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Urteil in Den Haag
Niederlande mitverantwortlich für Deportation in Srebrenica

Das Zivilgericht von Den Haag hat dem niederländischen Staat eine Mitverantwortung für die Deportation von mehr als 300 Muslimen beim Massaker von Srebrenica gegeben. Ein Großteil der Männer war später ermordet worden. Mehrere Hinterbliebende hatten den Staat als Oberbefehlshaber der niederländischen UNO-Blauhelme verklagt.

    Grabsteine der Potocari Gedenkstätte für den Völkermord in Srebrenica. Rund 8.000 männliche Muslime wurden im Juli.1995 in Srebrenica von bosnisch-serbischen Truppen ermordet, obwohl die Stadt UN-Schutzzone war.
    Gedenkstätte für den Völkermord in Srebrenica (picture alliance / dpa / Foto: Thomas Brey )
    Mehr als 300 Muslime waren am 13. Juli 1995 aus dem Lager der niederländischen Blauhelme in Potocari deportiert worden. Der Großteil von ihnen wurde später ermordet. Die Richterin Larissa Elwin urteilte in Den Haag, die niederländische Truppe Dutchbat hätte wissen müssen, dass die Männer nach ihrer Verschleppung Opfer eines Völkermordes werden könnten. Wenn die niederländischen Blauhelme ihnen weiterhin erlaubt hätten, in dem Lager zu bleiben, wären sie mit hoher Wahrscheinlichkeit am Leben geblieben. Durch ihre Kooperation bei der Deportation agierte Dutchbat laut Gericht gesetzeswidrig.
    Das Zivilgericht in Den Haag gab damit einer Klage der Vereinigung "Mütter von Srebrenica" zum Teil statt. In der Vereinigung sind Angehörige von Opfern des Massakers im Bosnien-Kriegs zusammengeschlossen. Sie sollen nun eine Entschädigung erhalten. Über die Höhe wurde zunächst nichts bekannt.
    The Netherlands liable for deportation of more than three hundred men Srebrenica. Verdict will follow. Press release: pic.twitter.com/VaAZi9yqYn— Rechtbank Den Haag (@HaagseRechtbank) 16. Juli 2014
    Während des Bosnien-Kriegs hatten serbische Truppen unter General Ratko Mladic die UNO-Schutzzone innerhalb weniger Tage überrannt und etwa 8.000 muslimische Männer und Jungen zusammengetrieben und getötet. Das Massaker in der ostbosnischen Stadt ging als folgenschwerstes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in die Geschichte ein. Vom UNO-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag wurde es als Völkermord eingestuft.
    Nach Ansicht der "Mütter von Srebrenica" hatte sich die UNO-Einheit Dutchbat dem serbischen Angriff nicht widersetzt und an der Deportation der Männer mitgewirkt. Die Niederlande beriefen sich darauf, dass Dutchbat unter dem Befehl der UNO stand.
    Frühere Klagen der Angehörigen gegen die UNO waren gescheitert. Allerdings hatte im September 2013 das höchste niederländische Gericht den Staat haftbar für den Tod von drei Männern erklärt. Nach diesem Urteil hatten die Niederlande "effektive Kontrolle" über die UNO-Einheit. Daraufhin gab das niederländische Verteidigungsministerium im April bekannt, vier Hinterbliebenen jeweils 20.000 Euro auszuzahlen.
    Gedenken am Jahrestag
    Erst am Freitag hatten in Srebrenica tausende Menschen der Opfer des Massakers an der muslimischen Bevölkerung gedacht. Angehörige der getöteten Männer und Jungen sowie viele andere Trauernde kamen zusammen, um der Beisetzung von weiteren 175 identifizierten Leichen aus Massengräbern beizuwohnen.
    Wegen des Völkermords steht derzeit der ehemalige serbische General Mladic vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag. Mladic erklärt sich unschuldig in allen elf Anklagepunkten. In einem getrennten Verfahren muss sich auch der frühere Serbenführer Radovan Karadzic vor dem UNO-Tribunal wegen Völkermords und anderer Kriegsverbrechen verantworten.
    (fwa/jcs)