Hermannn Parzinger:
"Was sehr interessant ist, ist, dass sich bestimmte Probleme immer wieder wiederholen. Wir haben also Schadstoffbelastung, Umwelteinfluss - denken sie nur an die großen Maya Städte in Meso-Amerika, die sich selber im Grunde zugrunde gerichtet haben! Und ich mein, das ist schon ein Fingerzeig, der uns wichtig sein muss! Längst bevor der erste Spanier Meso-Amerika betreten hat, waren die zugrunde gegangen, weil die sich ihre eigene wirtschaftliche Basis zerstört haben."
Nicht erst heute, sondern schon in der Frühgeschichte der Menschheit hat es zu unterschiedlichen Zeitpunkten immer wieder Entwicklungen gegeben, die zu gigantischen Großsiedlungen mit 10.000 den von Menschen führten, sagt Professor Hermann Parzinger, Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Ohne Schrift, ohne Verwaltung, ohne politische Strukturen - soweit wir jedenfalls wissen, oder sicher nur in Ansätzen vorhanden -, wo man sich fragt: Wie kann so was eigentlich funktionieren? Wie war es überhaupt möglich, eine solche Bevölkerungskonzentration zu verwalten und zu ernähren? Das sind die zwei zentralen Fragen. Zu verwalten - da versuchen wir natürlich schon herauszubekommen, gibt es eine Hierarchisierung innerhalb der Siedlung, gibt es irgendwo Ansätze, dass sich irgendwo Zentren, Herrschersitz und so weiter absondern? Da sind die Gräber auch wichtig, weil sie oft eine Sozialstruktur mit Elitegräbern sichtbar machen, abbilden, die wir in den Siedlungen oft noch nicht so deutlich sehen können. Und dann die Frage: Wo sind die Wirtschaftsflächen? Wie hat man das sichergestellt, die Ernährung, ohne dass die Wirtschaftsflächen unnütz unbrauchbar gemacht wurden durch Überweidung, durch Auslaugung der Böden? Das sind ja alles Fragen, die enorm wichtig sind."
Kluge Planung, Organisation und Verwaltung unter den jeweiligen Bedingungen scheinen das A und O für jede Metropole zu sein - damals wie heute.
Hermann Parzinger:
"Eine gedeihliche Entwicklung, wo ein Siedlungssystem, eine Großsiedlung nicht plötzlich zerfällt, zerbricht, dass das nur dann sich wirklich fruchtbar weiterentwickeln konnte, wenn entsprechende soziale Strukturen geschaffen waren. Das heißt die Frage der Umwelt und der Organisation des inneren Zusammenlebens, des Miteinanders ist essenziell. Das ist nichts Neues, aber das kann man auch bei den Fallbeispielen der Vergangenheit ablesen."
In Europa ist letztlich erst das 19. Jahrhundert entscheidend für die Entwicklung einer modernen Metropole. Ein rasanter Verstädterungsschub setzte ein, angetrieben von der Industrialisierung, sagt der Historiker Friedrich Lenger, Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Friedrich Lenger:
"Um das anschaulich zu machen: Dass Städte wie Köln oder Leipzig innerhalb von 40 Jahren vielleicht ihre Bevölkerung vervierfachen, etwas in der Richtung hat es vorher so nicht gegeben. Und selbst, wenn das jetzt gegenüber dem aktuellen Wachstum in Asien vielleicht verblasst, war das für die Zeitgenossen eben ein schockartiges Wachstum."
Der Umbau von Paris setzte dabei die Maßstäbe für moderne städtische Infrastruktur.
Friedrich Lenger:
"Da ist wirklich die Schaffung von Sichtachsen, breiten Boulevards, neuen Plätzen so ziemlich "the state of the art" in den 1860er, 1870er Jahren und danach. Und zusätzlich fungieren eben Weltausstellungen und die dann so langsam ins Leben tretenden Kongresse auch als Foren, auf denen man sich austauscht, was eigentlich eine moderne Stadt ausmachen sollte. Und von daher sind Städteplaner, Architekten im intensiven Gespräch miteinander, diskutieren ständig auch die Entwürfe der anderen. Insofern kann man glaube ich von einem Leitbild dann fast im Singular sprechen, was in Barcelona und Wien dann ein bisschen anders ausformuliert wird, aber was doch einen gemeinsamen Kern hat."
