Die aktuelle Opposition ist die kleinste der bundesdeutschen Geschichte. So klein, dass ihr bereits 2014 die große Koalition mehr Rechte einräumte. Nicht genug für die Linkspartei - die deshalb vor das Bundesverfassungsgericht zog. Doch die Karlsruher Richter wiesen die Klage auf mehr Kontrollrechte nun zurück. Die Opposition im Bundestag hat über die bestehenden Möglichkeiten hinaus keinen Anspruch auf eigenständige parlamentarische Kontrollbefugnisse, urteilten die Verfassungsrichter.
Die Linksfraktion war nach Karlsruhe gezogen, weil sie in Zeiten der großen Koalition wichtige Instrumente der Oppositionsarbeit in Gefahr sieht; so hatte sie gefordert, dass Oppositionsfraktionen auch unabhängig von ihrer Stärke Gesetze vor dem Bundesverfassungsgericht per Normenkontrollklage überprüfen lassen können.
Der Zweite Senat unter Vorsitz des Gerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle wies das ab: Im Urteil heißt es, das Grundgesetz (Az: 2 BvE 4/14) begründe keine solchen spezifischen Rechte. Die parlamentarischen Minderheitenrechte seien nicht auf die Opposition beschränkt und stünden allen Abgeordneten zu. Auch Abgeordnete, die die Regierung stützen, könnten im Einzelfall opponieren.
Die Bürger wollten eine Opposition, "die aufzeigt, wo was schief läuft", hatte Fraktionschef Dietmar Bartsch noch kurz vor der Urteilsverkündung im ARD-Fernsehen gesagt.
Schon im Januar hatten die Richter in der Verhandlung kritisch hinterfragt, ob eine Grundgesetzveränderung wirklich notwendig sei.
Sonderregelung für diese Legislaturperiode
Im Bundestag stellen die beiden Oppositionsfraktionen von Grünen und Linken 127 der 630 Parlamentarier. Damit sind sie sogar zusammen noch zu schwach, um gegen CDU, CSU und SPD die im Grundgesetz verankerten Minderheitsrechte wahrzunehmen. Denn dafür ist ein Viertel der Abgeordneten nötig.
Um das ein Stück weit auszugleichen, hatten Union und SPD nach der Wahl 2013 die Geschäftsordnung des Bundestags für die Dauer der Legislaturperiode um eine Sonderregelung erweitert. Damit können Linke und Grüne nun etwa mit mindestens 120 Abgeordneten die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragen.
Keinen Ersatz gibt es allerdings für die Möglichkeit, über die sogenannte abstrakte Normenkontrolle ein Gesetz in Karlsruhe auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen zu lassen. Aus Sicht des langjährigen Fraktionschefs Gregor Gysi, der die Linke vor dem Verfassungsgericht vertrat, war das nicht hinnehmbar. Er wollte den Bundestag über ein Organstreitverfahren zwingen, die entsprechenden Quoren im Grundgesetz anzupassen. Damit ist er nun gescheitert. Bei der Linken sieht man trotzdem Grund zur Freude. Gysi und der aktuelle Fraktionchef Bartsch feierten die Entscheidung als Sieg.
Gysis Argumentation: Das Gericht habe deutlich gemacht, dass es neben der abstrakten Normenkontrolle auch noch einen anderen Weg für Fraktionen gebe, Gesetze auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz überprüfen zu lassen: das Organstreitverfahren, das Gysi für seine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht selbst genutzt hatte. Dieses können neben einzelnen Abgeordneten unter anderem auch der Bundespräsident, die Bundesregierung oder Parteien anstoßen. Das war aber auch schon vor dem heutigen Urteil möglich.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Stefan Heck sieht das Urteil deswegen als "Niederlage auf ganzer Linie" für die Linke. Bemerkenswert sei, dass das Verfassungsgericht die Rechte des einzelnen Abgeordneten und nicht der Fraktionen oder der Opposition herausgestellt und gestärkt habe.
(pr/bor/kis)