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Urban-Art-Galerie am Ku'Damm eröffnet
Kunstwerke für die Endlichkeit

Wo einst Bankberater saßen, stehen jetzt Skulpturen und Installationen. Die Wände, Decken und Böden zieren Graffiti. Am 1. April eröffnet in einer ehemaligen Bankfiliale am Berliner Kurfürstendamm "The Haus" - eine Galerie, geschaffen für die Endlichkeit.

Von Julia Schlager |
    Ein mit Moos überwachsener Stuhl als Teil der Ausstellung «The Haus», aufgenommen am 23.03.2017 in Berlin. In einem früheren Berliner Bankgebäude in der Nähe des Ku'damms haben 165 Street-Art-Künstler mit «The Haus» ein temporäres Museum geschaffen. Am 1. April öffnet die Ausstellung für Besucher - bis das Haus im Juni abgerissen wird. Foto: Christophe Gateau/dpa
    "Ohne Moos nix los" - Moosbewachsene Möbel sind Teil der Installation "The Schein" in der Galerie "The Haus" (Picture Alliance / dpa / Christophe Gateau)
    Eine überlebensgroße Krake empfängt den Besucher in "The Haus". Jörn sprüht gerade die letzten Tentakeln an. Neben ihm steht Kimo, der Hausmeister, wie er sich nennt. Zwei Mitglieder der Dixons, dem Künstlerkollektiv, das "The Haus" organisiert hat.
    Kimo: "Es war für uns klar wie Kloßbrühe, dass wir alle unsere Atzen anrufen - und darüber hinaus natürlich - und die alle dazu einladen, dass wir das ganze Ding hier in eine Urban-Art-Galerie verwandeln. Temporär."
    Was hier geschaffen werde, sei für die Endlichkeit, erzählt Kimo auf dem Weg in den vierten Stock. "The Haus" ist ein Zwischennutzungsprojekt. In zwei Monaten wird die alte Bank abgerissen.
    "Hier gibt's nicht einen weißen Punkt"
    Alles ist in Farbe getaucht. Psychedelische Muster und Malereien überziehen die Gänge, an den Bürowänden machen sich Aliens und Fantasiegestalten breit. Wo früher Bankberater saßen, stehen jetzt Skulpturen. In einem Zimmer thront eine pinke Nofretete.
    Kimo: "Ja, was soll man dazu sagen? Nofretete haben wir in 'The Haus' gebracht. Sehr pink, sehr grell, eine Folie auf dem Boden, die das ganze Licht reflektiert. Hier wurde alles in Beschlag genommen, hier gibt's nicht einen weißen Punkt."
    "Ohne Moos nix los"
    Wenige Meter weiter macht der Künstler Señor Schnu gerade seinen Raum fertig. Die Fenster sind abgedunkelt, der Rest des Zimmers ist komplett mit Moos bedeckt. Sogar das Sofa. In die Wandfarbe hat Señor Schnu Joghurt gemischt. So riecht es auch.
    Señor Schnu: "Das kann der Hörer nicht riechen, aber im Moment arbeitet der Joghurt noch und wenn ich das nass halte, dann riecht's wie Wald. Aber im Moment riecht's noch nicht nach Wald. Das Kunstwerk heißt 'Der Schein', also eigentlich 'The Schein' wegen 'The Haus'; und unter dem Schein, was befindet sich im Schein, wenn man wirklich mal drauf leuchtet, wie bei VW. Wir sagen, wir haben die umweltfreundlichsten Autos. Was kommt raus? Das Gegenteil. Und wenn man genau drauf leuchtet, sieht man die Wahrheit. Und das soll das so ein bisschen aussagen. In einer alten Bank. Ohne Moos nix los."
    "Was das Herz begehrt!"
    3.000 Farbdosen wurden bisher versprüht. Die Materialkosten haben Sponsoren übernommen, Gagen gibt es für die Künstler aber keine. Dafür auch keine Vorgaben.
    Kimo: "Für uns war es wichtig, dass das hier keine Graffiti Veranstaltung ist, sondern dass jegliche Art von 'Art' vertreten ist. Wir haben hier am Start: Typografie, Tape Art, Fotografie, Installationen, Skulpturen. Alles Mögliche. Was das Herz begehrt! Für jeden was dabei so."
    Über die Hälfte der Künstler sind Berliner. Darunter auch einige, die sich normalerweise eher aus dem Weg gehen. Aber "The Haus" überwinde Egos, sagt Kimo, weil es um die Stadt gehe.
    Ein Paukenschlag in Farben
    Kimo: "Investoren kommen hier nach Berlin, ziehen riesengroße Klopper irgendwo hoch und zerstören teilweise unsere Kieze. Dagegen können wir jetzt nicht so direkt vorgehen und sagen: 'hier könnt Ihr aber nicht und hier machen wir eine Barrikade und legen uns auf das Grundstück - und dann könnt Ihr hier nicht bauen.' Funktioniert ja nicht. Aber wir wollen schon den Leuten der Immobilienwelt da draußen zeigen, es macht Sinn, wenn ihr mit uns kooperiert. Weil Berlin lebt von dieser Subkultur. Und wenn ihr das zerstört, ist Berlin auf dem besten Wege, wie London oder New York zu werden: Ungenießbar."
    Vor Kurzem hat der Senat einen Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich mit einer Bestandsaufnahme der Berliner Urban-Art-Szene befasst. Kimo und seine Kollegen arbeiten mit; "The Haus" kann als Auftakt ihrerseits verstanden werden, auf fünf Stockwerken zeigen sie hier der Öffentlichkeit, was sie zu bieten haben: Und das ist einiges. Es ist ein Paukenschlag in Farben. Und zwar in den kräftigsten Farben. "The Haus" macht Kunst zum Erlebnis.
    Kimo: "Mal schauen, wo die Reise hingeht!"
    Bis Ende Mai kann "The Haus" noch besucht werden. Danach wird es mitsamt der Kunstwerke abgerissen. Der Eintritt ist frei.