Vernünftige Stadtplanung scheint allerdings völlig unmöglich zu sein, schaut man sich die rasante Entwicklung der Megastädte der Gegenwart an, wie sie derzeit vor allem in Asien voranschreitet. In nur vier Jahren wachsen aus freien Feldern Millionenstädte.
Frauke Kraas:
"Unter Megastädten versteht man Städte mit entweder fünf, acht oder zehn Millionen Einwohnern. Das ist eine rein statistische Angabe, nach der man eine Zugehörigkeit oder nicht feststellen könnte. Viel interessanter aber bei Megastädten ist, dass wir ganz andere, nämlich viel höhere Dynamiken von Prozessen haben, dass wir ungeheure Konzentrationen haben, was die Bevölkerung anbelangt, aber auch die Infrastrukturdichte oder die Entscheidungsdichte. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Bevölkerung verletzlich ist, das heißt also in besonderem Maße von Armut betroffen ist, von sozialer Ausgrenzung."
Seit vielen Jahren untersucht Frauke Kraas, Professorin am geografischen Institut der Universität zu Köln die städtebauliche Entwicklung in Asien und die damit verbundenen Probleme:
Frauke Kraas:
"Zum einen wir haben ökologische Überlastungserscheinungen, also so was wie Wasser-, Luft, Bodenverschmutzung. Zum anderen müssen wir sagen, dass der informelle Sektor im Bereich der ökonomischen Entwicklungen boomt, eine Vielzahl von Überlebensökonomien können wir feststellen. Im sozialen Bereich finden wir eine erhebliche Fragmentierung, eine Polarisierung von Bevölkerungsgruppen, die gar nicht mehr miteinander interagieren."
Als "unregierbar" erscheinen Megastädte, weil die Verwaltung den Regelungsbedarf schlicht nicht mehr schafft. Ein Vergleich mit der Urbanisierungsphase während des Industriezeitalters drängt sich auf.
Friedrich Lenger:
"Das findet man in unterschiedlichen Variationen schon wieder. Ich glaube, es ist zunächst in vielen europäischen Städten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Problem sozialer Fremdheit, dass die Unterschichten als "unruly" angesehen werden, wohl auch, weil man diesen schnell wachsenden Städten sehr wenig eigene Anschauung von der Sozialverhalten, Sexualverhalten und so weiter hatte, und insofern so soziale Gruppen auch zu Projektionsflächen für Ängste und Sorgen geworden sind bis hin zu Vorstellungen von immenser Kriminalität, die von Statistiken zumeist nicht wirklich gedeckt werden."
Wie haben andere, auch frühere Gesellschaften die Probleme in den Großsiedlungen gelenkt oder beherrscht? Frauke Kraas weiß, dass sich auch die chinesischen Bürgermeister genau umschauen, um "best practice" Beispiele zu finden und Herr über ihre Probleme zu werden. Sie selbst glaubt allerdings nicht mehr eine "von oben" geordnete Stadtplanung für Megastädte insgesamt.
Frauke Kraas:
"Forschung kann nicht nach neuen Konzepten für Megastädte - na gut, suchen vielleicht, aber sie kann sie nicht finden. Die Entwicklung von Megastädten kann nur im Zusammenkommen von ganz unterschiedlichen Entscheidungsträgern ablaufen. Da müssen Perspektiven zusammen kommen aus der Verwaltung, aus der Zivilgesellschaft, aus der Privatwirtschaft, der Wissenschaft und weiteren sogenannten Entscheidungsträgern. Und das kann nicht quasi eine Planung oder Entwicklung von oben sein. Das muss eine Entwicklung gemeinsam in Runden Tischen sein, in denen man dann Lösungen für ganz spezifische Probleme quasi als Querschnittsaufgabe umsetzen kann."
