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Urlaub in Coronazeiten
Jugendherbergen rechnen mit Familien und Individualreisenden

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerks, Julian Schmitz, geht davon aus, dass trotz Coronakrise bis Mitte Juni wieder ungefähr 160 Häuser geöffnet haben werden. Dazu sei ein Hygienekonzept entwickelt worden, sagte er im Dlf. Stornierungen würde kundenfreundlich gehandhabt.

Julian Schmitz im Gespräch mit Jule Reimer |
Fahne des Deutschen Jugend Herbergswerks vor der Jugendherberge im Ostseebad Binz auf der Insel Rügen
Knapp 160 Jugendherbergen sollen bis Mitte Juni wieder geöffnet sein (dpa/Stefan Sauer)
Urlaub in großzügig gebauten Hotels oder in einer Ferienwohnung lässt sich verhältnismäßig einfach mit Corona-Schutzmaßnahmen vereinbaren. Schwierig wird es jedoch für Betriebe, deren Konzept eigentlich auf größere Gruppen ausgerichtet ist, beispielsweise die deutschen Jugendherbergen. Die wollen bis zum Sommer schrittweise wieder öffnen.
Im Interview mit dem Dlf berichtete Julian Schmitz, den Hauptgeschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerks, welche Schutzmaßnahmen dafür umgesetzt wurden und wie man mit Corona-bedingten Stornierungen umgeht.
Menschenleere Kö in Düsseldorf
Lockerungen für Deutschlands Wirtschaft
Bund und Länder haben zwar eine Verlängerung der Maßnahmen in der Coronakrise beschlossen, diese aber auch gelockert. Die Wirtschaft soll wieder belebt werden, denn durch die Einschränkungen haben viele Branchen erhebliche Verluste erfahren.
Jule Reimer: Wie viele Jugendherbergen machen derzeit wieder auf?
Julian Schmitz: Es differiert von Bundesland nach Bundesland der Zeitpunkt. Insgesamt gehen wir davon aus, dass wir jetzt bis Mitte Juni ungefähr 160 Häuser wieder am Netz haben werden.
"Haben ein umfassendes Hygienekonzept entwickelt"
Reimer: Ist das denn alles gleich verteilt über die Bundesländer? Denn die Betroffenheit der Corona-Pandemie ist ja auch unterschiedlich.
Schmitz: Wir werden in jedem Bundesland wieder Jugendherbergen für Übernachtungsgäste öffnen können. Es gibt natürlich regionale Konzentrationen auch darauf, wo entsprechend Nachfrage besteht.
Julian Schmitz, Geschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerk (DJH)
Julian Schmitz, Geschäftsführer des Deutschen Jugendherbergswerk (DJH) (dpa/Florentine Dame)
Reimer: Mit welchen Schutzmaßnahmen wollen Sie das wie angehen?
Schmitz: Wir haben hier ein umfassendes Hygienekonzept entwickelt und dieses Hygienekonzept sieht natürlich neben den Vorgaben der Länder, was Abstandsregelungen etc. pp. Betrifft, deren Einhaltung vor, aber auch darüber hinaus beispielsweise die erweiterten Reinigungsturnusse bei uns, das Desinfizieren der Zimmer, das Lüften, und natürlich auch, was die Bewirtung in unseren Speise- und Restaurantsälen betrifft.
Weiterhin Auflage für Gruppenreisen
Reimer: Sie haben es ja vorwiegend mit Jugendlichen, mit Kindern zu tun. Das ist eine besondere Herausforderung. Heißt das, dass Sie möglicherweise auch mehr Aufsicht dort brauchen?
Schmitz: Zum einen haben wir natürlich weiterhin Auflagen, was das Thema der Gruppenreisen betrifft. Das ist nicht ganz unkompliziert möglich.
Reimer: Sagen Sie mal konkret, was das alles ist.
Schmitz: Wir haben weiterhin in manchen Bundesländern natürlich die Auflagen, dass man sich nicht mit mehreren Leuten aus einem Haushalt treffen darf. Man darf da nicht an einem Tisch sitzen. Die Reise einer Reisegruppe – ich nehme jetzt mal ganz klassisch vielleicht den Chor – wird schwierig, weil da natürlich viele unterschiedliche Personen zusammenkommen. Daher gehen wir davon aus, dass Gruppenreisen momentan nicht in dem Maße stattfinden.
Die Attrappe in Form eines Riesen- Waffeleis vor einem Eiscafe in Dettenheim bei Karlsruhe. Die Tische und Baenke sind leer, gesperrt und abgeriegelt. Au?er-Haus Verkauf ist moeglich. GES/ Taegliches Leben in Deutschland waehrend der Corona-Krise, 27.04.2020 GES/ Daily life during the corona crisis in Baden-Wuerttemberg, Germany. April 27, 2020 A big dummy of an Icecream seen in front of a Ice Cream Caf? in Dettenheim, close to Karlsruhe. Benches and Tables are closed. | Verwendung weltweit
Bareiß: Sorge, dass eine Tourismusbranche ins Wanken gerät
Thomas Bareiß, Tourismusbeauftragter der CDU, geht nicht davon aus, dass in naher Zukunft Reisen ins Ausland möglich sein werden. Er sei aufgrund der Coronakrise aber generell in Sorge um die Tourismusbranche, sagte er im Dlf.
