Schupo: "Man darf die Hoffnung nicht sinken lassen."
Elisabeth: "Das sind Sprüch."
Schupo: "Ohne Glaube, Liebe, Hoffnung gibt es logischerweise kein Leben. Das resultiert alles voneinander."
Elisabeth: "Sie haben leicht reden als Staatsbeamter in gesicherter Position."
Schupo: "Wir müssen doch alle mal sterben."
Elisabeth: "Hörns mir auf mit der Liebe."
Elisabeth: "Das sind Sprüch."
Schupo: "Ohne Glaube, Liebe, Hoffnung gibt es logischerweise kein Leben. Das resultiert alles voneinander."
Elisabeth: "Sie haben leicht reden als Staatsbeamter in gesicherter Position."
Schupo: "Wir müssen doch alle mal sterben."
Elisabeth: "Hörns mir auf mit der Liebe."
Ein Dialog wie ein Trümmerbruch: Werte wie Streubombensplitter, Emotionen zu Floskeln zerlegt – und das 1933, als bereits die "Richtlinien für eine lebendige deutsche Spielplangestaltung" des Kampfbundes für deutsche Kultur galten, wonach dem deutschen Publikum ausschließlich Stücke geboten werden sollten, die ihm "Wesens- und artgemäß" (seien, ...voll) deutschem Empfinden, deutschem Wollen, deutschem Lebensernst und deutschem Humor. "
Kein Wunder, dass Heinz Hilpert die am Deutschen Theater in Berlin für Januar 1933 geplante Uraufführung von Ödön von Horváths "Glaube Liebe Hoffnung" auf Druck der Nationalsozialisten wieder absagen musste.
Und nahezu ein Wunder, dass dieses Stück dann, fast vier Jahre später, am 13. November 1936, unter dem Titel "Liebe, Pflicht und Hoffnung" überhaupt zur Aufführung kam: im Wiener "theater für 49". In völliger Verkennung der Absichten des, wie Horvath selbst von sich sagte, "österreich-ungarischen, kroatisch, deutsch, tschechischen" Dramatikers, sprach die Neue Freie Presse von einer "sehr ergreifenden kleinen Komödie mit tragischem Ausgang und einer gelungenen Mischung von Humor und Ernsthaftigkeit."
Das Scheitern an der Kleinbürgerlichkeit
Man weiß kaum etwas über diese Aufführung. Aber allein diese Charakterisierung legt nahe, dass es sich um eine sehr abgemilderte Variante des Stückes gehandelt haben muss, das den unaufhaltsamen Abstieg der jungen Korsagenvertreterin Elisabeth zeigt:
Von der Arbeitslosigkeit über den misslingenden Versuch, an einen "Wandergewerbeschein" zu gelangen, den misslingenden Versuch, eine damit verbundene kleine Vorstrafe zu kaschieren, den misslingenden Versuch, sich mit einem Polizisten zu verloben – bis hin zu dem, mit einer gewissen Verzögerung, gelungenen Versuch, sich das Leben zu nehmen.
Elisabeth wird zwischen ganz alltäglichen Gegebenheiten aufgerieben und zerrieben. Sie scheitert an den kleinen Dingen - an der ehrsamen kleinbürgerlichen Kleinherzigkeit ihrer Verfolger und ihrer nur scheinbaren Beschützer, ihrer Berater und Benützer und gerät in eine mörderische Spirale von amoralischen Zumutungen und ökonomischen Abhängigkeiten, die im Suizid enden:
"Alle meine Stücke sind Tragödien - sie werden nur komisch, weil sie unheimlich sind."
Eine "Gebrauchsanweisung" für seine Stücke soll derartigen Missverständnissen vorbeugen. Das "Unheimliche" besteht aus lauter gespenstischen Missverhältnissen. Dem zwischen miefiger Kleinbürgerlichkeit und morbidem Totentanz.
Zwischen Momenten volksstückhafter "Behaglichkeit" und jähem Absturz in eiskalten Naturalismus. Zwischen sentimentaler Maskerade und harter "Demaskierung des Bewußtseins": das heißt in der Gesellschaft, die Horvath zeigt, sind Glaube Liebe Hoffnung der sicherste Weg in den Ruin.
Dieser holprige, verwackelte Tanz in den Tod spielt zwischen der Anatomie, der die verzweifelt überlebensgläubige Elisabeth ihren zukünftigen toten Körper verkaufen will, und dem Gerichtssaal, wo aus kleinen Delikten gewaltige Schuldzuweisungen gemacht werden.
"Wie in allen meinen Stücken habe ich auch diesmal nichts beschönigt und nichts verhäßlicht ... Wer wachsam den Versuch unternimmt, uns Menschen zu gestalten, ... wird wohl immer nur Spiegelbilder gestalten können ... (aber) ich habe und werde niemals Juxspiegelbilder gestalten."
Das echte Leben als Vorlage für das "Kriminaldrama"
Das ganze Stück basiert auf einer kruden Wirklichkeit, die nicht erfunden werden musste. Im Februar 1932 traf Ödön von Horváth einen Bekannten namens Lukas Kristl, der seit einigen Jahren als Gerichtssaalberichterstatter tätig war.
In der "Randbemerkung" zu "Glaube Liebe Hoffnung" zitiert Horváth diesen Kronzeugen ausführlich mit der gemeinsam erarbeiteten, thematischen und strukturellen Grundidee des Stücks:
"Ich (Kristl) verstehe die Dramatiker nicht ... warum diese Dramatiker fast immer nur Kapitalverbrechen bevorzugen. – Und warum sich also diese Dramatiker fast niemals um die kleinen Verbrechen kümmern, ... deren Folgen ... fast ebenso häufig denen des lebenslangen Zuchthauses ..., ja selbst der Todesstrafe ähneln."
Der Dramatiker Horváth jedenfalls hatte begriffen und aus einem "Fall" einen Text gemacht, der noch immer an die Nieren geht. "Glaube Liebe Hoffnung" ist keine "kleine Komödie", sondern eine große, beschämende, jämmerliche und gemeine Tragödie.