"Was sehr interessant ist, ist, dass sich bestimmte Probleme immer wieder wiederholen. Wir haben also Schadstoffbelastung, Umwelteinfluss - denken sie nur an die großen Maya Städte in Meso-Amerika, die sich selber im Grunde zugrunde gerichtet haben! Und ich mein, das ist schon ein Fingerzeig, der uns wichtig sein muss! Längst bevor der erste Spanier Meso-Amerika betreten hat, waren die zugrunde gegangen, weil die sich ihre eigene wirtschaftliche Basis zerstört haben."
Nicht erst heute, sondern schon in der Frühgeschichte der Menschheit hat es zu unterschiedlichen Zeitpunkten immer wieder Entwicklungen gegeben, die zu gigantischen Großsiedlungen mit 10.000 den von Menschen führten, sagt Professor Hermann Parzinger, Direktor der Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
"Ohne Schrift, ohne Verwaltung, ohne politische Strukturen - soweit wir jedenfalls wissen, oder sicher nur in Ansätzen vorhanden -, wo man sich fragt: Wie kann so was eigentlich funktionieren? Wie war es überhaupt möglich, eine solche Bevölkerungskonzentration zu verwalten und zu ernähren? Das sind die zwei zentralen Fragen. Zu verwalten - da versuchen wir natürlich schon herauszubekommen, gibt es eine Hierarchisierung innerhalb der Siedlung, gibt es irgendwo Ansätze, dass sich irgendwo Zentren, Herrschersitz und so weiter absondern? Da sind die Gräber auch wichtig, weil sie oft eine Sozialstruktur mit Elitegräbern sichtbar machen, abbilden, die wir in den Siedlungen oft noch nicht so deutlich sehen können. Und dann die Frage: Wo sind die Wirtschaftsflächen? Wie hat man das sichergestellt, die Ernährung, ohne dass die Wirtschaftsflächen unnütz unbrauchbar gemacht wurden durch Überweidung, durch Auslaugung der Böden? Das sind ja alles Fragen, die enorm wichtig sind."
Kluge Planung, Organisation und Verwaltung unter den jeweiligen Bedingungen scheinen das A und O für jede Metropole zu sein - damals wie heute.
Hermann Parzinger:
"Eine gedeihliche Entwicklung, wo ein Siedlungssystem, eine Großsiedlung nicht plötzlich zerfällt, zerbricht, dass das nur dann sich wirklich fruchtbar weiterentwickeln konnte, wenn entsprechende soziale Strukturen geschaffen waren. Das heißt die Frage der Umwelt und der Organisation des inneren Zusammenlebens, des Miteinanders ist essenziell. Das ist nichts Neues, aber das kann man auch bei den Fallbeispielen der Vergangenheit ablesen."
In Europa ist letztlich erst das 19. Jahrhundert entscheidend für die Entwicklung einer modernen Metropole. Ein rasanter Verstädterungsschub setzte ein, angetrieben von der Industrialisierung, sagt der Historiker Friedrich Lenger, Professor an der Justus-Liebig-Universität Gießen.
Friedrich Lenger:
"Um das anschaulich zu machen: Dass Städte wie Köln oder Leipzig innerhalb von 40 Jahren vielleicht ihre Bevölkerung vervierfachen, etwas in der Richtung hat es vorher so nicht gegeben. Und selbst, wenn das jetzt gegenüber dem aktuellen Wachstum in Asien vielleicht verblasst, war das für die Zeitgenossen eben ein schockartiges Wachstum."
Der Umbau von Paris setzte dabei die Maßstäbe für moderne städtische Infrastruktur.
Friedrich Lenger:
"Da ist wirklich die Schaffung von Sichtachsen, breiten Boulevards, neuen Plätzen so ziemlich "the state of the art" in den 1860er, 1870er Jahren und danach. Und zusätzlich fungieren eben Weltausstellungen und die dann so langsam ins Leben tretenden Kongresse auch als Foren, auf denen man sich austauscht, was eigentlich eine moderne Stadt ausmachen sollte. Und von daher sind Städteplaner, Architekten im intensiven Gespräch miteinander, diskutieren ständig auch die Entwürfe der anderen. Insofern kann man glaube ich von einem Leitbild dann fast im Singular sprechen, was in Barcelona und Wien dann ein bisschen anders ausformuliert wird, aber was doch einen gemeinsamen Kern hat."