Sie hatten Kinder und Jugendliche angesprochen. Wir sehen natürlich auch, dass uns die Schul- und Klassenfahrten auf absehbare Zeit nicht mehr ins Haus kommen werden – schon alleine durch die Vorgaben der Bundesländer. Daher gehen wir hier eher von Familien und Individualreisenden aus für die nächsten Monate.
Reimer: Die können Sie aber händeln, haben Sie den Eindruck?
Schmitz: Die können wir händeln. Das ist natürlich gerade bei Familien etwas, was sich da über die Haushalte einfach abbilden lässt. Aber gerade mit den Anpassungen, die wir vorgenommen haben, können wir das gut händeln.
Kundenfreundliche Stornierungsrichtlinien
Reimer: In einigen EU-Staaten sollen Kunden gezwungen werden, nach Corona-bedingten Absagen von Reisen Gutscheine zu akzeptieren. In Deutschland soll es ja bei der Regelung bleiben, dass Kunden auf Wunsch ihr Geld zurückbekommen und keine Gutscheine akzeptieren müssen, wie es übrigens auch die EU vorschreibt. Wie haben es die Jugendherbergen bisher bei Absagen gehalten?
Schmitz: Natürlich haben wir während der Corona-Zeit, wenn unsere Häuser dort bedingt geschlossen waren, immer versucht, die bestmögliche Lösung für beide Seiten zu finden - bedeutet auch mit Gruppen über gegebenenfalls Verschiebungen zu sprechen, aber natürlich auch über Erstattungen in dem Fall. Wir sind uns natürlich auch der besonderen Lage bewusst und werden da auch mit sehr kundenfreundlichen Stornierungsrichtlinien für unsere Mitglieder da sein.
Branche setzt auf Schutzkonzepte für Reisende
Der weltweite Tourismus liegt am Boden. Doch es gebe Wege aus der Krise und zwar dann, wenn Schutzkonzepte für die Reisenden entwickelt würden, sagte Michael Rabe vom Bundesverband der Deutschen Tourismuswirtschaft im Dlf.
Reimer: Das heißt: Falls Leute jetzt buchen und dann muss doch wieder storniert werden, wegen offizieller Auflagen, kann man zumindest mit Ihnen verhandeln?
Schmitz: Nicht nur verhandeln, da kann man immer mit uns sprechen. Gerade wenn offizielle Auflagen da sind, dann sind wir da die ersten, die kundenfreundlich agieren.
Massiver Umsatzeinbruch
Reimer: Aber was heißt das wirtschaftlich? Ich weiß, dass einzelne Jugendherbergen sich über die Zeit retten konnten, weil es notwendig war, Flüchtlingsunterkünfte oder auch Obdachlosenunterkünfte, wo sich die Risiken für eine Ausbreitung des Virus sehr konzentrieren wegen der großen Enge, dass sich Jugendherbergen dadurch auch über die Zeit retten konnten, dass sie dort Menschen aufgenommen haben. Was bedeutet das finanziell für Sie, diese ganze Pandemie?
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Schmitz: Finanziell bedeutet das für uns zumindest im Moment, wie aber für alle Beherbergungsanbieter wahrscheinlich auch, einen massiven Rückgang am Umsatz. Wir merken das natürlich ganz stark, da wir ein Schul- und Gruppenreiseanbieter sind und diese klassischen Zielgruppen überhaupt nicht mehr stattfinden. Für uns bedeutet das einen massiven Umsatzeinbruch. Wir haben jetzt über die Zeit, zumindest in diesen Monaten, die wir geschlossen hatten, ungefähr 25 bis 35 Prozent unseres Jahresumsatzes verloren, wenn nicht mehr - aufgrund der ausbleibenden Klassen- und Schulfahrten, die jetzt ja verstärkt stattgefunden hätten.
Reimer: Sind auch Jugendherbergen von der Pleite bedroht?
Schmitz: Momentan ist es so, dass wir davon ausgehen, dass unser Netz weitläufig erhalten bleibt. Allerdings lässt sich nicht ausschließen, dass auch einzelne Häuser, wenn sie jetzt noch weiterhin länger geschlossen sind, nicht mehr aufmachen werden.
Keine Hilfen vom Bund
Reimer: Profitieren Sie von staatlichen Hilfen, soweit es übers Kurzarbeitergeld hinausgeht, was, nehme ich an, greift, und auch wahrscheinlich Unternehmenshilfen? Profitieren Sie von weiteren Hilfen?
Schmitz: Es gibt Regelungen in einzelnen Bundesländern, wo es Darlehensmöglichkeiten oder auch Kreditmöglichkeiten seitens der einzelnen Landesregierungen gibt. Bundesweit gibt es für uns, aber auch für alle anderen gemeinnützigen Anbieter von Beherbergungsbetrieben noch keine bundesweite Lösung. Da gibt es keine Hilfsmittel für uns.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.