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Urnengräber
Archäologen lassen Knochen sprechen

Archäologen stehen bei frühzeitlichen Urnengräbern vor einem Problem: Aus den Knochenresten lassen sich kaum Informationen über Alter oder Größe der Verstorbenen ablesen - denn sie wurden vor der Bestattung verbrannt. Nun ermöglicht es eine neue Methode, das Geschlecht der Beigesetzten zu bestimmen.

Von Michael Stang |
    Urnen aus Keramik aus der späten Bronzezeit , 1250-850 v.Chr. Fundort: Mont Lassois (keltisches Oppidum) bei Vix, Burgund, Frankreich. Châtillon-sur-Seine.
    Urnenbestattungen waren rund 2.000 Jahre lang in vielen Gebieten Europas vorherrschend (picture-alliance / Erich Lessing)
    In der europäischen Ur- und Frühgeschichte gab es rund 2.000 Jahre lang Feuerbestattungen, sagt Claudio Cavazzuti. Von 3.000 vor Christus an wurden die Toten auf Scheiterhaufen verbrannt und die kremierten Überreste in Gefäßen wie Urnen beigesetzt. Dieser Bestattungsritus war im Gebiet des heutigen Deutschlands, Italiens. Frankreichs oder auch Spanien so häufig, dass in der Wissenschaft dafür der Begriff Urnenfelderkultur verwendet wird. Anatomisch konnten Wissenschaftler an den verbrannten Knochenresten bislang kaum noch etwas ableiten, weder das Alter, noch die Körpergröße oder das Geschlecht der Verstorbenen, so der Bioarchäologe vom Museum der römischen Zivilisation in der italienischen Hauptstadt.
    "Unser Ziel war daher eine Methode zu entwickeln, bei der wir anhand der noch vorhandenen anatomischen Merkmale zumindest das Geschlecht bestimmen können. Dazu haben wir 24 Eigenschaften von verschiedenen Stellen des Skeletts ausgewählt und zwar von 124 Gräbern. Bei diesen Bestattungen kennen wir die Geschlechtszugehörigkeit der Toten, und zwar durch Beigaben wie etwa Schwerter für Männer oder Handspindeln oder andere Ornamente für Frauen."
    Verlässliche Aussagen über das Geschlecht
    Die untersuchten Skelette stammen von fünf Ausgrabungsstätten aus Italien aus der Eisen- und Bronzezeit. Die Knochen waren zwar verformt und fragmentiert, aber das Feuer war nie heiß genug gewesen und hatte auch nicht lange genug gebrannt, um alle anatomischen Merkmale zu vernichten. Daher untersuchten Claudio Cavazzuti und seine Kollegen Merkmale wie Dicke, Höhe und Breite bestimmter Fußknochen, Halswirbel, Oberschenkelknochen oder auch Kniescheiben, denn überall dort konnten sie Geschlechtsunterschiede festmachen. Zähne waren nicht dabei.
    Denn Zähne würden meist bei der Feuerbestattung explodieren. Bei acht der 24 untersuchten Merkmale lag die Quote der korrekten Geschlechtsbestimmung bei mehr als 80 Prozent. Lassen sich an einem Skelett mehrere dieser Merkmale messen, erlaubt dies verlässliche Aussagen darüber, wer dort einst feuerbestattet wurde.
    Nur bei Skeletten der italienischen Frühgeschichte
    "Wir konnten tatsächlich eindeutige Unterschiede in diesen beiden Kategorien – männlich, weiblich - nachweisen. Diese Methode könnte unserer Meinung nach bald ein brauchbares Werkzeug für Bioarchäologen werden."
    Allerdings, schränkt Claudio Cavazzuti ein, liefert diese Methode erst einmal nur bei Skeletten der italienischen Frühgeschichte belastbare Ergebnisse. Bei Menschengruppen, die später oder weiter im Norden gelebt haben, gibt es vermutlich andere anatomische Merkmale, etwa in Bezug auf die Körperhöhe. Heute lebende Frauen in Nordeuropa würden einen Großteil der Männer aus der Bronzezeit überragen. Daher sei dies lediglich ein erster Schritt in die Richtung, überhaupt eine Methode zu etablieren, um bei Skelettresten aus Feuerbestattungen doch sagen zu können, ob es sich hier um die sterblichen Überreste einer Frau oder die eines Mannes handelt.