Vernünftige Stadtplanung scheint allerdings völlig unmöglich zu sein, schaut man sich die rasante Entwicklung der Megastädte der Gegenwart an, wie sie derzeit vor allem in Asien voranschreitet. In nur vier Jahren wachsen aus freien Feldern Millionenstädte.
Frauke Kraas:
"Unter Megastädten versteht man Städte mit entweder fünf, acht oder zehn Millionen Einwohnern. Das ist eine rein statistische Angabe, nach der man eine Zugehörigkeit oder nicht feststellen könnte. Viel interessanter aber bei Megastädten ist, dass wir ganz andere, nämlich viel höhere Dynamiken von Prozessen haben, dass wir ungeheure Konzentrationen haben, was die Bevölkerung anbelangt, aber auch die Infrastrukturdichte oder die Entscheidungsdichte. Hinzu kommt, dass ein Großteil der Bevölkerung verletzlich ist, das heißt also in besonderem Maße von Armut betroffen ist, von sozialer Ausgrenzung."
Seit vielen Jahren untersucht Frauke Kraas, Professorin am geografischen Institut der Universität zu Köln die städtebauliche Entwicklung in Asien und die damit verbundenen Probleme:
Frauke Kraas:
"Zum einen wir haben ökologische Überlastungserscheinungen, also so was wie Wasser-, Luft, Bodenverschmutzung. Zum anderen müssen wir sagen, dass der informelle Sektor im Bereich der ökonomischen Entwicklungen boomt, eine Vielzahl von Überlebensökonomien können wir feststellen. Im sozialen Bereich finden wir eine erhebliche Fragmentierung, eine Polarisierung von Bevölkerungsgruppen, die gar nicht mehr miteinander interagieren."
Als "unregierbar" erscheinen Megastädte, weil die Verwaltung den Regelungsbedarf schlicht nicht mehr schafft. Ein Vergleich mit der Urbanisierungsphase während des Industriezeitalters drängt sich auf.
Friedrich Lenger:
"Das findet man in unterschiedlichen Variationen schon wieder. Ich glaube, es ist zunächst in vielen europäischen Städten in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Problem sozialer Fremdheit, dass die Unterschichten als "unruly" angesehen werden, wohl auch, weil man diesen schnell wachsenden Städten sehr wenig eigene Anschauung von der Sozialverhalten, Sexualverhalten und so weiter hatte, und insofern so soziale Gruppen auch zu Projektionsflächen für Ängste und Sorgen geworden sind bis hin zu Vorstellungen von immenser Kriminalität, die von Statistiken zumeist nicht wirklich gedeckt werden."
Wie haben andere, auch frühere Gesellschaften die Probleme in den Großsiedlungen gelenkt oder beherrscht? Frauke Kraas weiß, dass sich auch die chinesischen Bürgermeister genau umschauen, um "best practice" Beispiele zu finden und Herr über ihre Probleme zu werden. Sie selbst glaubt allerdings nicht mehr eine "von oben" geordnete Stadtplanung für Megastädte insgesamt.
Frauke Kraas:
"Forschung kann nicht nach neuen Konzepten für Megastädte - na gut, suchen vielleicht, aber sie kann sie nicht finden. Die Entwicklung von Megastädten kann nur im Zusammenkommen von ganz unterschiedlichen Entscheidungsträgern ablaufen. Da müssen Perspektiven zusammen kommen aus der Verwaltung, aus der Zivilgesellschaft, aus der Privatwirtschaft, der Wissenschaft und weiteren sogenannten Entscheidungsträgern. Und das kann nicht quasi eine Planung oder Entwicklung von oben sein. Das muss eine Entwicklung gemeinsam in Runden Tischen sein, in denen man dann Lösungen für ganz spezifische Probleme quasi als Querschnittsaufgabe umsetzen kann."