Die Führung in Teheran sagt, ihr Atomprogramm sei rein ziviler Natur, niemand habe die Absicht, eine Atombombe zu bauen. Dennoch mehren sich die Meldungen über angereichertes Uran in einer streng bewachten Anlage im Zentraliran, das durchaus für eine militärische Nutzung geeignet ist. Experten haben in den vergangenen Monaten gewarnt, der Iran verfüge über so viel auf 60 Prozent angereichertes Uran, dass es bei Weiterverarbeitung für mindestens eine Atombombe reichen würde.
Der Politologe und Iranist Mohammadbagher Forough erklärte allerdings der Deutschen Welle: "Aber es reicht eben nur, um eine einzelne Bombe zu bauen, nicht für eine ganze Reihe. Insofern macht eine einzelne Bombe militärisch keinen Sinn. Die Atomstaaten der Welt setzen nicht auf eine einzelne Bombe, denn damit ließe sich kein Krieg führen." Zudem verfüge der Iran derzeit nicht über die zur Zündung einer Atombombe nötige Technik.
Bundeskanzler Olaf Scholz erklärte am 25. November 2022, man müsse "alles dafür tun, dass der Iran keine Atombomben bekommt und auch keine Trägersysteme, mit denen sie diese transportieren kann. Das ist eines der zentralen Politikziele, die Deutschland und Frankreich zusammen mit ihren Verbündeten USA und Großbritannien verfolgt haben. Daran halten wir weiter fest." Deutschland, Großbritannien und Frankreich würden mit ihren internationalen Partnern darüber beraten, wie am besten auf die "fortgesetzte nukleare Eskalation des Iran" reagiert werden könne.
Wie funktioniert die Uran-Anreicherung?
Uran besteht aus verschiedenen Isotopen. Nur eins davon ist spaltfähig und somit in Kernreaktoren oder in Waffen einsetzbar: das Uran-235, das einen Gesamt-Anteil von nur 0,7 Prozent hat. Wenn man diesen erhöhen will, muss man es anreichern. Das geschieht am effektivsten über Gas-Ultrazentrifugen, die sich unglaublich schnell drehen – ähnlich einer Salatschleuder. Das spaltfähige Uran-235 wird dadurch von den anderen Isotopen abgetrennt. Zurück bleibt "abgereichertes" Uran, also Uran mit einem geringeren Anteil des spaltbaren Isotops 235, als er natürlicherweise wäre, also geringer als 0,7 Prozent.
Über technische Tricks und Dutzende von Zentrifugenstufen kommt man zu immer höheren Anreicherungen des Isotops 235. Um das Uran für Atomkraftwerke zu nutzen (zivil angereichertes Uran), muss der 235-Anteil bei vier Prozent liegen. Um das Uran als Waffe wie bei einer Atombombe einzusetzen, braucht man 80 oder 90 Prozent (militärisch angereichertes Uran).
Wie weit ist der Iran bei der Uran-Anreicherung?
Der Iran ist über den Grad, den er für Brennelemente brauchen würde (4 Prozent) weit hinaus. 2021 hatte der Iran bereits in Natans damit begonnen, Uran auf 60 Prozent anzureichern. Im Sommer 2022 hat man bekannt gegeben, dass man bereits eine 20-prozentige Anreicherung erreicht hat. Die ersten Prozente sind dabei immer die langsamsten, danach geht es immer schneller.
Der Iran setzt außerdem die weiterentwickelte IR6-Zentrifuge ein, die effizienter und zehnmal schneller sein soll. Aktuell arbeitet man zusätzlich in Fardo im Zentraliran an der 60-prozentigen Anreicherung. Die IAEA, die Internationale Atomenergiebehörde, sagt, dass der Iran bereits 43 Kilogramm von 60 Prozent angereichertem Uran besitzt. Man braucht 80 bis 90 Prozent, um Atomwaffen zu bauen. Bis zu waffenfähigem Uran ist es nur noch ein kleiner Schritt. Der Iran kommt also immer näher an die Chance, eine Atomwaffe zu bauen.
Im Atomabkommen von 2015 hatte man damals eine Obergrenze von einer Anreicherung von weniger als 4 Prozent gesetzt. Darüber ist der Iran lange hinaus. Der Iran betont immer wieder, dass dies ausschließlich zivilen Zwecken wie zum Beispiel medizinischen Zwecken dienen würde. Deutschland, Frankreich und Großbritannien nehmen dem Iran die zivile Begründung allerdings nicht ab.
Wie steht es um das Atomabkommen mit dem Iran?
Nicht so gut, die Verhandlungen zur Wiederherstellung des Paktes liegen seit Monaten auf Eis. 2015 hatte der Iran mit den fünf UN-Vetomächten USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China sowie Deutschland vereinbart, sein Nuklearprogramm so umzugestalten, dass er keine Atombomben mehr bauen kann. Der Iran durfte also sein Atomprogramm weiterführen, aber nur in diesem Maß, das ihm auch im Atomabkommen zugestanden wurde - und unter der Kontrolle der Internationalen Atomenergiebehörde. Im Gegenzug wurden Wirtschaftssanktionen gelockert.
Seitdem sich die USA aber 2018 unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump aus dem Pakt zurückgezogen haben, hat Teheran erneut damit begonnen, Uran über das erlaubte Maß hinaus anzureichern. Unter US-Präsident Joe Biden sollte das Atomabkommen wiederbelebt werden, doch das ist bisher noch nicht geschehen. Man setzt stattdessen auf Sanktionen und Druck, erklärte der US-amerikanische Sonderbeauftragte für den Iran, Robert Malley - auch wegen der aktuellen innerpolitischen Lage im Iran mit den Demonstrationen gegen das Regime und der Tatsache, dass der Iran Kampfdrohnen an Russland geliefert hat.
Auch die Europäer haben inzwischen Abstand von einer Wiederbelebung des Atomdeals genommen. Ansonsten müssten die USA und die UN Sanktionen gegen den Iran aufheben - zu einem Zeitpunkt, wo im Zusammenhang mit den Protesten auf den Straßen Menschenrechtsverletzungen im Land stattfinden. Das ist aktuell schwer vermittelbar.
IAEA kritisiert mangelnde Transparenz
Dass der Iran ausgerechnet jetzt ankündigt, auch in der Untergrundanlage Fordo Uran auf 60 Prozent anzureichern, ist laut Teheran eine Reaktion auf die Resolution der Internationalen Atomenergiebehörde. Das IAEA-Lenkungsgremium hatte Teheran Mitte November mangelnde Transparenz in Bezug auf das iranische Atomprogramm vorgeworfen und indirekt mit der Einschaltung des UN-Sicherheitsrats gedroht. Eine entsprechende Resolution wurde in Wien verabschiedet.
Laut IAEA sind beispielsweise seit längerem Überwachungskameras in den Atomanlagen des Iran nicht mehr in Betrieb, beziehungsweise das Material wird nicht mehr an die Atomenergiebehörde geliefert. Inspektoren wird der Zugang nicht mehr gewährt. Zudem geht es um von der IAEA entdeckte radioaktive Spuren an drei Standorten im Iran, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte.
Quellen: Dagmar Röhrlich, Karin Senz, DW, dpa, nin, og