In einem "Gespensterbuch" war der 24-jährige Carl Maria von Weber im Jahr 1810 auf die Novelle des "Freischütz" gestoßen. Sie handelt vom Jägersburschen Max, der einen fürstlich angeordneten Probeschuss bestehen muss, um seine geliebte Agathe heiraten zu können. Aus Angst vor einem Fehltreffer, lässt sich Max von seinem Jäger-Kollegen Kaspar dazu überreden, sogenannte Freikugeln zu gießen. Diese sind zwar ein Werk des Teufels, treffen aber jedes gewünschte Ziel. - Jahrelang spukte Weber die Idee zu einer Oper über diesen schauerromantischen Stoff im Kopf herum, bis er in dem Dresdner Dichter Friedrich Kind einen geeigneten Librettisten fand.
Neben den Solisten und allerlei Schützen-, Jäger- und Brautjungfernchören steht der Wald im Mittelpunkt des Geschehens: als Schauplatz des Kampfes zwischen den Kräften des Lichts und der Dunkelheit. Vor seiner Kulisse entfaltet sich auch die Wolfsschluchtszene, jener Höhepunkt in der Mitte der Oper, wenn um Mitternacht zum Gesang der Geisterchöre die teuflischen Freikugeln gegossen werden.
Der Saal im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt brodelte, als sich am 18. Juni 1821 erstmals der Vorhang für den "Freischütz" hob. Man beging den 6. Jahrestag der Schlacht von Waterloo. Unter dem Eindruck des in den Freiheitskriegen neu erstarkten Nationalbewusstseins wurde das Stück ein voller Erfolg. Auch Dank der einfachen Weisen im Volkston, mit denen Weber gleich mehrere Hits landete.
"Freischütz"-Merchandising allenthalben
Bald gab es Freischütz-Bier und Freischütz-Bänder, sowie zahllose Freischütz-Bearbeitungen für den Hausgebrauch. Und bald sang laut Heinrich Heine ganz Berlin den "Freischütz":
"Das Kasparlied und der Jägerchor wird wohl dann und wann von einem illuminierten Studenten oder Fähndrich zur Abwechslung in das Gesumme hineingebrüllt; aber der Jungfernkranz ist permanent; (…) aus allen Häusern klingt er mir entgegen; jeder pfeift ihn mit eigenen Variationen."
"Das Kasparlied und der Jägerchor wird wohl dann und wann von einem illuminierten Studenten oder Fähndrich zur Abwechslung in das Gesumme hineingebrüllt; aber der Jungfernkranz ist permanent; (…) aus allen Häusern klingt er mir entgegen; jeder pfeift ihn mit eigenen Variationen."
Als Geburt einer "nationalen deutschen Oper" gefeiert
Im "Freischütz" stellt Weber die Musik ganz in den Dienst des dramatischen Ausdrucks. Er bedient sich dabei verschiedener Traditionen: So entstammt die Rachearie des Kaspar der italienischen Oper, während das Melodram der Wolfsschluchtszene zu den Höhepunkten der französischen Oper zählt. Gleichwohl wurde das Werk gefeiert als Geburt einer "nationalen deutschen Oper", als "musikalischer Befreiungsschlag" von der bis dahin allseits präsenten italienischen Oper. Die verglich Weber einmal mit einer charakterlosen Gestalt, der es nur darum gehe, süße Melodien zu verbreiten. Weber verfolgte hingegen
eine Idee, auf die Richard Wagner 40 Jahre später in seinem Konzept des Gesamtkunstwerks zurückkommen sollte:
"Wo bei den andern es meist auf die Sinnenlust einzelner Momente abgesehen ist, will der Deutsche ein in sich abgeschlossenes Kunstwerk, wo alle Teile sich zum schönen Ganzen runden und einen."
Ein harmonisches Ende findet auch die Geschichte des Weberschen Freischütz’: Während in der Novelle Agathe stirbt und Max dem Wahnsinn verfällt, lässt das Libretto das Gute siegen: Ein Eremit steht den beiden bei und kann mit seiner Fürsprache beim Fürsten Gnade für Max und eine Hochzeit für beide erwirken.
Bis heute hebt und senkt sich der Vorhang für den Kampf von Gut und Böse – Innerhalb weniger Jahrzehnte sollte der "Freischütz" auf deutschsprachigen Bühnen zur meistgespielten Oper avancieren.