cappellaccis Vorgänger Renato Soru mit einem Landschaftsgesetz im Jahr 2004 einen Riegel vorgeschoben hatte. Der Plan schreibt unter anderem vor, dass Neubauten nur im Abstand von mindestens 300 Metern zum Meer genehmigt werden dürfen. Verboten sind auch Bauten in Flussnähe, aber daran hält sich niemand, wie die sardische Geologin Rita Lai heftig beklagt:
    "In früheren Zeiten wurden die allermeisten Dörfer und Städte in sicherer Höhe auf Bergen und Hügeln errichtet, in sicherer Entfernung von Meer und Flussläufen. Seit in den 80er-Jahren der Bauboom eingesetzt hat, schert man sich nicht mehr um diese goldene Regel unserer Vorfahren. "
    Für die Meteorologen waren die Unwetter in Sardinien eher normal. Die kommen immer wieder vor, sagt Gudo Guidi:
    "Es handelt sich um eine durchaus übliche Wetterlage. Heftigen Regen gab es erst vor zwei Jahren in Rom oder in Toskana im letzten Jahr und und im vergangenen Monat Oktober. Wir haben intensive Regenfälle vorhergesagt und auch entsprechende Warnungen gegeben. Was wir nicht vorhersehen konnten, ist, dass die Regenfälle derart stark ausfallen würden."
    Trotzdem überrascht die hohe Zahl der Opfer und das schlimme Ausmaß der Schäden. Weshalb eine heftige Debatte eingesetzt hat, ob wirklich nur zu starker Regen, womöglich im Zusammenhang mit dem allseits befürchteten Klimawandel, an allem schuld ist, oder ob die Schadensbilanz nicht auch den den Fehlern von Bauherren, Architekten und Kommunalbehörden zuzuschreiben, ist. Noch aus dem Hubschrauber, mit dem er die überschwemmten Gebiete überflog, wies Ugo Cappellacci, der Präsident der Region Sardinien und ranghöchster Lokalpolitiker, schon mal jede Verantwortung weit von sich.
    "Angesichts solcher Naturgewalten erübrigt sich doch die Frage, ob man mehr hätte vorbeugen können. Natürlich hat unsere Insel an vielen Orten vor dreißig, vierzig Jahren Zerstörungen erlitten, die heute ein Risiko für die Menschen darstellen."
    Die Rede ist von Bausünden gewaltigen Ausmaßes, denen Cappellaccis Vorgänger Renato Soru mit einem Landschaftsgesetz im Jahr 2004 einen Riegel vorgeschoben hatte. Der Plan schreibt unter anderem vor, dass Neubauten nur im Abstand von mindestens 300 Metern zum Meer genehmigt werden dürfen. Verboten sind auch Bauten in Flussnähe, aber daran hält sich niemand, wie die sardische Geologin Rita Lai heftig beklagt:
    "In früheren Zeiten wurden die allermeisten Dörfer und Städte in sicherer Höhe auf Bergen und Hügeln errichtet, in sicherer Entfernung von Meer und Flussläufen. Seit in den 80er-Jahren der Bauboom eingesetzt hat, schert man sich nicht mehr um diese goldene Regel unserer Vorfahren. "
    Obwohl die Inselbevölkerung stetig abnimmt, wird auf Sardinien immer noch gebaut, was das Zeug hält. Die Quadratmeterpreise für Ferien- und Zweitwohnungen sind mit die höchsten in ganz Italien, bei der Spekulation am Bau werden Milliarden umgesetzt, soviel, dass Schmiergelder für Baugenehmigungen auch für ungeeignete oder gefährliche Baugebiete kaum ins Gewicht fallen. Dafür spart man jeden Euro an der Sicherheit, meint der sardische Heimatforscher Giacomo Mameli.
    "Besonders schlimm hat das Unwetter in jenen Teilen der am schlimmsten betroffenen Stadt Olbia gewütet, die entlang der Wasserläufe liegen. Das bedeutet, dass man dort keinerlei Vorsichtmaßnahmen gegen mögliche Überschwemmungen getroffen hat. Man hat Wohnhäuser gebaut, ohne sich um die notwendigen Infrastrukturen zu kümmern. "
    Keine Brücken, keine Dämme, keine Staumauern. Obwohl in Olbia sogar 10 Millionen Euro vorgesehen waren, die die Stadtverwaltung aber wegen der strengen EU-Vorschriften zur Begrenzung des Haushaltsdefizits derzeit nicht ausgeben darf. In Italien fällt die Bürokratie von einem Extrem ins andere. Entweder sie ist korrupt oder allzu pingelig. Weshalb Genehmigungsverfahren oft jahrelang verzögert werden, sagt die Geologin Rita Lai.
    "Die gefährdeten Neubauten bekommt man jetzt nicht mehr weg. Also muss man etwas zu ihrem Schutz unternehmen. Leider stehen dem unendlich langwierige bürokratische Prozeduren entgegen."
    Skrupellose private Bauherren kümmern sich nicht um langwierige Vorschriften, sondern bauen einfach schwarz. Heimatforscher Mameli glaubt nicht, dass die schweren Unwetter nun ein Umdenken bei den verantwortlichen Politikern bewirkt haben.
    "Es wird auch weiterhin dort gebaut, wo es absolut verboten sein müsste. In der Nähe der sardischen Hauptstadt Cagliari sind Baugebiete entstanden, in denen einige Neubauten sogar zwei Meter unter dem Meeresspiegel stehen. Ist so was noch zu fassen? Unser wahrer Notstand sind die Politiker, die bis heute nicht kapiert haben, dass man die Umwelt schützen muss, statt sie mit Zement zu überziehen."